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Manuela Schwesig und die UkrainePlump und peinlich

Kommentar von Gunnar Hinck

Manuela Schwesig erklärt sich plötzlich mit der Ukraine solidarisch und kappt alle Drähte zu Russland – das ist Opportunismus vom Feinsten.

Jetzt hat sie die Daumen für die Klimastiftung gesenkt: MV-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (Archivbild) Foto: Jens Büttner/dpa

P olitische Zäsuren sind immer auch die Zeiten von Wendehälsen. Plötzlich muss man einsehen, dass man jahrelang auf die Falschen gesetzt hat – und wenn es wirklich nicht mehr geht, wird – zack, zack – die Seite gewechselt. Auffallend am Typus des Opportunisten oder der Opportunistin ist, wie penetrant die Sympathiebekundungen für die neue Seite plötzlich ausfallen und wie öffentlichkeitswirksam die früheren Brücken abgebrochen werden. Opportunisten sind immer die scheinbar hundertprozentig Überzeugten im neuen Lager, um ihr altes Tun zu vernebeln.

Manuela Schwesig, die SPD-Mi­nis­ter­prä­si­den­tin in Schwerin, ist ein besonders beeindruckendes Beispiel dieses Verhaltens. Praktisch im Stundentakt verkündet sie nun, dass sämtliche Verbindungen Mecklenburg-Vorpommerns zu Russland gekappt werden. Die „Russlandtage“ im Land sind gestoppt. Den Verein „Deutsch-Russische Partnerschaft“ (Vorsitzender: Schwesigs Vorgänger Erwin Sellering) hat sie „gebeten“, seine Arbeit ruhen zu lassen – was nebenbei zeigt, dass es diesem Verein nie um hehre Ziele wie „Völkerverständigung“ ging, wie es offiziell hieß, sondern darum, das Business mit Russland durch nette Kulturprojekte zu flankieren.

Die sogenannte Klimastiftung, die mit Mitteln von Gazprom finanziert wurde und den einzigen Zweck verfolgte, die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu setzen, wird nun aufgelöst, und selbstredend fordert sie Gerhard Schröder auf, seine Jobs für russische Staatsfirmen aufzugeben. „Die SPD Mecklenburg-Vorpommern steht auf der Seite der Ukraine“, verkündete sie zu Kriegsbeginn. Der Botschafter der Ukraine hat mit seiner Antwort recht: „Die Heuchelei ist zum Kotzen.“

Das, was Manuela Schwesig in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Pipeline, die an Vorpommerns Küste endet, ablieferte, ist ziemlich kleines Karo. Natürlich muss eine Ministerpräsidentin die Interessen ihres Landes vertreten. Aber es ist ein Unterschied, ob sich ein Regierungschef für eine Elbvertiefung oder ICE-Halte im eigenen Land einsetzt, oder für ein paar Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen jahrelang das Spiel eines Diktators mitspielt – und das Ganze auch noch garniert mit Wohlfühlfloskeln wie „Dialog mit Russland“.

Ja, es haben sich viele geirrt mit Blick auf Russland. Reflexion und Selbstkritik wären ein Weg, damit umzugehen. Aber das plumpe, selbstgefällige Manöver, das Manuela Schwesig derzeit aufbietet, ist einfach nur peinlich.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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34 Kommentare

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  • ...und im Krieg ist man auch immer schnell damit, "Kollaborateure" dem medialen Lynchmob vorzuwerfen.

    Ein wenig so mutet dieser Artikel an. Ich will mich sicher hier nicht als Leumundszeuge für Frau Schwesig andienen, aber wenn DAS die Beweisführung für eine generelle Wendehalsigkeit sein, soll, ist sie arg schwach ausgefallen. Wenn ein profilierter Putin-Zuarbeiter wie z. B. Gerhard Schröder jetzt so betont nichts mehr von seinem Geschwätz von gestern wissen wollte, dann wäre das vielleicht solchen Kommentar wert. Aber schweisg hat nmie die Werbetrommel für Putins Kreml gerührt, und DIE paar Verbindungen zu Russland hat doch im Zweifel jedes Bundesland. Schwesig geht im Zweifel weiter als Viele - gerade in Bezug auf Rohstoffhandel - wenn sie sie jetzt kappt.

    • @Normalo:

      Das hat mich auch erschreckt.

      Ich weiß nicht, ob Schwesig vorher naiv war, sie heute ihr Fähnchen in den Wind hängt, aber insgeheim noch immer zu dem steht, wovon sie vorher überzeugt schien.

      Sicherlich wollte sie das, was sie für das Beste für Mecklenburg-Vorpommern hielt und nicht für ihre eigene Tasche.

      Wenn Sie sich nicht entschuldigen mag, oder keine öffentliche "Buße" tun will, scheint mir dieser Artikel und andere, die ich heute und gestern dazu las, dennoch überzogen.

  • 1G
    164 (Profil gelöscht)

    Was hätte denn der Botschafter der Ukraine gesagt, wenn sich Frau Schwesig nicht in seinem Sinne korrigiert hätte? Ich finde für einen Diplomaten tritt der Mann ziemlich unhöflich auf, um es mal milde auszudrücken!

  • Verstehe den Kommentar nicht. Politik ist eben ein heuchlerisches und dreckiges Business. Das in dieser Situation nicht weiter an Nord Stream 2 festgehalten wird, ist folgerichtig.

    Das Erdöl was in der EU bezogen wird, kommt derweil unter anderem aus Saudi-Arabien, dem Irak, Libyen...ach ja...und natürlich an erste Stelle von Russland. Zumindest besagt das die Statistik von 2019 und auch damals war Putin kein harmloser Menschenfreund.

  • Es spricht für Schwesig, dass sie in der Lage ist, in einer veränderten Situation einen Irrtum zu erkennen und sich politisch neu zu justieren. Das schafft nicht jeder. Ich freue mich über jeden bisherigen Putin-Freund, der jetzt spät erkennt, dass er sich geirrt hat. Das sich viele dieser Leute jetzt von Putin abwenden, ist nämlich durchaus auch eine peinliche Niederlage für Putin. Diejenigen, die schon immer Recht hatten, sind nicht immer die besseren Politiker.

    • @Ruediger:

      Exakt dieses.

      Statt sich an Schwesig abzuarbeiten, sollte ein Medium im Sinne des deutschen Medienrechts lieber für die Nachwelt dokumentieren, wer jetzt noch zu Putin hält, sein Handeln legitimiert oder beschönigt.

      Denn diese, nicht die "Opportunist*innen" (man kann statt diesem Hetzbegriff auch sagen "spät, aber nicht zu spät zu Verstand gekommenen"), sind es, die nach Ende dieses Krieges keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen dürfen.

  • Wieso gerade gegen Manuela Schwesig? Hat sonst keine Firma, kein Verein Beziehungen zu Russland? Und es gibt einige weitere Pipelines über die wir Gas aus Russland beziehen, auch heute noch und auch jetzt!



    Und sie reagiert, und das ist richtig!

  • Wieso gerade gegen Manuela Schwesig? Hat sonst keine Firma, kein Verein Beziehungen zu Russland? Und es gibt einige weitere Pipelines über die wir Gas aus Russland beziehen, auch heute noch und auch jetzt!



    Und sie reagiert, und das ist richtig!

    • @Peter Hansen:

      Kleine Info am Rande. Es geht nicht um Firmen, sondern um eine Ministerpräsidentin die lange und egal was kam, Putin hofiert und alles negative relativiert hat, eher doch ausgeblendet. Und nun, zzack, ein, zwei, drei, die Wende hinlegt, so schnell und so fast schon übertrieben ins Gegenteil springt, wie niemand sonst. Es ist schlichtweg eine Frage der Glaubwürdigkeit.

      • @Lars B.:

        Mir ist nicht in Erinnerung, dass Frau Schwesig Putin "hofiert" hätte - sie hat im Interesse ihres Landes ein wichtiges wirtschaftliches Projekt gegen einen durchgeknallten US-Präsidenten und andere kalte Krieger verteidigt, bis der Herrscher aller Reußen selbst plötzlich auch in unerwartetem Maße durchdrehte.

        Das Lügen sollten Sie den Kreml-Herren überlassen.

        • @Bitbändiger:

          Und Sie bzw. Ihre Erinnerung an etwas oder auch nicht, sind jetzt der Maßstab der anzulegen ist? Interessant.



          Sie hat sich mehrfach und in aller Öffentlichkeit nicht nur für den Bau stark gemacht, was nachvollziehbar ist, sie hat auch, angesprochen auf Russland und Putin, behauptet, daß niemand, der am Bau beteiligt, ist etwas falsches mache. Das kann man so nachlesen.

        • @Bitbändiger:

          Wenn es Ihnen nicht bekannt oder in Erinnerung ist, heißt das nicht, daß es so nicht geschehen ist. Informationen dazu sind vielfältig abrufbar.

  • Ein ziemlich falscher und emotionaler Kommentar.

    • @Kappert Joachim:

      Finden Sie. Bei emotional kann ich es noch einigermaßen verstehen aber falsch? Nein, ganz und gar nicht.

  • "für ein paar Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen jahrelang das Spiel eines Diktators mitspielt – und das Ganze auch noch garniert mit Wohlfühlfloskeln wie „Dialog mit Russland“."

    Deswegen wurde jetzt beschlossen alle Rohstoffe und Produkte nur noch aus lupenreinen Demokratien zu importieren... Ach nee irgendwie nicht, sind die Abhängigkeiten doch zu groß?

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    "Plötzlich muss man einsehen, dass man jahrelang auf die Falschen gesetzt hat – und wenn es wirklich nicht mehr geht, wird – zack, zack – die Seite gewechselt."

    Im Falle Putin könnte man das fast allen Bundestagsmitgliedern vorwerfen, insb. den Grünen.

  • Das war eine heftige Fehlleistung, mein armer @Gunnar Hinck, wie ich sie eigentlich nur aus dem Lager der Springer-"Presse" erwarte - Klugscheißerei vom Feinsten. Sie unterschlagen in Ihrer Schwesig-Hasstirade den Anlass für die Einrichtung dieser Klima-Stiftung: Es war 2020 die Antwort und Reaktion auf die Anmaßung des psychotischen US-Präsidenten Trump, den Weiterbau der NS-2 durch Sanktionen, verhängt von ihm als vermeintlichen Herrn des Universums, zu stoppen. Zu diesem Zeitpunkt kam niemand auf die Idee, dass Putin 2 Jahre später durchdreht und einen Krieg vom Zaun bricht. Ich für meinen Teil bin damals sogar noch um einiges weiter gegangen und habe die nukleare Aufrüstung Deutschlands gefordert, um solch hirnverbrannten Großmäulern wie Trump (dessen Wiederkehr 1924 ich übrigens erwarte) nicht so ganz hilflos ausgeliefert zu sein.

    Leider wird der Anteil von Halunken und Psychoten an der Spitze auch demokratischer Staaten immer größer. Die Völker müssen sich dringend darauf einrichten.

    • @Bitbändiger:

      Vielen Dank, dass Sie es mir ersparen, mit den passenden Worten zu ringen bzw. nach ihnen zu suchen.



      Dieser Artikel hatte mir die Sprache verschlagen.



      Aber Sie haben meine Gedanken gut „eingesammelt“.

      • RS
        Ria Sauter
        @snowgoose:

        Schließe mich an!



        Dieser Artikel ist völlig an der Wahrheit vorbei und in keiner Weise zu verstehen!

    • @Bitbändiger:

      Trump (dessen Wiederkehr 1924 ich übrigens erwarte)



      Kann der jetzt sogar Zeitreisen ? teuflisch...

    • @Bitbändiger:

      Weder eine Fehlleistung noch Klugscheißerei. Höchstens eine andere Meinung. Der Artikel behandelt auch weit weniger die Gründe warum Schwesig noch bis vor wenigen Tagen nichts dabei fand mit Putin gemeinsame Sache zu machen, sondern die windelweiche Art ihrer Kehrtwende. Das kann man schon heuchlerisch nennen, jedenfalls ist echte Selbstkritik überhaupt nicht zu erkennen. Und Springer ist auch kein Beweis, selbst die können ja mal Recht haben und man muss ihnen zugestehen, dass sie in Sachen Russland und Putin schon lange Recht haben.

    • @Bitbändiger:

      Wer 2020 noch unbedarft mit russischen Firmen zusammengearbeitet hat und Nordstream 2 weiter voran trieb, ignorierte schlichtweg die Tatsache, dass Russland 2014 die Krim annektiert sowie in der Ostukraine einen jahrelangen Krieg begonnen hatte. Das war ein Bruch des Völkerrechts.



      Hätte Deutschland schon nach 2014, angesichts der kriegerischen Handlungen Russlands, angemessene Massnahmen getroffen und wäre aus Nordstream 2 ausgestiegen - diese Forderung kam ja auch von EU-Mitgliedern - hätte Donald Trump keine Rolle in dieser Geschichte gehabt.



      Ich bin auch erstaunt, wieso alle so überrascht sind, dass Putin die Ukraine angegriffen hat. Er hat seit seiner Zeit als Ministerpräsident 1999 regelmässig die Armee, die Omon oder sonstige Sondertruppen losgeschickt, wenn in seinem Land oder in seinem Vorgarten Unruhen oder Abspaltungstendenzen herrschten.

      • @ecox lucius:

        Dieses Gewese um falsche Einschätzungen ist ein typisches Nachtreten der „Hab-ich-ja-schon-immer-gewusst-Fraktion“.



        Wie soll man denn mächtige, waffenstarrende Weltherrscher „eben mal so“ vom Durchdrehen abhalten? Handel und Diplomatie ist doch der einzige Weg, den es ohne Säbelrasseln gibt.



        Macht man keine Verträge mehr, weil man jedem Vertragspartner unterstellen muss, dass er Verträge nicht einhält?



        Welche Scheinheiligkeit soll das denn sein? Die Geschäftsbeziehungen der Welt sind voll von „fragwürdigen Partnern“ voll von „fragwürdigen Kompromissen“. Sie dürften Ihre Wohnung gar nicht mehr heizen, Ihr Smartphone/Tablet, Ihr Auto ect. gar nicht mehr benutzen, nicht mehr in Urlaub fliegen …, um absolut konsequent zu sein.



        Jetzt konnte man Nordstream2 wenigstens nutzen, um Putin ein Zeichen zu setzen.

      • @ecox lucius:

        Nun ja, auch die Ukraine bezieht ein Drittel seines Erdgases aus Russland! Daran hatte selbst die Annexion der Krim nichts geändert.

  • Wer hat uns verraten?

  • 9 von 10 Deutschen machen durch Anpassung Karriere und nicht durch Charakter.