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Militante Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“Rückkehr nach 30 Jahren

1995 sollen die Linken Thomas Walter und Peter Krauth an einem gescheiterten Anschlag beteiligt gewesen sein. Nun stellen sie sich den Behörden.

Thomas Walter (l.) und Peter Krauth (r.) in Venezuela, 2017 Foto: Wolf-Dieter Vogel

Berlin taz | Knapp 30 Jahre nach ihrem Abtauchen werden sich die deutschen Linken Thomas Walter und Peter Krauth in der kommenden Woche den Strafverfolgungsbehörden stellen. Das bestätigte der Rechtsanwalt Lukas Theune der taz. Walter und Krauth sollen 1995 an einem gescheiterten Sprengstoffanschlag in Berlin beteiligt gewesen sein. Dass die Beschuldigten aus langjährigem Exil in Venezuela nach Deutschland kommen, um sich dem Verfahren zu stellen, geht Rechtsanwalt Theune zufolge auf eine Vereinbarung zwischen den Beschuldigten und der Bundesanwaltschaft (BAW) zurück. Am 17. März soll vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gegen die beiden beginnen.

Die Bundesanwaltschaft wirft Walter und Krauth vor, dass sie sich als Mitglieder der militanten Gruppe „Das K.O.M.I.T.E.E.“ dazu verabredet hätten, im April 1995 einen Sprengstoffanschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau zu verüben. Die beiden sowie der mittlerweile verstorbene Bernhard Heidbreder sollen damals geflüchtet sein, nachdem eine Polizeistreife die Aktion vereitelte. „Das K.O.M.I.T.E.E.“ bekannte sich zudem 1994 zu einen Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde. Diese Aktion wird den Männern jedoch nicht mehr vorgeworfen, weil sie verjährt ist.

Die Beschuldigten distanzierten sich nie von militanten Angriffen, räumten aber bisher ebensowenig ein, an den ihnen vorgeworfenen Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Das hat sich nun wohl geändert. „Die Vereinbarung ist, dass sie geständig sind und dafür ein geringes Strafmaß erhalten“, erklärt Verteidiger Theune. Walter und Krauth, heute 62 und 64 Jahre alt, könnten damit rechnen, mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen. Das Berliner Gericht hat für den Prozess vier Verhandlungstage angesetzt, am 8. April soll das Urteil gesprochen werden.

Schon Anfang Januar war absehbar, dass Bewegung in den Fall kommt. Damals hatte die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die beiden erhoben. Zu einer möglichen Vereinbarung mit den Beschuldigten äußerte sich die die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der taz nicht explizit. Da es sich nur um einen Versuch handele und das Verbrechen schon lange her sei, sei eine relativ geringe Strafe denkbar, erklärt die Sprecherin Ines Peterson der taz.

Bundesanwaltschaft bestand lange auf Haftstrafe

So sahen es die Bundesanwälte bislang nicht. Frühere Versuche einer Einigung scheiterten daran, dass die Strafverfolger auf einer Gefängnisstrafe von 3 ½ bis 4 Jahren bestanden hatten. Darauf wollten sich die beiden Beschuldigten nicht einlassen.

Ohnehin zeigte sich die Bundesanwaltschaft Jahrzehnte lange Zeit entschlossen, an einer konsequenten Verfolgung festzuhalten. Gemäß den üblichen juristischen Standards wären die Verbrechen bereits nach 20 Jahren verjährt gewesen. Doch die Karlsruher Ankläger veränderten den Vorwurf, seither werden die Beschuldigten wegen der Verabredung zur Herbeiführung eines Sprengstoffanschlags verfolgt. Damit verlängert sich die Verjährungsfrist auf 40 Jahre. Gemeinsam mit Freundinnen und Freunden kämpften Walter, Krauth und Heidbreder dafür, dass das Verfahren eingestellt wird.

Nach ihrem Abtauchen war von den Dreien lange Zeit nichts zu hören. Das änderte sich 2014. Damals wurde Bernhard Heidbreder aufgrund eines internationalen Haftbefehls in Venezuela festgenommen, wo die Männer bereits mehrere Jahre gelebt hatten. Die venezolanischen Behörden weigerten sich jedoch, Heidbreder den deutschen Strafverfolgern auszuliefern. Im Januar 2022 erhielten Walter und Krauth nach einem langjährigen Procedere in dem Land Asyl. Für Heidbreder kam die Entscheidung zu spät. Der 60-Jährige starb acht Monate zuvor an einem Krebsleiden.

Seit sich die Drei legal in Venezuela bewegen konnten, meldeten sie sich immer wieder zu Wort. 2017 besuchte die taz die Männer in ihrem Exil, andere Medien folgten. In dem 2023 erschienenen Buch „Aus der Zwischenwelt“ beschreibt Walter entlang seines verstorbenen Mitstreiters das „Leben auf der Flucht vor dem deutschen Staat“. Auf Facebook solidarisiert er sich mit Kurdinnen und Kurden in Rojava, bewirbt Lesungen „aus der Zwischenwelt“ und ruft dem flüchtigen Ex-RAF-Mann Burkhard Garweg zu: „Lass dich nicht erwischen!“

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18 Kommentare

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  • Warum schwingt soviel kleinlich-mißgünstige Rachsucht in den meisten bisher veröffentlichten Kommentaren mit?



    Es sind Leser der TAZ, einer der wenigen Zeitungen deren Nullmeridian links der Mitte verläuft.



    Sind das Trolle, die normalerweise die "Junge Freiheit" lesen und alle Linken ins Lager wünschen?



    Frustrierte Ex-Linke, die ihre Vergangenheit verdrängen?



    (Filmtipp: Tatort aus München "Im Herzen Eiszeit" mit Rio Reiser)

    Wir haben hier ein kleine Gruppe Autonomer in den 90ern.



    Die 90er wurden auch die "Baseballschlägerjahre" genannt, weil die Staatsmacht in großen Teilen Deutschlands die Straße den Neonazis überlassen hatte und nicht im entferntesten irgendeinen Willen hat erkennen lassen, schwerste Gewaltverbrechen von Rechts adäquat zu verfolgen.



    Diese autonome Gruppe hat aus idealistischen Motiven einen Sprengstoffanschlag gegen ein Symbol einer menschenverachtenden Appeasement- Politik geplant, einer Politik die rechte Narrative übernimmt und die niederen Instinkte der- damals REP und DVU, heute AfD-Wähler bedient, in der Hoffnung diese abzufischen.



    Passiert ist letzendlich nichts, aber den Verfolgungswillen der Exekutive würde ich mir auch bei Oury Jalloh wünschen.

  • Mitte 60, da lockt die Rente zurück nach DE. Wer hier gemeingefährliche Anschläge vorbereitet oder durchgeführt hat, sollte nicht ohne eine demensprechende Strafe zurückkommen können, nur - weil die Staatsanwaltschft ihre Statistik aufbessern will.

    • @Hoehne Bernd:

      Wie kann man so gehässig und rechtsfrei reden.



      Außerdem ging es um die Sprengung eines Abschiebegefängnisses! Wir sind uns ja wohl alle einig, dass das keine rechtsstaaliche Anstalten sind.

  • Wieso soll das verjährt sein? Nach ihnen wurde seit 1995 gefahndet. Spätestens nach ihrer Festnahme in Venezuela 2014 und dem gestellten Auslieferungsantrag ist ihr Aufenthaltsort bekannt und die Verjährung damit gestoppt. Das sind keine 20 Jahre. Flucht in einen Staat, der nicht ausliefert, ist kein Mittel, um der Strafverfolgung zu entgehen.

    • @TheBox:

      Der Antrag auf Ermittlung des Aufenthaltortes kann tatsächlich zu einer Unterbrechung der Verjährung führen, aber auch nicht auf ewig.



      Daher kommt die vom Autor genannte Verjährungsfrist von 40 Jahren zu standen - die es so nicht gibt, einfach mal in §78 StGB gucken.



      Der normalen Verjährung von 20 Jahren, die der deutsche Staat quasi im letzten Moment verhindert hat, dürfen maximal ebensoviel Jahre ruhende Verjährung folgen.



      Sie hätten nur bis 2034 in Venezuela bleiben müssen.

  • Endlich!



    Auf Wiedersehen!

  • Ich finde, sie sollten den Mut haben, zu ihrer Entscheidung zu stehen, und in Venezuela bleiben .

  • Meistens ist es die angeschlagene Gesundheit, die im Exil auf begrenzte medizinische und soziale Versorgung trifft. Da lockt dann doch die Vollversorgung in Deutschland.

  • Hm, nach 30 Jahren kommen sie zurück aus Venezuela... ein Schelm der denkt, es könnte was mit dem zunehmenden Zusammenbruch dieses Mafiastaates zutun haben.

  • "I fought the law, the law won."

    Offensichtlich sind die Jahrzehnte im Exil ohne neue Gedanken verstrichen.

    Solidarität mit der RAF, der dümmsten deutschen militanten Bewegung.

    Da fällt einem nichts mehr ein.

  • Terroristen sollte man keine Bühne bieten.

    • @Mendou:

      Ich gehe davon aus, dass sie in manchen (Berliner?) Milieus hier in Deutschland willkommen sind und als Bereicherung wahrgenommen werden. Ich persönlich hoffe, nicht allzu oft etwas von ihnen zu hören oder zu lesen.

  • Das sagt wohl vor allem etwas über die Zustände im Arbeiter- und Bauernparadies Venezuela, wenn selbst diese beiden Sportsfreunde einen dt. Knast vorziehen.

  • Was ist schon der Versuch ein Abschiebegefängnis noch im Bau zu zerstören,



    gegen die Praxis Abschiebegefängnisse zu bauen und zu betreiben.

    Da muss man mal auf dem Teppich und bei Berthold dem Brecht bleiben.

    • @Elise Hampel:

      Genau. Wenn man dann noch vergleicht, wie Rechtsterrorismus in D juristisch behandelt wird, im Vergleich zu Linksterrorismus....

  • Klingt nach einem guten Deal. Geringe Strafe - wenn es zu einer Verurteilung kommen sollte -, evtl. nur Bewährung und vermutlich sofort Bürgergeld und freie medizinische Versorgung.

    Leider wird nicht der wirtschaftliche Erfolg der beiden Herren in Venezuela beschrieben. Wenn man älter wird, steigen die Gesundheitskosten. Höchstwahrscheinlich haben die beiden Herren 30 Jahre weder in das deutsche Gesundheits- noch Steuersytem eingezahlt. Clever, erst zur Auszahlungsphase zurückzukommen.

  • Geplante Rückkehr nach 30 Jahren ..



    um in Deutschland den finanziell abgesicherten und faktisch hochwertigen Lebensabend zu genießen!? Höchst wahrscheinlich gesegnet mit einer läppischen Bewährungsstrafe. Oder gibt es eine andere Erklärung, wieso die beiden Herren nicht weiterhin ihr Leben in Venezuela verbringen wollen?

  • "Walter und Krauth, heute 62 und 64 Jahre alt, ..."

    In diesem Alter ist es sicherlich vorteilhafter, in einem Sozialstaat mit Grundsicherung und halbwegs ausreichendem Krankenschutz zu leben, zumal der dritte mutmaßliche Mittäter relativ jung an einer Krankheit verstarb.