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Maßnahmenkatalog gegen KorruptionUnion gibt jahrelange Blockade auf

Nach den jüngsten Korruptionsskandalen einigt sich die Groko auf neue Transparenzregeln. Künftig sollen Abgeordnete deutlich mehr offenlegen.

Jetzt wird im Bundestag aufgeräumt, behauptet zumindest die Union. Die Opposition sieht das anders Foto: Stefan Boness/Ipon

Berlin taz | Sichtlich gut gelaunt trat der SPD-Abgeordnete Matthias Bartke am Freitagmittag an das Redepult im Bundestag. Bartke setzt sich seit Langem für mehr Transparenz bei Lobbyismus und Nebeneinkünften der Parlamentarier ein. „Die Skandale in der CDU und vor allem in der CSU haben auch ihr Gutes“, fing der SPD-Mann an. „Die von der linken Seite dieses Hauses immer schon erhobenen Forderungen nach mehr Transparenz bei Abgeordneten finden nun endlich Gehör.“

In der Tat hat die Union jeden Fortschritt viele Jahre lang blockiert. Und ohne die vielen Skandale der vergangenen Wochen hätte sich daran vermutlich auch nichts geändert. Jetzt aber hat sich die Koalition auf einen 10-Punkte-Maßnahmenkatalog geeinigt. Demnach sollen Abgeordnete künftig Nebeneinkünfte ab 1.000 Euro im Monat oder 3.000 Euro im Jahr beitragsgenau in Euro und Cent angeben müssen.

Bislang waren nur Stufen vorgesehen. Offengelegt werden müssen auch Beteiligungen an Gesellschaften, wenn sie 5 Prozent überschreiten (bislang: 25 Prozent) – und Einnahmen daraus. Auch Aktienoptionen, wie sie der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor erhalten hatte, müssen angezeigt werden. Geldspenden an Abgeordnete und eine Lobbytätigkeit neben dem Mandat werden verboten. Einnahmen aus untersagten Tätigkeiten können künftig abgeschöpft werden.

Mit ihrer Forderung, dass die Abgeordneten angeben müssen, wie viel Zeit sie mit Nebentätigkeiten verbringen, konnte sich die SPD nicht durchsetzen. Schon am Donnerstagabend hatte der Bundestag die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen – allerdings ohne den wichtigen sogenannten exekutiven Fußabdruck. Dieser soll aufzeigen, wer konkret an der Erarbeitung von Gesetzentwürfen beteiligt war. Auch das verhinderte die Union.

Scharfe Kritik von Grünen und Linken

Im Bundestagsplenum wurde das Thema am Freitag erregt debattiert. Auch deshalb, weil Union und SPD die Abstimmung eines Antrags der Linken zum Thema von der Tagesordnung abgesetzt hatten. Jan Korte, ihr parlamentarischer Geschäftsführer, warf der Union vor, 20, 30 Jahre „gepennt“ zu haben. Seine Kollegin von den Grünen, Britta Haßelmann, betonte, die Abgeordneten der Union hätten dem Parlament als Ganzem schwer geschadet.

Unterdessen ist einer dieser jetzt ehemaligen Abgeordneten, Mark Hauptmann aus Thüringen, aus der CDU ausgetreten. Gegen Hauptmann läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern.

Der Parteivorstand der CSU beschloss am Freitag in einer Sondersitzung ebenfalls einen 10 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog für mehr Transparenz. Am Freitag wurde zudem bekannt, dass der CSU-Politiker Peter Gauweiler während seiner Zeit im Bundestag als Anwalt mehr als 11 Millionen Euro an Beraterhonoraren von dem strammrechten Milliardär August von Finck bekommen hatte, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. Zwar war bekannt, dass der CSU-Politiker zu den Spitzenverdienern im Bundestag gehörte, aber nicht, um wie viel Geld es wirklich ging. Das wäre nach den neuen Regelungen anders.

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18 Kommentare

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  • Der Vorwurf von Jan Korte, die Union habe "gepennt", ist ganz schlicht falsch. Es handelt sich um eine bewusst betriebene Politik, um Korruption zu verschleiern. Der Hintergrund ist also exakt derselbe, wie bei der jahrelangen Verhinderung der Verabschiedung der UN-Konvention gegen Korruption durch die Union.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Union gibt jahrelange Blockade auf"

    Nur aufgrund des massiven Drucks.



    Das könnte der Koalition den Kopf kosten - hoffentlich!

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Was ist eigentlich der strukturelle Unterschied zwischen der Causa Sauter und der Causa Spahn?

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Ist derselbe Unterschied wie der zwischen der Causa Sauter und der Causa Laschet: Der eine wird nicht mehr für relevante Ämter benötigt

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @Kaboom:

        Laschet wurde gewählt, Spahn wurde bestimmt.

  • Die Union gibt Blockade auf? Das sollte eher ein Alarmsignal dafür sein, daß da mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Weg gefunden wurde, Althergebrachtes auf ganz andere Weise ungestört fortsetzen zu können.

  • Als ob die Union nun plötzlich doch durchgängig Transparenz für angebracht halten würde. Das ist gar nicht der Fall, aber es ist Wahlkampf und man möchte trotz allen Skandalen irgendwie doch noch einen vertrauenswürdigen Eindruck vermitteln. Ein Schnellschuß, bei dem es weniger um Transparenz geht, als darum das Thema jetzt ganz fix vom Tisch zu kriegen und dabei gleichzeitig immer noch genügend Ausnahmen einzubauen, mit denen man weiterhin intransparent agieren kann - wenn auch erschwert.



    Vor ein paar Tagen hatte Mark Hauptmann - noch als CDU-Abgeordneter - eine Ehrenerklärung abgegeben, „keine finanziellen Vorteile aus pandemie­bezogenen Geschäften erhalten zu haben“. Auch so ein schlechter Witz, der das Papier nicht wert war, auf dem er stand.

  • Wenn ein Dutzend christlicher Abgeordneter korrupte Maskengeschäfte machen, könnte das irgendwann doch mal negativ gesehen werden.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    "Union gibt jahrelange Blockade auf". Die geilste Headline seit Langem.

    • @82286 (Profil gelöscht):

      und so falsch. Richtig wäre: "Union gibt vor jahrelange Blockade auf zu geben"

      • 8G
        82286 (Profil gelöscht)
        @danny schneider:

        Na ja. Die CDU ist auf einem guten Weg. Der Herr Amthor ist wieder Bundestagskandidat. Jetzt wissen wir wenigstens daß er bestechlichist. Und die ganze CDU/CSU-Riege weiß davon. Fazit: Wir sind so.



        Wir sind wirtschaftsnah.



        Wir sind bestechlich.



        Wir agieren immer zu Eurem Besten in meine Taschen. Wir sind:



        C D U

  • Ach es wäre ja so schön wenn dies das Ergebnis einer kompletten Läuterung wäre.

    Ja "wäre" - denn es sind nur Krokodilstränen und Bauernopfer und Wahlkampfgetöse.

    Diese C-Parteien sind bis tief ins Mark korrumpiert, unheilbar von diesem Krebs durchzogen und schlicht nicht "reparierbar".

    Den (noch) Mitgliedern bleibt im Grunde nur der Austritt - aber vielen fällt es schwer denn sie sind leider auch mit diesem System verwachsen. Haben Job und Stellung über Parteiklüngel bekommen und fürchten jetzt um ihre Position.

    • @Bolzkopf:

      "Den (noch) Mitgliedern bleibt im Grunde nur der Austritt "

      Aber ist man nicht eingetreten um auch mal an die Tröge der Macht zu kommen?

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Alle Jahre wieder werden Regeln aufgestellt, an die sich keiner hält.

  • Von Adenauer, über Strauß, Kohl, Schäuble u. a. immer das Gleiche. Wir erinnern uns? Herrn Schäuble ist da ein Kuvert mit hunderttausend abhanden gekommen, und der Verbleib ist immer noch nicht geklärt. In der kleinsten Sparkassenfiliale in Niederbayern würde er keinen Job als Reinigungskraft bekommen. Dafür konnte er noch Finanzminister und Präsident des Bundestages werden. Und Amthor? Ist doch normal, dass er Spitzenkandidat in MV sein wird. Das ist in der Cashunion so Tradition. Und warum ändert sich da nichts? Wahrscheinlich hat Koruption eine Halbwertszeit und bei der nächsten Wahl hat der Wähler alles vergessen und macht sein Kreuz wo er es schon immer gemacht hat. Ein löchriges Lobbyregister wird an dieser Tradition nichts ändern.

    • @m.d.bichlmeier:

      Meine Haltung dazu ist eher resignativ ... wahrscheinlich wird Korruption vom den meisten unserer Mitbürger als eine eher lässliche Sünde betrachtet, etwas, über das man letztlich hinwegsehen muss, da mensch sich möglicherweise nicht anders verhalten würde, böte sich die passende Gelegenheit dazu.



      Und was wäre letztlich die Alternative zu der über Jahrzehnte währenden christdemokratischen und christsozialen Filzokratie, würde sich der deutsche Michel über die Maße darüber aufregen? Die Revolution von Rechts, wie immer, wenn die Demokratie hierzulande versagte ... das will ich mir nicht ausmalen.



      Solange dem Volk Brot und Spiele geboten werden, und das beherrschen die Unionsparteien ja immer noch meisterlich, kann es wohl nicht so schlimm sein ... und alles geht seinen gewohnten bewährten Gang.

  • Kommentar bei fefe, warum die Änderung noch wesentlich schlechter ist als die Regelungen bisher: blog.fefe.de/?ts=9ea3614a

  • Unser Lieblingswort heißt Leistung,



    wir sind auf Fortschritt eingestellt.



    Nicht ist hier unkäuflich,



    wir tun alles für gutes Geld.

    Wir lieben unser Land!



    All die Korruption, die Union!



    Wir lieben unser Land!

    Es gibt 1000 gute Gründe,



    auf dieses Land stolz zu sein.



    Warum fällt uns jetzt auf einmal



    kein einziger mehr ein?