Migrationspolitik von Olaf Scholz: Deutschlandtempo bei Abschiebungen

Auch wenn der Kanzler Abschiebung „im großen Stil“ verspricht: Die meisten Geflüchteten dürfen hier bleiben. Und das aus guten Gründen.

Ein mann sitzt zwischen einer Polizeibeamtin und einem Polizeibeamten in einem Flugzeug

31.07.2019, Leipzig: Zwei Polizeibeamte eskortieren einen Afghanen auf dem Flug von Leipzig nach Kabul in einem Charterflugzeug Foto: Michael Kappeler/dpa

Ein „Deutschland-Tempo“ hatte Kanzler Olaf Scholz mal versprochen, um das Land moderner und zukunftssicher zu machen. Dabei ging es ihm eigentlich um Planungs- und Genehmigungsverfahren, aber das Thema ist komplex und dröge. Das Thema Migration ist ebenfalls komplex, aber emotional hoch aufgeladen. Deshalb ist die Versuchung groß, darauf einfache Antworten zu geben.

Die als „Fortschrittskoalition“ angetretene Ampel-Regierung kann dieser Versuchung nicht länger widerstehen. Auf dem aktuellen Spiegel-Cover hat sich der schlumpfige Scholz in einen grimmigen Scharfmacher verwandelt, der Abschiebungen „im großen Stil“ verspricht. Es fehlt nur noch die Frakturschrift, um die demonstrative Härte zu unterstreichen.

Neu ist das Vorhaben allerdings nicht. Schon im Koalitionsvertrag hatte die Ampel eine „Abschiebeoffensive“ angekündigt, das hatte die FDP durchgesetzt. Nun macht die Regierung damit Ernst.

Es wird schon jetzt mehr abgeschoben

Tatsächlich wurden in diesem Jahr bereits mehr Menschen abgeschoben als im Jahr zuvor. Doch welche Probleme werden dadurch gelöst? Angesichts von 1,1 Millionen Flüchtlingen allein aus der Ukraine, die rechtmäßig hier sind, ist es ziemlich egal, ob sich die Zahl der Abschiebungen pro Jahr verdoppelt oder verdreifacht: Ein paar Tausend oder Zehntausend weniger Menschen lindern die Probleme der Kommunen nicht. Und um viel mehr als 50.000 Fälle geht es nicht.

Von den knapp 300.000 Menschen, die derzeit „ausreisepflichtig“ sind, besitzen 80 Prozent eine Duldung. Das heißt, sie können nicht abgeschoben werden, selbst wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde – entweder, weil sie keinen Pass besitzen, eine Ausbildung machen, zur Schule gehen oder krank sind. Nach Afghanistan, Syrien und in den Iran wird derzeit aus guten Gründen ohnehin nicht abgeschoben. Daran werden auch Migrationsabkommen mit Kenia und Kirgistan nichts ändern, an denen gearbeitet wird.

Aktionismus und Schikane

Kurz: Die überwältigende Mehrheit der Geflüchteten, die hier sind, wird auch hier bleiben. Gut wäre es, das so klar zu sagen. Gut wäre es auch, den Kommunen mehr Geld für ihre Unterbringung und Integration zu geben, statt es für aufwändige und teure Abschiebeflüge auszugeben, die reiner Aktionismus sind. Auch die geplante Verschärfung der Abschieberegeln ist bloße Schikane.

Viel wichtiger wäre es, Deutschland endlich attraktiver für ausländische Arbeitskräfte zu machen, die wir jetzt und in Zukunft brauchen. Die aktuellen Debatten tragen leider nicht dazu bei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.