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Linksparteichef zur Energiekrise„Für Rechte ist bei uns kein Platz“

Martin Schirdewan verteidigt im taz-Interview seinen Aufruf zum heißen Herbst. Protest gegen die soziale Krise dürfe nicht delegitimiert werden.

Martin Schirdewan beim Parteitag im Juni, bei dem er zum Parteivorsitzenden gewählt wurde Foto: Martin Schutt/dpa

Berlin taz | Der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan hat Kritik an seinem Aufruf zu einem „heißen Herbst“ zurückgewiesen. „Ich finde es fatal, in eine Diskussion zu geraten, wo sozialer und demokratischer Protest von vornherein delegitimiert wird“, sagte Schirdewan in einem Interview der taz. Viele Menschen hätten „die Nase voll davon, dass die Bundesregierung keine zufriedenstellenden Antworten auf ihre existenziellen Nöte geben kann oder will“. Wenn nicht die Linkspartei zum Protest aufrufen würde, dann entstehe „genau die Gefahr, dass die berechtigte Unzufriedenheit von rechts instrumentalisiert wird“. Das dürfe nicht geschehen.

„Für rechte Menschenfeinde und ihre antidemokratischen Bestrebungen ist auf unseren Demonstrationen und Kundgebungen kein Platz“, stellte Schirdewan im Interview mit der taz klar. AfD und Co. machten „eine falsche Gegenüberstellung auf: entweder soziale Krise oder Unterordnung unter Putin“. Dagegen würde sich seine Partei „mit aller Kraft“ stellen. Der Protest gegen die soziale Schieflage in Deutschland müsse „gleichermaßen massiv und fortschrittlich“ sein. Die Linke strebe daher „breite Bündnisse an – von den Sozialverbänden über die Gewerkschaften bis zu Fridays for Future“.

Von der Bundesregierung forderte Schirdewan eine deutliche Entlastung von Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen, damit sie den drastischen Anstieg der Lebenshaltungskosten einigermaßen bewältigen können. Erforderlich sei beispielsweise ein Gaspreisdeckel.

„Stattdessen werden Krisenprofiteure und Kriegsgewinnler gehätschelt, denen die Regierung eine Übergewinnsteuer, wie es sie in etlichen anderen europäischen Ländern gibt, nicht zumuten will“, kritisierte der Linken-Chef. „Die gerechte Verteilung der Krisenlasten ist eine ganz zentrale Frage, sonst droht der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft weiter zu erodieren“, sagte er der taz. Tatsächlich lege die Ampelkoalition im Moment jedoch „eher die Axt an den sozialen Frieden – und damit auch an die Stabilität unserer Demokratie insgesamt“, sagte Schirdewan, der seit Juni gemeinsam mit Janine Wissler der Linkspartei vorsteht.

Das ganze Interview mit Martin Schirdewan erscheint in der Montagsausgabe der taz.

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12 Kommentare

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  • GG8: Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

    Also wenn es den hohen Herr:innen beliebt schränkt man das ein.



    Z.B. auf die Zeit zwischen 4:00 und 5:00 Uhr morgens.

    Von wegen jeder darf ...

  • ..... „eher die Axt an den sozialen Frieden – und damit auch an die Stabilität unserer Demokratie insgesamt....



    Nein, Putin legt auf oben genanntes an.



    Actio und Reactio kann hier durchaus übertragen werden.



    Wo waren die Proteste der Linken in den letzten Jahren.



    .... Linke und Rechte demonstrierten dort nicht gegen Putin, sondern gegen die Nato, die USA, die Federal Reserve Bank und generell den Westen.



    Immer wieder auch im Visier: Israel. Die einzige Demokratie im Nahen Osten wurde in den letzten Jahren immer wieder mit Boykott-Aufrufen überzogen, während Putin, von vielen Linken weitgehend unbehelligt, die Opposition drangsalierte und mit deutschen Spitzenpolitikern Pipeline-Deals einfädelte. ..



    Nein, DIESE Linke(Personen sind bekannt) ist nicht glaubwürdig.

    • @Ringelnatz1:

      1. Welche "Linken" meinen Sie? - Die Partei? Die Parteimitglieder? Personen die links sind?



      2. "Wo waren die Proteste der Linken in den letzten Jahren." Wo waren Sie das nicht? Faschohetze, Kapitalimushörigkeit, unbeweglichkeit beim Klimawander etc. war doch alles dabei wo Linke und Menschen aus der Mitte sich dagegen positioniert und protestiert haben.

      In Dresden/Leipzig, meiner alten Heimat, stehen auch jetzt jede Woche Gegendemonstranten gegen die Faschos auf der Straße. FFF gab es überall vor Ort.

      Wenn Sie scheinbar nicht in der Lage sind die Informationen sich anzulesen, ist das Ihr Problem. Diese "Linken", aber als antisemitisch, rassistisch und homophob zu bezeichnen setzt wirklich dem ganzen die Krone auf.

      [...] Beitrag gekürzt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

    • @Ringelnatz1:

      Nicht das ich die Putinfans verteidigen möchte die sind mir auch zu tiefts zu wieder, aber den Schaden haben Größtenteils unsere Kapitalismusjünger der anderen Parteien angerichtet. Satt sich die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus in seiner jetzigen Form einzugestehen und etwas zu ändern, nur auf Putin zu zeigen ist auch billig. Die haben uns abhängig gemacht von billiger Energie um dem Traum vom ewigen Wirtschaftswachstum am laufen zu halten. Trotz Krim, trotz Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Russland , trotz ständiger versuche weltweit Demokratien zu destabilisieren, haben sie weiter Putin mit Milliarden von Euros gefüttert. Das ist noch viel unglaubwürdiger. Nato, die USA, die Federal Reserve Bank und generell der Westen, alles noch da. So großen Schaden haben die vielen Linken wohl doch nicht angerichtet. Die anderen aber sehr wohl.

      • @Andreas J:

        Mein Schwerpunkt lag auf- DIESE- Linke.



        Hat was mit meinem Alter und geografischen Ursprung;-) zu tun.



        Gegen viele neue(andere) junge! Linke gibt es keine Wiederrede.



        Wobei so richtig können mich Janine Wissler und Martin Schirdewan auch nicht überzeugen.

    • @Ringelnatz1:

      Hmm... das gibt mir zu denken.



      Wer ist denn glaubwürdig ?



      Wen kann man mit Überzeugung wählen ?

      Oder wählt man heute tatsächlich aus den größten Übeln das kleinste ?

      • @Bolzkopf:

        ... tja alles nicht so ganz einfach, aber was will man von einer repräsentativen Demokratie erwarten ? Ob eine direkte Demokratie allerdings eine Verbesserung wäre wage ich mal zu bezweifeln. Da müsste wohl vorher unser Bildungssysthem grundlegend reformiert werden , gerade was politische Informationen und Zusammenhänge betrifft,

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    „Ich finde es fatal, in eine Diskussion zu geraten, wo sozialer und demokratischer Protest von vornherein delegitimiert wird“, sagte Schirdewan in einem Interview der taz.

    ==

    Sozialer und demokratischer Protest ist nicht delegitimiert - was delegitimiert ist sind die Montagsdemos - siehe Ramelow, Ministerpräsident in Thüringen: ""Bei sozialen Protesten seien "die Abstandsregeln zu rechtsradikalen Organisatoren" zu beachten, erklärte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland . Die Rechten seien zu Recht kritisiert worden, als sie sich der Symbolik der Montagsdemonstrationen bemächtigt hätten. "Demgegenüber sind die Montagsdemos die DNA der Linkspartei", sagte der Co-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch.

    Klartext:



    Die friedlichen Montagsdemos waren der Reißzahn im Fleisch des DDR - Regimes in Leipzig und anderswo welche das Ende der DDR und den Fall der Mauer einläuteten.

    Siehe die schrägen Aufzüge der afd und der sonstigen Rechtsradikalen welche diese Form des Protestes in den letzten Jahren gekapert haben. Bei dem geringen Mobilisierungsgrad der Linken (Wählerpotenzial derzeit bundesweit zwischen 4 und 5% ) benötigt man nur ein Mindestmass an Weisheit um voraus zu sagen wer den Charakter der Schirdewan Demos bestimmen wird. Und das werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die Linken sein.

    Anzuraten ist Schirdewan darüber hinaus zunächst mal zu erklären, wie es zum Energiemangel und zur Inflation gekommen ist. Genau diese Erklärung würde Rechtsradikal von sozialen und demokratischen Protesten trennen. Bei Protesten, bei denen Putler als massenmordender Imperialist auch im Mittelpunkt des Protestes steht würden sich Rechtsradikale wohl kaum beteiligen - die Fronten wären klar.

    Solange Schirdewan die Zusammenhänge nicht klärt setzt er sich mindestes dem Verdacht aus, lediglich parteipolitisch von den Rechten profitieren zu wollen.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Ja - und mehr noch: wer zur Zeit wirklich sehr engagiert ist, um genuin linke Proteste auf die Beine zu stellen, sind exakt die "bizarren" Schmuddelkinder der autonomen Linken, gegen die die KathedersozialistInnen seit Jahren stänkern - und denen die Linkspartei es verdankt, überhaupt noch im Bundestag zu sitzen:

      Die Leipziger Linken sind ein Risiko eingegangen, als sie - bis weit ins grünbürgerliche Klientel hinein - Pellmann zum Direktmandat verhalfen.



      Es hat sich nicht gelohnt. Auf absehbare Zeit hat sich diese Partei als parlamentarische Kraft selbst beerdigt.

      Allein dass seit 10 Jahren oder mehr die Angriffe auf die politische "Konkurrenz" viel heftiger waren als die auf den politischen Gegner, zeigt schon, wie sehr kapitalistischer Ungeist und Ellenbogenmentalität in der Ära der Einkommensmillionärin W. von dieser Partei Besitz ergriffen hat.

      (Und ganz allgemein - von einer bourgeoisen Kraft, wie man es als Partei im Rahmen des bundesdeutschen Parteiengesetzes nun mal ist, einen revolutionären Umsturz der Verhältnisse zu erwarten, ist einfach nur Panne.)

      Wären die Grünen in der Opposition, würden sie jetzt genauso große Töne spucken wie die Linkspartei - aber im Gegensatz zu dieser mit einer realistischen Chance auf Erfolg, denn sie haben a) ein dreimal so hohes Mobilisierungspotential wie die Linkspartei (die AfD hat ein doppelt so hohes), und b) sie sind im aktuellen Parteienspektrum die einzigen, die der Versuchung, die AfD als "verlorene Schäflein" zu behandeln, denen man ideologisch entgegenkommen muss, nicht erlegen sind.

  • Jeder darf demonstrieren, jeder! Ob links oder rechts, jeder!



    Nur haben sich alle an die Gesetze zu halten, demonstrieren - nicht randalieren.

  • Recht hat der Vorsitzende der Links Partei!

  • Was ich zunehmend bemerke ist das Gegenteil der Mobilisierung oder des "heißen Herbstes", eingefrorene Pläne für die kommenden Jahre und das, was das Modewort 'Worry-Burnout' beschreibt. Die kreativen Seiten müssen wiederbelebt werden, das Potenzial ist allemal da. Mit Dystopien ist kein Blumentopf zu gewinnen.