Militärhilfe für die Ukraine: Macron bricht ein Tabu
Auf der Ukraine-Unterstützungskonferenz in Paris droht Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erstmals mit der Entsendung von Bodentruppen.
Der Einsatz von Soldaten aus Nachbarländern und der Nato war bisher ausgeschlossen worden. Dass nun Macron dieses Tabu in der Pressekonferenz nach dem Pariser Treffen gebrochen hat, verdeutlicht vor allem, wie dramatisch die Stimmung und der Kontext bei dieser Konferenz, zwei Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine eingeschätzt wird. Die unzureichenden Waffen- und Munitionslieferungen sind der Hauptgrund für die Geländegewinne, welche die russischen Einheiten in den letzten Wochen an der östlichen Front verzeichnen konnten.
Die Alliierten haben ihre Versprechen nicht gehalten. In den USA ist die von Joe Biden angekündigte Militärhilfe vorerst im Kongress blockiert, und die EU-Staaten haben mehr in Aussicht gestellt, als sie dann konkret liefern konnten oder wollten. „Von einer Million Bomben, die uns die Europäische Union versprochen hatte, haben wir nicht die Hälfte, sondern leider nur 30 Prozent bekommen“, bedauerte am Montag vor dem Beginn des Treffens in Paris der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj, der die teilnehmenden westlichen Partner in einer Videobotschaft eindringlich um eine raschere und stärkere Hilfe ersuchte. Es gehe dabei auch um die Sicherheit der ebenfalls bedrohten Nachbarstaaten und ganz Europas.
Aus diesem Grund dürfe die Ukraine nicht verlieren, sagte auch Macron: „Die russische Niederlage ist im Interesse der europäischen Sicherheit und der Stabilität unentbehrlich“, erklärte er feierlich. Ein heilsamer „Ruck“ der Alliierten sei in diesem bedrohlichen Kontext notwendig, da Russland „immer aggressiver“ werde und auch vor Einschüchterungen nicht zurückschrecke, „wie dies der grausame Tod von Alexej Nawalny illustriert“.
Scholz argumentiert entgegengesetzt von Macron
Macron möchte dem russischen Staatschef Wladimir Putin von dieser Konferenz eine Botschaft schicken: „Wir sind weder resigniert noch defätistisch!“ Um dies zu untermauern, hatte er aber nur starke Worte und die Drohung mit einer Eskalation. Ein zusätzliches Programm von militärischer Hilfe stand in Paris nicht auf der Tagesordnung.
Wie weit die Nato-Länder, und im Speziellen auch Frankreich, eventuell gehen könnten, um einen russischen Sieg gegen die Ukraine zu verhindern, möchte Macron darum offen lassen. Diese Drohung schließt für ihn ausdrücklich auch die Frage von Bodentruppen ein.
„Viele von denjenigen, die heute sagen ‚Nie und nimmer‘ sind dieselben, die vor zwei Jahren sagten: ‚Keine Panzer, keine Flugzeuge, keine Langstreckenraketen‘. (…) Mit Bescheidenheit müssen wir konstatieren, dass wir (bei den Lieferungen) oft sechs oder zwölf Monate Verzug haben. Der Zweck der Diskussionen des Abends war zu erklären: Alles ist möglich, wenn es erforderlich ist, um unser Ziel zu erreichen.“ Die Alliierten seien „nicht im Krieg mit Russland“, seien aber entschlossen, „einen russischen Sieg nicht zuzulassen“.
Wie in der Konferenz hinter verschlossenen Türen Macrons Drohung mit Truppen interpretiert wurde, ist vorerst nicht bekannt. In Frankreich reagierte die politische Opposition jedoch sehr mit scharfer Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz bestätigte erneut, was er am Montagmittag erstmals deutlich bei einer Konferenz mit Chefredakteuren deutscher Medien gesagt hatte: dass für ihn die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgeschlossen sei.
Denn um den Taurus zu bedienen, müssten laut Scholz Bundeswehrsoldaten in die Ukraine, und im Unterschied zu Macron schloss Scholz das klar aus. Die FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann kritisierte den Kanzler bereits am Montag offen für diese Entscheidung und bezeichnete es als längst widerlegte Falschbehauptung, dass der Taurus nur zusammen mit Bundeswehrsoldaten geliefert werden könne.
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