Maßnahmen gegen Coronapandemie: Politik nach dem Prinzip Hoffnung
Bund und Länder verschärfen die Coronaregeln etwas. Doch wenig spricht dafür, dass die Infiziertenzahl durch Ausgehbeschränkungen in Hotspots klar sinkt.
S ollten Sie zu überbordendem Optimismus neigen, dann sind Sie erstens ein glücklicher Mensch. Zweitens bringen Sie alle Voraussetzungen für den Job eines Ministerpräsidenten in einem der deutschen Bundesländer mit. Das könnte allerdings nicht so glücklich ausgehen.
Denn die Landesfürsten haben es zum wiederholten Male geschafft, allzu harsche Verschärfungen der Corona-Einschränkungen zu verhindern. Ja, eine Ausgangsbeschränkung hört sich hart an. Aber sie ist mit vielen Wenns und Abers garniert. Die Länderchefs gehen offenbar von der Annahme aus, dass sich auch mit diesen begrenzten Maßnahmen die Zahl der Infizierten wieder drücken und die Zustände in den Kliniken wieder normalisieren ließen.
Das kann funktionieren. Doch leider spricht für diese Annahme wenig. Schon im seit Mitte Dezember geltenden Lockdown sinkt die Zahl der angesteckten Menschen bisher nur geringfügig, die der belegten Intensivbetten aber gar nicht. Es spricht nicht viel dafür, dass sich das in den kommenden Wochen des Januars durch Ausgangsbeschränkungen in den am schlimmsten betroffenen Regionen wesentlich ändern wird. Dafür steht im Gegenteil zu befürchten, dass sich die ansteckendere Virusvariante aus Großbritannien auch in der Bundesrepublik weiter verbreitet und dazu führt, dass sich die Zahl der Infizierten trotz dieses leicht verschärften Lockdowns nicht verringert, sondern erhöht.
Der jetzt gefundene Kompromiss mag auf weniger Widerstand stoßen, und er schränkt Freiheitsrechte weniger ein als befürchtet. Aber schon mittelfristig bewirkt er, so die begründete Befürchtung, das genaue Gegenteil: noch stärkere und längere Einschränkungen und noch weniger Freiheit.
Wenn Ende Januar absehbar die Infiziertenzahl nicht so deutlich gesunken ist wie erhofft, wird nichts anderes übrig bleiben als eine Verlängerung und Verschärfung dieses verlängerten Kampfs gegen das Coronavirus. Dann hocken wir noch den ganzen Februar und vielleicht den März über in einem nicht enden wollenden Lockdown. Dann werden noch mehr Betriebe diese Durststrecke nicht länger durchhalten und aufgeben müssen, noch mehr Menschen ihren Job verlieren und noch mehr Staatsgelder verpulvert werden müssen. Und dann werden noch mehr Menschen an Covid-19 gestorben sein.
Wenn Sie aber zu Optimismus neigen, dann werden Sie jetzt hoffen, dass die Maßnahmen vielleicht doch greifen. Sie haben recht, schon weil Griesgram kein guter Lebensbegleiter ist.
Aber Pandemiepolitik nach dem Prinzip der Hoffnung zu gestalten erinnert dann doch zu sehr an den kölschen Leitspruch, es sei „schon immer allet jut jegange“. Wenn das nur stimmen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos