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Menschenrechte im IranEin mörderisches Regime

Gilda Sahebi
Gastkommentar von Gilda Sahebi

Geht es um die Aufnahme von Afghanen, ist oft vom Iran die Rede. Dabei darf bei Gesprächen mit Teheran die Folter von Re­gime­kri­ti­ke­r:in­nen dort nicht vergessen werden.

Mauer in der Provinz Van an der türkisch-iranischen Grenze Foto: Emrah Gurel/ap

W er dieser Tage mit Menschen in Iran redet, hört Sorge in ihren Stimmen. Nicht nur wegen des Umbruchs in Afghanistan. Sondern auch, weil viele Menschen fürchten, dass westliche Staaten nun noch weniger bereit sein werden, der Menschenrechtslage im Land Beachtung zu schenken.

Iran ist eines der zurzeit häufig erwähnten Nachbarländer für die Aufnahme von afghanischen Geflüchteten in der Region. In der Islamischen Republik leben 2 Millionen afghanische Geflüchtete, 1,2 Millionen von ihnen illegal. Die Bundesregierung glaubt, für die Aufnahme afghanischer Geflüchteter auf die Gunst der iranischen Regierung angewiesen zu sein – und wird ihre bisher schon sehr verhaltene Kritik an Teheran wohl noch weiter zurückschrauben.

Iran ist das Land mit der zweithöchsten Anzahl an Hinrichtungen weltweit.

Anlass zu Kritik an der iranischen Führung, die ihre Interessen sowohl innen- als auch außenpolitisch mit zunehmender Brutalität durchsetzt, gäbe es reichlich. Ein Beispiel sind die Proteste, die es in Iran aufgrund der staatlichen Unterdrückung immer wieder gibt. Die letzten im Juli in Khuzestan, wo mindestens neun Menschen getötet wurden.

Die größten Proteste seit der Errichtung der Islamischen Republik im Jahr 1979 liegen zwei Jahre zurück, als Demonstrationen vom staatlichen Sicherheitsapparat brutal niedergeschlagen wurden. Mehr als 1.500 Menschen, darunter Minderjährige, wurden laut Reuters getötet. Von der Bundesregierung war damals so wenig zu hören wie heute. Das Auswärtige Amt zeigte sich angesichts der vielen Toten bei den Protesten 2019 auf Twitter „entsetzt“.

Hannes Leitlein
Gilda Sahebi

ist im Iran geboren, studierte Ärztin und Politikwissenschaftlerin. Sie entschied sich schließlich für den Journalismus. Ihre Schwerpunkte sind Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft sowie der Nahe Osten.

Man fordere die Sicherheitskräfte zu „größtmöglicher“ Zurückhaltung auf. Was „größtmöglich“ im Zusammenhang mit Hunderten von Getöteten bedeuten sollte, bleibt offen. Die Bundesregierung hält sich mit Kritik zurück. Selbst bei den massenhaften Hinrichtungen: Iran ist das Land mit der zweithöchsten Anzahl an Hinrichtungen weltweit. Betroffen sind auch Minderjährige.

In einer Kleinen Anfrage der Grünen antwortete die Bundesregierung im vergangenen Jahr, dass man keinen formellen Menschenrechtsdialog mit Iran führen könne, aber man spreche zu „Einzelfällen von Menschenrechtsverletzungen“ schon mal mit dem „Vorsitzenden des iranischen Menschenrechtsrats“. Das ist fast schon Comedy. Ein Menschenrechtsrat der iranischen Führung ist nicht minder lachhaft, als es ein Menschenrechtsrat der Taliban wäre.

Selbst wenn es um die eigenen Staats­bür­ge­r:in­nen geht, werden weder das Auswärtige Amt noch das Kanzleramt auffällig aktiv. Mindestens vier Deutsche sitzen derzeit aus politischen Gründen in Iran in Haft. Eine von ihnen ist Nahid Taghavi. Die 67-jährige Kölnerin sitzt seit Oktober 2020 im Gefängnis. Aus dem Auswärtigen Amt hörte man im letzten Jahr immer dieselbe Losung: Man „bemühe“ sich um konsularischen Zugang.

Mitte August wurde die Deutsch-Iranerin zu knapp elf Jahren Haft verurteilt – ohne je konsularischen Beistand oder freien Zugang zu einem Anwalt erhalten zu haben. Man möchte meinen, dass die Bundesregierung eine so offene Verletzung rechtsstaatlicher Regeln bei der iranischen Regierung ansprechen würde. Als Angela Merkel aber im Februar mit dem damaligen Staatspräsidenten Hassan Rohani telefonierte, ging es laut Regierungssprecher Steffen Seibert nur um das Nuklearabkommen, um „regionale Themen“ und um die Coronapandemie.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Iran sind traditionell eng. In den neunziger Jahren fühlte sich die Islamische Republik in Deutschland so sicher, dass sie ihre Botschaft in Bonn zu einer Art Geheimdienstzentrale ausbaute, über die sie Exil-Iraner:innen ausspähte. 1992 ließ die iranische Führung vier Oppositionelle im Berliner Restaurant „Mykonos“ regelrecht hinrichten. Trotz allem war Deutschland lange einer der größten Handelspartner der Islamischen Republik.

Die Hoffnung, die Wirtschaftsbeziehungen zu Iran irgendwann wieder aufleben zu lassen, besteht noch immer: Iran gehört zu den Ländern mit den weltweit größten Öl- und Gasvorkommen. Sollten die Wirtschaftssanktionen einmal gelockert werden, könnten Geschäfte mit den iranischen Machthabern lohnende Profite einspielen.

Die Bundesregierung gibt sich gegenüber Iran also weiterhin konziliant. Sie verweist außerdem darauf, dass die Kooperation mit Iran zwingend ist, um das Land wieder in das Atomabkommen einzubinden. Und jetzt setzt man auch bei der Frage afghanischer Geflüchteter auf die islamische Führung. Auf eine Führung mit dem neuen Präsidenten Ebrahim Raisi – ein Mann, der in den 1980er Jahren 5.000 iranische Oppositionelle foltern und hinrichten ließ, und damit vor den Internationalen Strafgerichtshof gehörte.

Trotzdem muss man mit einer Regierung wie der iranischen verhandeln. Genauso wie man mit den Taliban in Afghanistan verhandeln muss. Ist es naiv, dabei auf die Einhaltung von Menschenrechten zu bestehen? Nein. Das heißt nicht, dass die andere Seite dem folgt, was man fordert. Aber es ist mindestens ein Signal an die Bevölkerung: Es stärkt sie, es stärkt die Opposition, vielleicht stärkt es auch den Widerstand. Die Menschen in Iran fühlen sich von westlichen Staaten im Stich gelassen.

Sie haben keine Chance, gegen eine Regierung anzukommen, die nicht nur ungestraft, sondern auch ungestört ihre brutale Politik fortsetzen kann. Jede nicht ausgesprochene Kritik ist ein Signal an die Regierenden: Macht weiter wie bisher. Die „Realpolitik“, die in der Außenpolitik so hochgehalten wird, ist die eigentlich naive Politik. Sie mag für einige Zeit Stabilität bringen, genauer: vorgaukeln.

Aber am Ende stärkt sie immer die, die morden, foltern und unterdrücken. Die einzig nachhaltige Außenpolitik ist hingegen eine Politik, die sich an Menschenrechten ausrichtet. Alles andere ist naiv.

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4 Kommentare

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  • Der Iran gehört zu den Unterzeichnern der Kairoer Erklärung der Menschenrechte. Danach sind Hinrichtungen durchaus legitim und mit den Menschenrechten vereinbar:

    "Das Leben ist ein Geschenk Gottes, und das Recht auf Leben wird jedem Menschen garantiert. Es ist die Pflicht des einzelnen, der Gesellschaft und der Staaten, dieses Recht vor Verletzung zu schützen, und es ist verboten, einem anderen das Leben zu nehmen, außer wenn die Scharia es verlangt."

  • Wieder mal ein völlig einseitiges Iran-Bashing. Ja der Iran hat bei den Menschenrechten Defizite, wie alle Länder in der Region Nah-und Mittelost. Ja man muß mit dem Iran darüber reden, dafür braucht es aber ein Mindestmaß an Vertrauen, das der Westen gründlich mit seinen nicht eingehaltenen Versprechen im Rahmen des Atomabkommens zerstört hat. Zu Zeiten von Genscher, Kinkel und Steinmeier wurden Fälle wie der von Frau Taghavi mit stillen Gesprächen unaufgeregt geregelt. Da hatte man tatsächlich noch direkten Einfluß, bemühte sich um direkte Kontakte. Heute versteckt sich Herr Maas hinter der EU anstatt selbst initiativ zu werden. Der Aufruf von Frau Sahebi die Deutsche Iranpolitik an den Menschenrechten auszurichten hört sich gut an und ist dennoch völlig falsch. Eine ausschließlich werteorientierte Aussenpolitik reduziert die Deutsche Aussenpolitik auf EU Länder und Nordamerika.

    • @Albrecht Mayer:

      Schauen Sie mal, wie Amnesty International den Iran bashed:

      www.amnesty.de/inf...y-report/iran-2020

      "Die Behörden unterdrückten 2020 weiterhin massiv die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. "

      "Folter und andere Misshandlungen waren 2020 nach wie vor weit verbreitet und wurden systematisch angewendet, vor allem während Verhören."

      "Die Haftbedingungen in vielen Gefängnissen und Hafteinrichtungen blieben 2020 grausam und unmenschlich."

      "Die Behörden ließen 2020 viele Inhaftierte, darunter auch gewaltlose politische Gefangene, verschwinden."

      "Das Recht auf ein faires Gerichtverfahren wurde im Strafrechtssystem systematisch verletzt."

      "Die Sittenpolizei und Bürgerwehren gingen 2020 weiterhin massiv gegen Millionen Frauen und Mädchen vor, um den diskriminierenden und entwürdigenden Kopftuchzwang durchzusetzen, der gesetzlich vorgeschrieben war"

      "Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen lag nach wie vor bei 13 Jahren. Väter und Großväter konnten jedoch bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie Mädchen noch früher verheiraten wollten."

      "Ethnische Minderheiten, darunter arabische, aserbaidschanische, belutschische, kurdische und turkmenische Bevölkerungsgruppen, wurden weiterhin systematisch diskriminiert."

      "Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wurde sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt."

      "Die Todesstrafe wurde zunehmend als Instrument der politischen Unterdrückung von Demonstrierenden, Andersdenkenden und Angehörigen von Minderheiten eingesetzt."

      Und was fällt dem Iranversteher zu alledem ein?

      Die aggressive Außenpolitik kommt ja noch dazu. Unterstützung von Hamas und Hisbollah und der heilige Wunsch, Israel zu vernichten.

  • Die Mauer auf dem Foto hat aber wohl die Türkei gebaut?



    Das Foto passt nicht so ganz zum Inhalt des Artikels.