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Mehr Anerkennung für trans MenschenEigener Name, eigenes Geschlecht

Familienministerin Paus und Justizminister Buschmann haben Eckpunkte des Selbstbestimmungsgesetzes präsentieren. Nicht nur von Betroffenen kommt Lob.

Das Selbstbestimmungsgesetz löst das alte Transsexuellengesetz von 1981 ab Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Zufrieden halten Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Justizminister Marco Buschmann die Eckpunkte des neuen Selbstbestimmungsgesetzes vor die Kameras. Der FDP-Politiker erklärt, dass es in der Koalition ein „hohes Maß an Übereinstimmung“ gegeben habe und er sich über das gute Ergebnis freue. Auch die Grünenministerin betont, dass die Gesellschaft „an vielen Stellen schon weiter“ sei als die Gesetze, und dass Selbstbestimmung endlich möglich werde.

Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll damit an die Stelle des bisherigen Gesetzes treten, das sogenannte Transsexuellengesetz (TSG). Mit dem neuen Gesetz will die Ampel der Resolution des Europarates vom April 2015 folgen: In dieser war festgelegt worden, dass der Schutz von trans Menschen vor Diskriminierung gewährleistet werden soll.

Mit dem neuen Gesetz werden Erwachsene mit einem einzigen Gang zum Standesamt ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern lassen können. Benötigt wird dafür künftig lediglich eine eidesstattliche Erklärung. Um die Ernsthaftigkeit sicherzustellen, wird es nach der Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr geben. Mit dem Gesetz will die Ampel­koalition den Alltag von trans, ­nichtbinären und agender Menschen verbessern, die häufig Diskriminierung aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität erfahren.

Das bisherige TSG aus dem Jahr 1981 sieht vor, dass Betroffene für die Änderung von Name oder Geschlechtseintrag zwei psychologische Gutachten einholen müssen. Viele trans ­Menschen kritisierten diesen Vorgang als übergriffig, da für die Erstellung des Gutachtens zum Teil intime Fragen gestellt werden. Ferner ist der Vorgang mit hohen Kosten und langer Bearbeitungsdauer verbunden.

Kinder und Jugendliche mitgedacht

Mit dem neuen Gesetz sollen nicht nur die Gutachten entfallen: Auch Minderjährige ab dem 14. Lebensjahr können dann ihren Namens- und Geschlechtseintrag ändern lassen – allerdings mit Zustimmung der Eltern. Bei familieninternen Konflikten soll das Familiengericht die Entscheidung treffen, das sich an dem Kindeswohl orientiert.

Um für mehr Aufklärung zu sorgen, will die Ampelkoalition mehr Beratungsangebote einführen. Für den Fall, dass Betroffene Opfer von Zwangs-Comingout durch Privatpersonen oder Behörden werden, soll es Bußgeld geben.

Sowohl Paus als auch Buschmann betonen, dass es sich bei der Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes um eine rechtliche Änderung handelt und nicht um einen medizinischen oder psychologischen Eingriff.

Dass das neue Gesetz missbraucht werden könnte, hält Paus für unwahrscheinlich. Auch Buschmann glaubt nicht an ein künftiges „Pingpong“ von Eintragsänderungen, da stets auch sämtliche Dokumente wie EC-Karte und Reisepass geändert werden müssen. Dass sich die Gewalt gegen Frauen in Umkleidekabinen oder Frauenhäusern verstärken könnte, befürchtet die Familienministerin nicht: „Trans Frauen sind Frauen“, betont Paus, und dass Gewalt „unabhängig vom Geschlecht“ geschehe. Dies habe nichts mit dem Selbstbestimmungsgesetz zu tun.

Langsame Schritte für mehr Akzeptanz

Hagen Löwenberg, Facharzt und Psychotherapeut, arbeitet seit 30 Jahren mit trans Menschen zusammen und begrüßt das kommende Gesetz. Derzeit beanspruche der Staat noch „die Deutungshoheit darüber, welchem Geschlecht wir angehören“, sagt er der taz. Zukünftig sei dies nicht mehr fremd-, sondern selbstdefiniert.

Er hofft, dass das Gesetz langfristig zu mehr Akzeptanz gegenüber trans Menschen in der Gesellschaft führen wird. Das aus seiner Sicht wichtige Signal: dass „jede Person nur selbst beantworten kann, welchem Geschlecht sie angehört“.

Der Bundesverband Trans* erklärte, die Eckpunkte „sehen viele wegweisende Verbesserun­gen vor“. Kalle Hümpfer von Trans* erklärte, dass viele Betroffene sehnlichst darauf warten würden, dass das Selbstbestimmungsgesetz eingeführt wird.

Aktualisiert und korrigiert am 06. Juli um 12:23 Uhr. Der Geschlechtseintrag wird im Reisepass geändert, nicht im Personalausweis, wie es in einer früheren Version des Textes fälschlich hieß. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. d. R.

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12 Kommentare

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  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Gute Sache. Sehe da aber noch ein paar Herausforderungen im Alltag.

    Was ist mit Leuten die durch den Wechsel des Geschlechtseintrag sich finanzielle Vorteile erschleichen wollen.

    Stelle mir hier männliche Sportler vor die Preisgelder abkassieren im Frauensport.

    Früher hat man ja über die männlichen Sowjet-Frauensprotler gelacht. Heute wäre das rechtlich zulässig. Man kann ja den Geschlechtereintrag nach der Karriere wieder zurück setzen lassen.

    Es geht mehr um die begleitenden Umstände der Rechtspraxis.

  • Alles super! Freiheit, Selbstbestimmung, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber für den Staat spielt es ohnehin keine Rolle mehr, wie wir uns sehen. Ob Paul oder Paula, die Fingerabdrücke bleiben. Womit wir bei der eigentlich spannenden Frage wären: geht es hier eigentlich um Identität oder um die Freiheit von Identität? Wollen wir definiert sein und streiten nur darüber wer definiert, oder machen wir mal einen echten Sprung?

  • Der Name ist eine gute Wahl: Selbstbestimmungsgesetz nimmt alle Menschen mit, ist also viel inklusiver, keine Assoziation mit vermeintlich abwegigen Sexpraktiken wie in "Trans-Sex". Drücke allen Betroffenen die Daumen, dass sie durch diese Gesetzesnovelle in ihren Körpern glücklicher werden können!

  • Gewalt passiert also unabhängig vom Geschlecht? Das würde ich so pauschal nicht sagen. Natürlich kann Gewalt von männlichen und weiblichen (und intersexuellen) Personen ausgehen. Zwar hat Biologie schon einen Einfluss, da mehr Kraft und Größe es einem einfacher machen körperliche Gewalt auszuüben, aber auch das ist nicht nur von einem Geschlecht 'gepachtet' sozusagen.

    Dennoch, wenn es um das soziale Geschlecht (also um Gender im Jargon der feministischen Theorie), dann ist Gewalt eine sehr Geschlechts (man lese Gender) spezifische Sache, da durch Gender roles, Sozialisation etc. Frauen unter spezifischer Gewalt leiden. Siehe Kriege. Vergewaltigung im Kontext von Krieg kann man nicht ohne eine Analyse von Gender vernünftig und ganzheitlich betrachten.



    Die Ministerin weist ein erschreckendes Maß an Unwissenheit auf...

    • @curiouscat:

      "Gewalt passiert unabhängig vom Geschlecht" ist offenkundiger Unsinn. Ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik 2021 und in eigentlich sämtliche Statistiken in diesem Bereich zeigt das. Verhältnis der Tatverdächtigen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 7,6:1, Mord 7,1:1, Totschlag 7,4:1, Gefährliche und schwere Körperverletzung 4,5:1. Die Liste ließe sich fortsetzen. Bei allen Schwächen der PKS, die mir bewusst sind, zeigen alle verfügbaren Statistiken das selbe Bild: Gewalt wird weit überproportional von Männern verübt.



      Das zu leugnen, heißt die Augen vor der Realität zu verschließen, weil sie gerade irgendwie nicht ins eigene Bild passt.

  • Dass nach dem geplanten Gesetz für die Änderung eines Geschlechtseintrags eine eidesstattliche Versicherung erforderlich sein soll, wie im Artikel behauptet wird, stimmt nicht. In dem Eckpunktepapier steht unter Nr. II: "Nach dem neuen Selbstbestimmungsgesetz wird eine Erklärung mit Eigenversicherung beim Standesamt reichen, dass die Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlechtseintrag



    übereinstimmt." Link: www.bmfsfj.de/reso...eckpunkte-data.pdf

    An Eides Statt soll man die Richtigkeit der Erklärung nicht versichern müssen. Ein solches Erfordernis wäre auch nicht sinnvoll, denn ob sich jemand mit einem bestimmten Geschlecht identifiziert, lässt sich sowieso nicht objektiv überprüfen.

    In Bezug auf den Sport heißt es im Eckpunktepapier: "Entscheidungen zur Frage der Teilnahme z.B. von transgeschlechtlichen



    Sportler:innen trifft der autonom organisierte Sport in eigener Zuständigkeit." Jedoch steht im Eckpunktepapier auch: "Das Gesetz wird ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot enthalten." Das bedeutet, wie auch aus den weiteren Infos der Bundesministerien hervorgeht, dass die Änderung des Personenstands nicht gegen den Willen der betreffenden Person offenbart oder ausgeforscht werden darf. Daraus ergibt sich: Wenn jemand personenstandsrechtlich z. B. ursprünglich als Mann eingetragen war und nunmehr als Frau eingetragen wird, darf der Sportverband diese Tatsache gegen den Willen der Person weder ermitteln noch benennen, sodass der Verband gar keine Möglichkeit hätte, ihr eine Teilnahme am Frauensport zu verwehren. Dass die Person überhaupt transgeschlechtlich ist, dürfte ohne ihren Willen niemand im Sportverband sagen, ohne ein Bußgeld zu riskieren.

  • Erstmal finde ich es gut, dass dieses völlig veraltete Gesetzt nun endlich geändert wird, auch wenn ich mit der Neuauflage nicht 100% konform bin, aber so ist die Demokratie nunmal.

    Medienkritisch möchte ich jedoch anmerken, was mir schon bei manch anderem taz-Artikel aufgefallen ist:



    Es schreiben häufig die gleichen Leute einen "Artikel", der ja eigentlich journalistisch objektiv sein sollte und gleichzeitig einen "Kommentar" zum gleichen Thema in dem sie ihre Meinung äußern. Komischer Weise ist der Grundton und die dargestellten Sichtweisen oft deckungsgleich...



    Trifft nun leider Sie Frau Bethke da es nun sehr auffälliger Weise am gleichen Tag passierte, ist mir aber auch schon bei anderen aufgefallen.



    Nicht das noch jemand auf die Idee kommt die Artikel seien auch nur getarnte Kommentare.

    Hier der Link zum passenden Kommentar:



    taz.de/Selbstbesti...er-Ampel/!5861267/

    • @Teleshopper:

      Ich bin mir, so leid es mir tut das sagen zu müssen, nach mehrfacher Lektüre von Artikel und Kommentar sehr sicher, dass Ihre "Medienkritik" Ausdruck der Tatsache ist, dass Sie mit der Neuauflage nicht 100% Konform sind.

      In diesem Artikel hier taucht keine Meinung der Autorin auf. Es werden die Änderungen sachlich beschrieben, die Aussagen der zuständigen Politiker werden wiedergegeben, und Fachleute werden zitiert. Es werden nichtmal Begriffe mit wertender Konnotation verwendet, ohne dass diese Zitate von anderen sind.

      Dass der Artikel nicht ablehnend klingt, liegt einfach daran, dass man "sachlich" keine Ablehnung anbringen kann. Es gibt natürlich ablehnende "Meinungen" - aber ebenso natürlich keine Verpflichtungen, jede beliebige Meinung in einem Artikel wiederzugeben.

      Beispielsweise in einem Artikel über jüdische Kunst müssen selbstverständlich keine Antisemiten zitiert werden, damit der Artikel sachlich bleibt.

      Und ebenso müssen in diesem Artikel keine transphoben Leute zitiert werden, damit dieser Artikel sachlich bleibt.

      Im Gegenteil besteht das große Risiko, das Problem "Falsche Ausgewogenheit" einzuführen, wenn man in einem Artikel über ein positives Ereignis verzweifelt negative Stimmen anführt, bloß um "sachlicher" zu wirken. Am Ende ist der Artikel dann durch die falsche Ausgewogenheit weniger sachlich.

      Aber vielleicht liege ich ja daneben, und Sie sind in der Lage, konkrete Sätze des Artikels zu benennen, die in Inhalt oder Formulierung für einen Artikel problematisch sind.

      • @kleinalex:

        Artikel:

        das "sogenannte Transsexuellengesetz (TSG)". "Sogenannte" ist bereits ein Wertung

        "Dass das neue Gesetz missbraucht werden könnte, hält Paus für unwahrscheinlich." [Paus]



        „Trans Frauen sind Frauen“ [Paus]



        „jede Person nur selbst beantworten kann, welchem Geschlecht sie angehört“ [Löwenberg]

        Zitiert werden Paus und Buschmann, Herr Löwenberg und der Bundesverband Trans



        Allgemein werden ausschließlich positive Zitate über das Gesetzt genannt. Keine einzige Gegenstimmte

        Kommentar:

        "Es handelt sich also um eine rechtliche Änderung, nicht um einen medizinischen Eingriff." Im Artikel als Aussage von Paus & Buschmann, hier als Meinung der Kommentatorin

        "Fakt ist: Was sie innerlich fühlt, kann nur die betroffene Person selbst sagen. " Im Artikel Zitat von Löwenberg hier Meinung der Autorin

        "Das neue Gesetz stößt aber auch auf Skepsis – Kritiker:innen äußern Sorge vor Missbrauch. Nur stellt sich die Frage: Missbrauch wovon?" Im Artikel Zitat von Pausch hier Meinung der Autorin

        Vielleicht täusche ich mich ja aber es kommt mir so vor, als wären diese Zitate im Artikel danach ausgewählt die Meinung der Autorin wiederzugeben. Und wie gesagt, dass ist mir nicht nur bei diesem Thema aufgefallen.



        Ich finde weder den Inhalt des Artikels noch den des Kommentares Inhaltlich falsch, es geht mir nur darum, dass die Ähnlichkeit doch groß ist und braucht es dann beides?

  • Auch Minderjährige ab dem 14. Lebensjahr können dann ihren Namens- und Geschlechtseintrag ändern lassen – allerdings mit Zustimmung der Eltern. Bei familieninternen Konflikten soll das Familiengericht die Entscheidung treffen, das sich an dem Kindeswohl orientiert.

    Also müssen die Eltern zustimmen. Egal was sie von dem Ganzen halten

    • @Hennes:

      Das ist schlicht völliger Unsinn.

      Der Satz ist ganz eindeutig:



      Jugendliche ab 14 können ändern, WENN die Eltern zustimmen.



      Hier gibt es schon mal offensichtlich kein müssen.

      Falls die Eltern sich uneinig sind, entscheiden Familiengerichte.



      Hier braucht man keine Wahnvorstellungen zu verbreiten - diese Regelung ist uralt, es gibt sie an jeder, wirklich jeder Stelle im Sorgerecht: Wenn Eltern sich uneinig sind, entscheiden Familiengerichte und orientieren sich dabei am Kindeswohl.



      Weder hier noch bei irgendeinem anderen Thema ist damit vorab festgelegt, wie die Entscheidung ausfällt. Diese Sorte Verfahren sind Verfahren, die wirklich immer orientiert an den Besonderheiten des Einzelfalls entschieden werden.

      Und wenn die Eltern sich einig sind, aber eine andere Meinung haben als das Kind, kann das Kind seine Eltern verklagen.



      Auch das ist nichts neues, es gab schon Fälle, in denen Kinder ihre Eltern verklagt haben.



      Auch hier entscheiden die Gerichte nach dem Kindeswohl - nur mit dem Unterschied, dass die Wahrscheinlichkeit, dass dem Kind Recht gegeben wird, naturgemäß geringer ist, als wenn die Eltern sich uneinig sind.

      Nirgendswo gibt es auch nur die Andeutung von der Ahnung der Option der Möglichkeit, dass Kinder vor deutschen Gerichten immer Recht bekommen.

    • @Hennes:

      Nicht unbedingt. Das Kindeswohl ist ja nicht direkt gleichzusetzen mit der Wunschäußerung des Kindes - Letztere ist ja bereits dadurch gegeben, dass der Fall überhaupt vor dem Gericht landet. Bei familieninternen Konflikten der Art, die vor diesem Gericht landet, sind aber zumindest Gespräche, manchmal auch Gutachten und Experteneinschätzungen Teil des Verfahrens, so dass durchaus herauskommen kann, dass der geäußerte Wunsch nicht unbedingt dem tatsächlichen Willen des Kindes entspräche. Dann würde auch das Gericht die Zustimmung verweigern.