Lötzsch kandidiert nicht mehr: Abrechnung mit Linksparteiführung

Ihr Direktmandat in Berlin-Lichtenberg rettete die Linkspartei davor, aus dem Bundestag zu fliegen. Jetzt kündigt Gesine Lötzsch ihren Abschied an.

Portrait von Gesine Lötzsch.

Hört auf: Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von den Linken Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | Es ist die Ankündigung eines Abschieds – und eine bittere Abrechnung: Gesine Lötzsch wird bei der kommenden Bundestagswahl nicht wieder kandieren. Das teilte die 62-jährige Berlinerin am Mittwoch in einer Erklärung mit. Für die strauchelnde Linkspartei ist das ein harter Schlag. Denn Lötzsch ist eine der drei direkt gewählten Abgeordneten, dank denen sie derzeit überhaupt noch im Parlament sitzt.

Seit 2002 gehört Lötzsch dem Bundestag an. Sechs Mal hintereinander gewann sie ihr Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Lichtenberg. Ihr bestes Ergebnis erzielte sie 2009 mit 47,5 Prozent der Erststimmen, zuletzt waren es 2021 noch 25,8 Prozent. Ihre Entscheidung, nicht erneut anzutreten, habe sie bereits damals getroffen, so Lötzsch in ihrer Erklärung. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sie bekannt zu machen“, schreibt sie.

Die Bekanntgabe ihrer Entscheidung nutzte die studierte Philologin für eine Generalabrechnung mit der Führung der Linken. Ein Grund für das katastrophale Ergebnis bei der Europawahl, bei der die Partei auf 2,7 Prozent abstürzte, sei eine Strategie gewesen, „die unser Parteiprogramm nur in Teilen widerspiegelte“.

Soziale Gerechtigkeit und Frieden seien die beiden Themen gewesen, mit denen die Linke in der Vergangenheit Wahlen gewonnen habe. Doch in diesem Wahlkampf habe der Parteivorstand nicht über Frieden reden wollen, „weil unsere Partei in dieser Frage gespalten wäre“. Seine Aufgabe wäre es jedoch gewesen, für eine gemeinsame Position zu kämpfen. „Wer existenzielle Fragen nicht diskutieren will, der wird abgewählt“, konstatiert Lötzsch.

Entsetzt über Parteivorstand

Auch die Nominierung der parteilosen Klima- und Menschenrechtsaktivistin Carola Rackete zur Spitzenkandidatin an der Seite des Parteivorsitzenden Martin Schirdewan bei der EU-Wahl sei „ein Fehler“ gewesen. Dass Rackete vielen Menschen im Mittelmeer das Leben gerettet hat, sei zwar ihr großes Verdienst. Aber: „Die Partei kannte sie nicht und sie kannte unsere Partei nicht.“

Sie habe in den vergangenen Jahren immer mehr den Eindruck gewonnen, „dass die Parteivorstände neue Wählerinnen und Wähler gewinnen wollen und dabei auf die Stammwählerinnen und -wähler gern verzichten“, schreibt Lötzsch. Das Resultat läge „jetzt auf unserem Tisch“.

Dabei dürfte sie nicht zuletzt ihren eigenen Wahlkreis im Blick haben, wo die Linkspartei bei der EU-Wahl nur noch bei 10 Prozent landete und sich damit mehr als halbierte. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stieg demgegenüber in Lichtenberg auf 15,2 Prozent empor.

Kein Wort der Selbstkritik

Der elektorale Absturz sei auch auf die Spaltung der Linksfraktion im Bundestag zurückzuführen, ist Lötzsch überzeugt. „Ich war entsetzt, wie leichtfertig der Parteivorstand bereit war, die Bundestagsfraktion aufzugeben“, liefert sie eine etwas eigenwillige Interpretation der Geschichte.

Über ihre Mitverantwortung dafür, dass die Ex-Fraktionsvorsitzende Wagenknecht und ihre An­hän­ge­r:in­nen seit dem Erfurter Parteitag 2022 aus der Bundestagsfraktion heraus ungestört die Gründung einer Konkurrenzpartei vorbereiten konnten, verliert Lötzsch hingegen kein Wort. Ebenso wenig gibt sie einen Hinweis darauf, wie sich die Abspaltung hätte verhindern lassen.

Lötzsch ist schon lange im politischen Geschäft. 1984 in die SED eingetreten, gehörte sie zunächst 1990 der Stadtverordnetenversammlung von Ostberlin an, dann von 1991 bis zu ihrem Wechsel in den Bundestag 2002 dem Berliner Abgeordnetenhaus. Von 2010 bis 2012 stand sie gemeinsam mit dem inzwischen zum BSW gewechselten Klaus Ernst an der Spitze der Linken. Zu dieser Zeit erlebte die Partei ihre erste größere Krise.

Damals stand allerdings noch nicht die Existenz auf dem Spiel. Das ist jetzt anders. Lötzsch fordert nun eine deutliche Strategieänderung. „Wir müssen wieder als Friedenspartei erkennbar werden“, schreibt sie mit Blick auf die kommende Bundestagswahl. Der für Oktober geplante Bundesparteitag müsse entsprechend „personell und inhaltlich Grundsatzentscheidungen treffen“.

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