Lockerung von Coronabeschränkungen: Jetzt aufgeben wäre dumm
Nach einem Jahr Corona liegen die Nerven blank. Trotzdem wäre es dumm, genau jetzt Lockerungen zuzulassen.
D ie Diskussionen vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel am Mittwoch sind schwer zu verstehen. Trotz Teillockdowns steigt die Zahl der Neuinfektionen derzeit wieder an; die Warnungen, dass die Ausbreitung der stärker ansteckenden Mutationen den Rückgang ins Gegenteil verkehren wird, haben sich also bestätigt. Trotzdem wird nicht etwa darüber diskutiert, wie sich die drohende dritte Welle noch aufhalten lässt; stattdessen geht es vor allem darum, wo die Beschränkungen als erstes gelockert werden.
Das ist grundsätzlich nachvollziehbar, denn nach einem Jahr Corona liegen vielerorts die Nerven (und teilweise auch die Bankkonten) blank. Aber zugleich ist die Lockerungsdebatte zum jetzigen Zeitpunkt ziemlich dumm.
Denn erstmals gibt es nun eine echte Perspektive für ein Ende der Epidemie. Die zunehmende Zahl der Impfungen fängt bereits an, sich in niedrigeren Todeszahlen niederzuschlagen. Weil inzwischen klar ist, dass die Impfung nicht nur gegen eine Erkrankung, sondern auch gegen die Infektion schützt, wird sie in wenigen Monaten auch zu niedrigeren Infektionszahlen führen. Zugleich könnte ein systematisches Test-Konzept die Zahl der Ansteckungen weiter reduzieren. Und auch die wärmeren Temperaturen, die weniger Aufenthalt in geschlossenen Räumen mit sich bringen, dürften helfen.
Alle diese positiven Entwicklungen brauchen aber noch eine Weile, um wirklich wirken zu können. Gefragt ist darum zum einen ein bisschen mehr Geduld. Die Vereinigung der Intensivmediziner hat berechnet, dass Lockerungen zum jetzigen Zeitpunkt eine Überlastung der Stationen – und damit viele zusätzliche Tote – zur Folge hätten, während sie im April weitaus glimpflicher ausgehen würden.
Statt kurz vorm Ziel aufzugeben, sollte die Politik zum anderen die positiven Entwicklungen beschleunigen, indem sie für mehr Tests und schnellere Impfungen sorgt. Neben besserer Organisation der Terminvergabe kann dabei auch eine Verschiebung der zweiten Impfdosis helfen. Denn auch das rettet neuen Berechnungen zufolge zusätzliche Leben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Frauenfeindlichkeit
Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich