Migrationspolitik: Feindselige Stimmung
Deutsche Politiker:innen warnen vor migrantischen Straftätern. Doch sexualisierte Gewalt lässt sich nicht mit der Herkunft erklären.
S orgen über Sorgen in der deutschen Asyl- und Migrationspolitik. Von „Wir müssen die Zahl der Flüchtlinge deutlich reduzieren“ bis hin zu Forderungen „Wir müssen in einem großen Stil abschieben“; beides bekannte Zitate von deutschen Politikern. Und nein, sie stammen nicht von Mitgliedern der AfD.
Migration ist zum Dauerbrenner geworden, der aktuell nur noch über das Negative definiert wird. Es ist zur politischen Normalität geworden, dass über kriminelle, gefährliche und nicht integrierbare Menschen gesprochen wird. Erst kürzlich rüttelt Grünen-Abgeordneter Cem Özdemir die Menschen auf, die Realität klar zu benennen. In einem Gastbeitrag für die FAZ schrieb er nicht nur als Politiker, sondern auch als Vater.
Seine Tochter habe sich in Berlin ein besonders dickes Fell zulegen müssen, wie viele andere Frauen auch. Sie und ihre Freundin werden „von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert“. Den Grund dafür hat Özdemir natürlich auch parat, „die patriarchalen Strukturen und die Rolle der Frau in vielen islamisch geprägten Ländern“, seien schuld an den wirklich erschreckenden Erlebnissen.
Abgesehen von der Instrumentalisierung der eigenen Tochter, ist mal wieder die Religion der „kleinen Paschas“ an allem Übel schuld. Welche Religion auf dieser Welt lehrt eine Ausübung von sexueller Gewalt? Hat sich die Frage der Religion auch jemand bei der Verdopplung an Sexualdelikten auf dem Oktoberfest gestellt?
Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.
Fehlende Aufklärung
Es ist unbestreitbar, dass jede Form von sexueller Belästigung und Gewalt inakzeptabel ist, egal wo sie stattfindet oder wer die Täter sind. Statt vorschnell Religion oder Herkunft als Erklärung heranzuziehen, sollten wir uns auf die eigentlichen Probleme konzentrieren: toxische Männlichkeit, fehlende Bildung über sexuelle Gewalt, Machtstrukturen, Alkoholmissbrauch und ein unzureichender Schutz für die Opfer.
ist Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin. Als freie Journalistin beschäftigt sie sich mit den Themenschwerpunkten Medienkritik, Diskriminierung und Religion.
Nur wenn wir das Problem klar erkennen und benennen, können wir gemeinsam an Lösungen arbeiten, die uns als Gesellschaft voranbringen, statt uns zu spalten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch