Armin Laschet und die Heinsberg-Studie: Angebliche Unwissenheit

Die Heinsberg-Studie sollte Argumente für rasche Lockerungen liefern. Die PR-Agentur Storymachine begleitete sie. Was wusste Laschet?

Armin Laschet mit Maske

Oberster Lockerer: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Foto: Bernd Thissen/dpa

Im Streit um die Kanzlerkandidatur ist NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in eine ungewohnte Rolle geschlüpft: In der Coronakrise gibt der lange als Zögerer und Zauderer Kritisierte Deutschlands ersten und obersten Lockerer des Lockdowns. Laschet sorgt dafür, dass die Grenzen zu Nordrhein-Westfalens Nachbarländern Belgien und Niederlande offen bleiben, öffnet im Alleingang Möbelhäuser, verspricht immer wieder die schnelle Rückkehr zu einer neuen „verantwortungsvollen Normalität“. Es wirkt, als folge der Machtkampf mit seinem größten Rivalen, dem bayerischen CSU-Ministerpräsidenten und Coronahardliner Markus Söder, einem klaren Script.

Gescriptet wirkt auch die Heinsberg-Studie, die Laschet Argumente für seinen Kurs der Lockerung liefern sollte. Eine „fundierte Begründung“ für ein schnelles Ende von Kontaktverboten & Co. erhoffte sich der CDU-Bundesvize von der wissenschaftlichen Untersuchung, die der Bonner Virologe Hendrik Streeck im ersten deutschen ­Epizentrum der ­Pandemie, der Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg, durchgeführt hat. Dass der renommierte Forscher Streeck selbstverständlich „ergebnisoffene“ Arbeit versprach, als „Bürger“ den Lockdown aber kritisch sieht, haben Christian Schwägerl und Joachim Budde auf riffreporter.de detailliert herausgearbeitet.

Mit 65.315 Euro hat Laschets Landesregierung Streecks Untersuchung mitfinanziert. Dass die Studie aufgrund einer zu geringen Fallzahl in dem 12.000-Seelen-Örtchen Gangelt eben nicht repräsentativ für ganz Deutschland sein kann – fast geschenkt. Wie wenig Argumente sie deshalb für Laschets Lockerungsübungen liefert, haben die Zeit früh und zuletzt etwa der SWR klargemacht.

Merkwürdig wirkt auch die mediale Begleitung durch die PR-Agentur Storymachine. Hinter der stehen der einstige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, der Eventmanager Michael Mronz und der frühere Stern.de-Chefredakteur Philipp Jessen. Mronz ist Laschet durch die Olympia-Bewerbung, mit der die Spiele 2032 an Rhein und Ruhr geholt werden sollen, verbunden – und mit Streeck befreundet.

Hat Laschet gelogen?

Dass auch das sogenannte Heinsberg-Protokoll, mit dem Storymachine eine „Dokumentation“ der Arbeit Streecks versprach, einem klaren Drehbuch folgte, geriet deshalb schnell in die Kritik. Schon Mitte April berichtete Capital, welche „Messages“ mit dem Storymachine-Protokoll verbreitet werden sollten: Im Konzept der PR-Agentur hieß es, Streecks Studie werde „Wissen“ schaffen, mit dessen Hilfe sich ein „Weg zurück zur Normalität“ beschreiben lasse – ganz im Sinne Laschets.

Der musste sich prompt unangenehme Fragen stellen lassen: Ob ihm denn klar sei, von wem und wie die Heinsberg-Studie vermarktet werde, wollten Journalist*innen etwa vom WDR oder vom Deutschlandfunk wissen. „Zu kleinteilig“ fand das der Ministerpräsident: „Welche PR-Agentur da wie was macht, ob das begleitet wird, ob man Herrn Streeck dabei hilft, die Presseanfragen aus aller Welt koordiniert zu beantworten, das weiß ich nicht“, erklärte er noch am 19. April im Deutschlandfunk.

Der Wahrheit scheint das nicht entsprochen zu haben, berichten Sascha Adamek und Lisa Wandt vom ARD-Politikmagazin „Kontraste“. Denn in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, die auch der taz vorliegt, schreibt CDU-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, die „Beratung“ Streecks durch Storymachine sei „der Öffentlichkeit und damit auch der Landesregierung bereits „zum Auftakt der entsprechenden Facebook-Seite“ bekannt gewesen. Auf Facebook erschien das Heinsberg-Protokoll zuerst am 3. April. Der erste Post folgte am 6. April – also knapp zwei Wochen vor Laschets angeblicher Unwissenheit.

Der Rest ist Ritual. Sarah Philipp, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, wirft der Landesregierung „äußerst widersprüchliche Äußerungen“ vor. Laschets Staatskanzlei windet sich, will keinen Widerspruch erkennen. Fest steht aber: Ausgezahlt hat sich Laschets Kurs bisher nicht. Laut einer Infratest-Umfrage vom 7. Mai halten nur 27 Prozent der Deutschen den Rheinländer für einen guten Kanzlerkandidaten. Von seinem Rivalen Söder sagen das 53 Prozent.

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