Mini-Akw-Pläne in den USA: Kleiner, aber immer noch Atom
Die USA wollen viele Kohle- durch Atomkraftwerke ersetzen. Die Regierung hofft, dass neue Modelle weniger Probleme machen als die alten Meiler.
Kathryn Huff, die im US-Energieministerium für Atomkraft zuständig ist, stellt sich das folgendermaßen vor: „Wir haben die Möglichkeit, mit am Fließband gefertigten Reaktoren die Kosten zu senken“, so die Ingenieurin. „Mir hatte jemand mal gesagt, dass wir Kernkraftwerke nicht wie Flughäfen bauen sollten, also groß, komplex, teuer und speziell für bestimmte Ortsgegebenheiten angefertigt, sondern wie Flugzeuge, eins nach dem anderen, immer gleich und von den Behörden abgesegnet.“
Aktuell sind in den USA 93 Atomreaktoren in Betrieb. Diese erzeugen knapp 19 Prozent des gesamten Stroms im Land. Die aktuelle Flotte von AKWs ist allerdings in die Jahre gekommen. Hohe Investitionskosten wie beim Bau in Georgia tragen sich oft wirtschaftlich nicht. Die Biden-Regierung hofft aber, mit neuen Technologien die Probleme der alten Meiler zu lösen.
Bill Gates’ Firma TerraPower zum Beispiel will im US-Bundesstaat Wyoming ein neuartiges Mini-AKW bauen, um die angrenzende Kleinstadt Kemmerer mit Strom zu versorgen. Der natriumgekühlte Reaktor, der spätestens 2030 in Betrieb genommen werden soll, wird eine Leistung von 345 Megawatt haben. Da die Anlage jedoch auch ein Energiespeichersystem enthalten wird, erhöht sich die Spitzenleistung auf 500 Megawatt. Damit könnten laut TerraPower bis zu 400.000 Häuser mit Strom versorgt werden.
Von der Kohle zur Atomkraft
Dass TerraPower ausgerechnet Wyoming als Standort für sein Pilotprojekt ausgewählt hat, liegt zum Teil am dort vorhandenen Erfahrungsschatz in der Energiewirtschaft. Allerdings in der fossilen Branche: Wyoming ist der mit Abstand größte Kohleproduzent in den USA. „Wir haben einen Standort gewählt, an dem aktuell ein Kohlekraftwerk steht und der bereits über Anschlüsse ans Stromnetz sowie über hoch qualifizierte Arbeitskräfte verfügt“, sagte Bill Gates. „Wir errichten unseren Natriumreaktor somit in einer Gemeinde, die weiß, was es heißt, ein großes Energieprojekt zu unterstützen.“ Das Kohlekraftwerk soll 2025 abgeschaltet werden. Weil in einem Atomkraftwerk ebenfalls Dampf zur Stromerzeugung genutzt wird, wird es möglich sein, Arbeiter zu übernehmen.
Trotz der Umweltschäden, zum Beispiel durch den Uranabbau, gilt Atomstrom nach US-Kriterien als „sauber“. Teilweise bewertet ihn auch die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen als „grün“. Der Grund: die geringen CO2-Emissionen. „Atomenergie ist unverzichtbar im Kampf gegen den Klimawandel“, sagte US-Energieministerin Jennifer Granholm im vergangenen Jahr. Eine Studie aus ihrem Haus hat vorgezeichnet, wie fast 80 Prozent aller Kohlekraftwerke in den USA durch AKWs ersetzt werden könnten – der Großteil durch Mini-AKWs in Wyoming mit einer Leistung von ein paar hundert Megawatt.
Gigantisch lange Bauzeiten
Doch nicht alle sehen eine Zukunft für die Atomkraft im Land. Für Atomphysiker Arjan Makhijani ergeben Investitionen in Atomenergie nicht nur wirtschaftlich keinen Sinn, sondern auch in Anbetracht der sich verschlimmernden Klimakatastrophe. Für ihn sprechen die langen Entwicklungs- und Bauzeiten dagegen. „Es muss gerade deshalb schnell gehandelt werden“, sagt Makhijani. Zwar gibt es neben TerraPower noch andere Firmen, die Mini-AKWs entwickeln, doch eine schnelle Lösung für das Klimaproblem stellen sie nicht dar.
Die Kritiker führen weitere Gegenargumente an: Zwar haben AKWs im Allgemeinen eine gute Sicherheitsstatistik – aber wenn etwas schiefgeht, sind die Folgen oft gravierend. Und auch die Atommüllfrage ist in den USA noch nicht beantwortet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen