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Maßnahmen gegen CoronapandemiePolitik nach dem Prinzip Hoffnung

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Bund und Länder verschärfen die Coronaregeln etwas. Doch wenig spricht dafür, dass die Infiziertenzahl durch Ausgehbeschränkungen in Hotspots klar sinkt.

Dem dürfen Sie ruhig näherkommen Foto: Hendrik Schmidt/dpa

S ollten Sie zu überbordendem Optimismus neigen, dann sind Sie erstens ein glücklicher Mensch. Zweitens bringen Sie alle Voraussetzungen für den Job eines Ministerpräsidenten in einem der deutschen Bundesländer mit. Das könnte allerdings nicht so glücklich ausgehen.

Denn die Landesfürsten haben es zum wiederholten Male geschafft, allzu harsche Verschärfungen der Corona-Einschränkungen zu verhindern. Ja, eine Ausgangsbeschränkung hört sich hart an. Aber sie ist mit vielen Wenns und Abers garniert. Die Länderchefs gehen offenbar von der Annahme aus, dass sich auch mit diesen begrenzten Maßnahmen die Zahl der Infizierten wieder drücken und die Zustände in den Kliniken wieder normalisieren ließen.

Das kann funktionieren. Doch leider spricht für diese Annahme wenig. Schon im seit Mitte Dezember geltenden Lockdown sinkt die Zahl der angesteckten Menschen bisher nur geringfügig, die der belegten Intensivbetten aber gar nicht. Es spricht nicht viel dafür, dass sich das in den kommenden Wochen des Januars durch Ausgangsbeschränkungen in den am schlimmsten betroffenen Regionen wesentlich ändern wird. Dafür steht im Gegenteil zu befürchten, dass sich die ansteckendere Virusvariante aus Großbritannien auch in der Bundesrepublik weiter verbreitet und dazu führt, dass sich die Zahl der Infizierten trotz dieses leicht verschärften Lockdowns nicht verringert, sondern erhöht.

Der jetzt gefundene Kompromiss mag auf weniger Widerstand stoßen, und er schränkt Freiheitsrechte weniger ein als befürchtet. Aber schon mittelfristig bewirkt er, so die begründete Befürchtung, das genaue Gegenteil: noch stärkere und längere Einschränkungen und noch weniger Freiheit.

Wenn Ende Januar absehbar die Infiziertenzahl nicht so deutlich gesunken ist wie erhofft, wird nichts anderes übrig bleiben als eine Verlängerung und Verschärfung dieses verlängerten Kampfs gegen das Coronavirus. Dann hocken wir noch den ganzen Februar und vielleicht den März über in einem nicht enden wollenden Lockdown. Dann werden noch mehr Betriebe diese Durststrecke nicht länger durchhalten und aufgeben müssen, noch mehr Menschen ihren Job verlieren und noch mehr Staatsgelder verpulvert werden müssen. Und dann werden noch mehr Menschen an Covid-19 gestorben sein.

Wenn Sie aber zu Optimismus neigen, dann werden Sie jetzt hoffen, dass die Maßnahmen vielleicht doch greifen. Sie haben recht, schon weil Griesgram kein guter Lebensbegleiter ist.

Aber Pandemiepolitik nach dem Prinzip der Hoffnung zu gestalten erinnert dann doch zu sehr an den kölschen Leitspruch, es sei „schon immer allet jut jegange“. Wenn das nur stimmen würde.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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23 Kommentare

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  • Wie's aussieht, wird man jetzt bis zur Bundestagswahl einen stetigen Wechsel von Lockdowns und Lockerungen erleben und die Wahl muss dann leider „aus organisatorischen Gründen“ ausfallen.

  • In unserem Land findet keine effiziente Corona-Politik statt. Im Frühjahr hatte man scheinbar einfach nur Glück, seitdem ruhen sich die Politiker auf den damals erheischten Lorbeeren aus. Wenn das Volk nicht mitmacht oder die Politik nicht dafür sorgt, dass die Regeln beachtet werden, und es nicht alsbald ausreichend Impfstoff gibt, wird es so bis Juni weitergehen.

  • Linke und Grüne scheren sich wenig um individuelle Befindlichkeiten, Bedürfnisse und Rechte. Das hab ich im letzten Jahr gelernt.



    Verbieten, beschränken, einsperren....



    Und im September kommt dann das grosse Gejammer.

    • @Aymen:

      Eine Pandemie schert sich auch wenig um individuelle Be- und Empfindlichkeiten.



      Haben Sie DAS auch gelernt?

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Aymen:

      "Linke und Grüne scheren sich wenig ..."

      haben sie in Thüringen eine Bank überfallen? Anders kann ich mir das nicht erklären..

    • @Aymen:

      Sie sind eingesperrt worden?

  • Wer bei den frühen Impfungen auch wieder leer ausgeht sind die zumeist schlecht bezahlten Beschäftigten in den Supermärkten, obschon diese im Laufe des Tages weitaus mehr Kontakte in schlecht durchlüfteten Innenräumen haben als Pflegekräfte in Heimen, privat und auch in Krankenhäusern.



    Da sind die Leute die niemals "HomeOffice" machen konnten, das sind die Leute die jeden Tag ran mussten, egal wie viel Lockdown war, das sind die Leute die kleine Kinder haben und nicht wissen wo sie sie unterbringen sollen wenn Schulen und Kitas zu sind. Leute die essentiell sind, aber einen feuchten Dreck dafür bekommen. Nicht mal pathetisches Geklatsche auf dem Balkons.

    • @Bouncereset:

      Ihren Kommentar sollte man fett drucken.

      Die Missachtung, ja Verhöhnung, der Menschen, die täglich in dieser Pandemie hohes Risiko eingehen, ist eigentlich der beste Beweis dafür, dass sich unsere Klassengesellschaft kontinuierlich von der Menschenwürde für einen bestimmten Teil der Bevölkerung verabschiedet.

      • @Rolf B.:

        "...ist eigentlich der beste Beweis dafür, dass sich unsere Klassengesellschaft kontinuierlich von der Menschenwürde für einen bestimmten Teil der Bevölkerung verabschiedet..."

        Ach, das ist doch schon ewig so, jetzt fällt es halt nur mal auf.

  • Genau. Es heisst richtig: "Et hätt noch emmer joot jejange".

    Sie können den privaten Bewegungsspielraum noch mehr einschränken. Aber das wird die Infektionszahlen nur noch geringfügig beeinflussen. Sie sind der festen Überzeugung, der "Löwenanteil der Infektionen spiele sich im privaten Bereich ab" (Weil, Niedersachsen). Weil sie es unbedingst glauben wollen. Es kann und darf einfach nicht sein, dass im Berufsleben, in Bussen, Bahnen, an Arbeitsplätzen, in der Fertigung, bei der Montage, beim beruflichen Hin- und Hergereise ("die sitzen doch alle im Homeoffice!?"), nach wie vor bei Pflege, egal ob in Pflegeheimen oder Krankenhäusern, sowie in Kitas und in allen Schulen, Menschen sich gegenseitig infizieren. Wenn wir jetzt einen leichten Rückgang bereinigt nach den eventuellen Nachmeldedaten, erleben werden, dann, weil Ferien waren. Damit waren die jüngeren Kids ganztägig zu Hause, und damit war auch ein Teil der Eltern ganztägig zu Hause. Werden Kitas und sogar nur die Grundschulen wieder hochgefahren, gehen die Infektionen wieder hoch.



    Es ist Träumerei, wenn man denkt, Kinder seien nicht ansteckend. Jeder, der mit Kids arbeitet oder welche hat, weiss, wie sehr sich z. B. Influenza in Schule, Elternhaus, dann Arbeitsplatz verbreitet, wenn Ferien vorbei sind, die Schule wieder begonnen hat. Und wer die Masken, äh, die Schnodderlappen, die die Kinder während des Schultages tragen, mal gesehen hat, der kann sich die Virusmenge vorstellen, die allein durch das Aufheben dieses duzendmal zu Boden geplumpsten Schutzes mit ungeschützen Händen in Umlauf kommt. Vier Wochen alles dicht, inkl. Schulen, alle bleiben zu Hause, Arbeit ruht. Dann hätte man bereits im November eine Chance gehabt. Das hab ich damals so gesehen, und hatte Recht damit, dass es sonst eine never ending story werden würde. Es ist zumindest eine long story geworden. Ob sie never ending wird, hängt davon ab, ob die Politik mutiger wird und da eingreift, wo es zwar mehr weh tut, aber endlich hilft.

    • @Eistaucher:

      Siehe auch die hier angegebenen Studien:

      taz.de/!5741376/#bb_message_4062980

      Was mehr Chancen auf Wirkung hat ist

      - mehr Kontrollen = grössere Konsistenz bei der Einhaltung (Konsistenz ist extrem wichtig bei jeder Art von Risikomanagement)

      - nicht zwingend erforderliche Betriebe schliessen

      - ÖPNV soweit möglich reduzieren - das ist auch so eine heilige Kuh wie die Schulen. Wir wissen aber dass viele Leute in schlecht oder mäßig gelüfteten Räumen Aerosole hinterlassen

      - kontrollierte Quarantäne, über die gesamte Inkubationszeit von 10 - 14 Tagen, nicht nur ein paar Tage

      - keine weiteren Nachteile für Eltern / Familien

      - dafür auch Essen ins Haus für Leute unter Quarantäne

      - volle Erstattung von Verdienstausfällen aufgrund Isolation für Arbeitnehmer, Freiberufler und Selbständige

      - Zwingende Quarantäne bei der Einreise

      - Absperrung von Kreisen mit sehr hoher Inzidenz

      - Beschränkung regionaler Ausflüge und Reisen, sofern nicht zwingend notwendig

      Für Kinder aus sozial schwachen Familien sollte es ein dauerhaftes Förderprogramm geben, das gezielt Ungleichheiten abbaut. Von Geräten für Digitalunterricht bis hin zum Sprachurlaub und Vorschule für Deutsch wo nötig. Sinnvoll ist auch eine Streichung von Sanktionen beim ALG II, zumindest bei Familien, das gehört in den sozialpolitischen Giftschrank.

    • @Eistaucher:

      alles kann m an ja gar nicht zu machen ..selst Glaswerke;montage werke,Petrochemie stahlwerke müssen weiter laufen sonst keine Impfampullen ,Tests, Spritzen ,und keine Kanülen, auch der Schrittmotor und Sensor will an der Maschine mal ausgewechselt werden oder die Pumpe im Wasserwerk ,oder ein Ersatzteil muss schnell her im Energiewerk, der Sever muss laufen ,die Mitareiter ohne Rad und Auto auch zum 40km entfernten Werk gelangen und ihre Kinder müssen versorgt sein.

  • der kölsche spruch am ende wurde vom autor so richtig einberlinert. es heißt "jot jejange" und nicht "jut jegange" und auch "allet" sagt die kölsche nicht.

  • Armin Laschet hat bereits angedeutet, wie es mit den Schulen in NRW weitergeht: Man wolle dort anknüpfen, wo man vor der Weihnachtsferien aufgehört hat. Also keine Präsenzpflicht, aber wer kommen will, darf gerne kommen. Das ist nicht nur im Hinblick auf die Coronabekämpfung gefährlich halbherzig, sondern garantiert auch Scheiß-Unterricht für alle, weil die Lehrer Präsenzunterricht und Distanzunterricht gleichzeitig machen müssen.

  • Leider kann ich diesem Kommentar nur vollumfänglich zustimmen. Die laut Merkel "einschneidenden" Verschärfungen sind nüchtern betrachtet eher marginale Anpassungen der bisherigen Maßnahmen, die zwar sicher nicht wirkungslos, aber bei Weitem nicht ausreichend sind. Statt also Begrenzungen im Privat- und Freizeitbereich eher symbolisch nochmals enger zu fassen, wäre es daher sinnvoller gewesen sich endlich auch Bereichen zuzuwenden in denen sich noch Kontakte in erheblichem Umfang reduziere lassen und auch die nicht-lebensnotwendigen Betriebe in den Lockdown einzubeziehen. Bislang ist die Wirtschaft sehr viel besser durch die Krise gekommen als prognostiziert, so dass es durchaus zumutbar sein sollte auch dort Einschränkungen zur Seuchenbekämpfung zu verhängen. Aber darüber wird offenbar nicht einmal nachgedacht.



    Dieses viel zu zögerliche Handeln geht mit dem unkalkulierbaren Risiko einher, dass eine nochmals beschleunigte Ausbreitung durch die neue B 1.1.7-Variante zu erschöpften Intensivkapazitäten oder dem Kollaps des Gesundheitssystems führt und so der Politik die Entscheidung über weitergehende Einschränkungen genauso abgenommen wird wie die noch bestehenden proaktiven Handlungsoptionen.

    • @Ingo Bernable:

      Exakt das. Was haben wir davon, wenn bei Lufthansa, Airbus und BMW die Aktien steigen, wir das aber mit weiteren 50000 Toten bezahlen? Und letzteres kann sehr sehr schnell passieren mit der neuen Mutation, die sich ausbreitet wie Feuer.

  • Weniger Mobilität, weniger Kontakte, weniger Ansteckungen - ist doch eigentlich nicht so schwer zu verstehen.

    • @marusja meyer:

      Zumal es in Heinsberg funktioniert hat.

      Was aber auch so ziemlich das letzte Mal war, dass in Deutschland in Sachen Corona etwas funktioniert hat, und auch nicht auf die Kappe der Bundesregierung geht, sondern auf die des Landrats. Der zwar auch in der CDU ist, aber eine Isolation des Kreises gegen den Willen der CVDU/FDP-Landesregierung durchgedrückt hat.

      Generell habe ich den Eindruck, von Merkel bis zur kleinsten Raumpflegekraft hat Deutschland ein Problem, das Konzept "Infektionskrankheit" zu begreifen. Schond er Slogan "Wenn jeder sich schützt, sind alle geschützt" zäumt die Sache von hinten auf: vorrangig bei Infektionskrankheiten ist der Schutz der *Anderen*.

      15 Jahre (oder mehr) anti-soziale Politik feiern Erntefest.

      • @Ajuga:

        Ramelow noch am 15.10.2020:

        "Und wenn keine Viren da sind, wieso soll ich dann eine Maßnahme aufrechterhalten, die keine Wirkung hat? Wir sind doch nicht im Showgeschäft." taz.de/Bodo-Ramelo...nagipfel/!5721456/

      • @Ajuga:

        > 15 Jahre (oder mehr) anti-soziale Politik feiern Erntefest.

        Im Neoliberalismus wird halt alles als individuelles Privatproblem gefasst. Probleme, die kollektives Handeln erfordern, kommen in diesem Weltbild genau genommen gar nicht vor.

  • Zu Optimismus besteht überhaupt kein Anlass. Wenn man die politischen Maßnahmen und Debatten aber auch die gesellschaftliche und ökonomische Meinungs-/Betroffenheitskakophonie seit Beginn der Pandemie reflektiert, scheint es so, dass die Lernkurve eher abflacht oder bestenfalls stagniert, als ansteigt.



    Mit der Impfstoffzulassung stiegen die Oster- und Sommerurlaubsbuchungen, und mit dem Impfbeginn am 27.12. begannen die Diskussionen um Privilegien/Sonderrechte für Geimpfte. Dass diese Begriffe lediglich Varianten für "Öffnungen" waren, schien (wollte) niemandem aufzufallen. Es wurde "Hoffnung" verbreitet, ohne daran zu denken, wie diese "Öffnungen" kontrolliert werden sollten; bei all den Unbekannten die es bei den Impfstoffen noch gibt.



    Dieses Jahr ist ein Superwahljahr! Aus den gemachten Erfahrungen des vergangenen Jahres ist zu befürchten, dass die Pandemie zu einem Wahlkampfthema wird. Bei jahreszeitlich bedingtem rückläufigen Infektionsgeschehen. Wenn dies geschieht, werden wir die Quittung spätestens Ende 2021 bekommen und noch einmal "Weihnachten retten" müssen.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Ich habe noch nie so volle Supermärkte wie derzeit erlebt.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Die Supermärkte sind seit Weihnachten ja auch nur selten auf.