„Maritimes Hauptquartier“ der Nato: Aufregung lohnt nicht
Das neue „Hauptquartier“ der Nato in Rostock sorgt für Aufregung. Dabei wird eigentlich nur Personal aufgestockt, das Marinekommando ist dort seit 2012.

M it der Eröffnung eines neuen „maritimen Hauptquartiers“ läuft Verteidigungsminister Boris Pistorius in ein wohlbekanntes Kommunikationsdilemma: Einerseits müssen deutsche Militäraktivitäten der Sicherheits-Community und den Natopartnern stets pompös verkauft werden, um den Dauervorwurf zu bekämpfen, Deutschland leiste nicht genug in der Nato.
Andererseits muss dem militärskeptischen Teil der Bevölkerung signalisiert werden, dass alles so ist wie immer: Unsere Bundeswehr sitzt sicher in der Kaserne, Militärisches bleibt in bescheidenem Rahmen und funktioniert im Zweifel eh nicht.
Wladimir Putin beherrscht das Spiel mit solchen Widersprüchen und den Ängsten vieler Deutscher, er bestellt also den deutschen Botschafter ein, wenn in Rostock ein paar Dutzend Nato-Fachkräfte zusammengetrommelt werden, um die Ostsee zu überwachen. Denn darum geht es: Das Marinekommando ist dort seit 2012. Jetzt ziehen mehr internationale BeobachterInnen ein, als bisher schon da waren.
Der Vorwurf von Putin, aber auch von hiesigen KritikerInnen, damit werde der Zwei-plus-Vier-Vertrag gebrochen, geht dabei in die Irre. Der Vertrag regelte 1990 die außen- und sicherheitspolitischen Belange der deutschen Wiedervereinigung. Er verbietet die Stationierung und Verlegung ausländischer „Streitkräfte und Atomwaffen“ auf DDR-Gebiet. Die Vermehrung internationaler BeobachterInnen ist aber kaum als „Verlegung von Streitkräften“ zu beschreiben.
Die Rahmenbedingungen könnten anders kaum sein
Doch auch wenn man diese Definition nicht teilt: Seit Unterzeichnung des Vertrags ist nicht nur die Sowjetunion zerfallen, hat nicht nur ein Großteil Osteuropas Einlass zur Nato begehrt und bekommen, sondern hat Putin auch einen Krieg in Europa begonnen. Der russische Angriff zwingt andere Staaten zu Abwehrmaßnahmen und das ist völkerrechtlich gedeckt.
Selbst wenn der Zwei-plus-Vier-Vertrag in den Augen mancher dadurch Schaden nähme – für diesen wäre allein Putin verantwortlich.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren