piwik no script img

Linke Demo gegen Russland und die Nato„Gegen jeden Imperialismus“

Ein linkes Bündnis ruft am Samstag zur Demo gegen Russland und die Nato auf. Krieg nütze nur den Herrschenden, sagt Mitveranstalter Daniel Meta.

Sitzblockade gegen russische Kohle vor dem Heizkraftwerk Reuter West Foto: Florian Boillot
Tobias Bachmann
Interview von Tobias Bachmann

taz: Herr Meta, Sie rufen für Samstag zur Demo „No War but Class War!“ in Berlin auf. Was hat der Krieg in der Ukraine mit Kapitalismus und Klassenfragen zu tun?

Daniel Meta: Das sind zwei unterschiedliche Punkte. Sowohl die Nato als auch Russland sind imperialistische Großmächte, die kapitalistische Interessen vertreten. Beide Seiten wollen ihre Einflussbereiche halten und ausbauen. Es geht um Absatzmärkte, Rohstoffe, Öl. Deshalb lehnen wir den Krieg und beide Seiten ab.

Und die Klassenfrage?

Vom Krieg profitieren immer nur die Herrschenden. Wer leidet, sind die Zivilisten, ganz besonders die arbeitenden Menschen in der Ukraine. Und auch hierzulande sind die Auswirkungen des Krieges längst für viele Lohnabhängige spürbar, die teilweise ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können. Wir brauchen eine Gesellschaft, die solche Kriege nicht mehr ermöglicht.

Im Interview: Daniel Meta

Daniel Meta ist Mitveranstalter der Demo „No War but Class War!“ Der 25-jährige lebt in Berlin.

Wie einig ist sich die außerparlamentarische Linke in diesen Punkten?

Es gibt viel Einigkeit darin, dass wir Frieden wollen und dass der Krieg nicht im Interesse des Großteils der Menschheit ist, also der Lohnabhängigen. Kontroverser sind die Fragen nach der Schuld am Krieg oder nach Waffenlieferungen, gerade jetzt nach dem Massaker von Butscha. Im Bündnis haben wir es geschafft, Grabenkämpfe zurückzustellen und uns auf die wichtigen Antworten zu einigen. Wir wollen keine Waffenlieferungen und Aufrüstung.

Wie kann man die Nato weiterhin kritisieren, ohne in Verdacht der Rechtfertigung zu geraten?

Den Ruf nach der Nato aus Hilflosigkeit und dem Wunsch, irgendetwas zu tun, verstehen wir. Die Nato ist jedoch kein Verteidigungsbündnis, sondern hat, zum Beispiel in Jugoslawien, völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt. Wir sehen die Konsequenzen, die eine weitere Eskalation haben könnte. Im schlimmsten Fall das Risiko eines dritten Weltkrieges.

Jetzt gab es ja schon viele Antikriegsdemos in den vergangenen Wochen. Wie unterscheiden Sie sich davon?

Wir unterscheiden uns in allen Punkten, die gerade besprochen wurden. Die Demos richten sich nur gegen Russland und fordern teilweise Waffenlieferungen und sofortiges Eingreifen der Nato. Das ist nicht weit genug gedacht. Die Konsequenz ist, dass sich der Staat jetzt legitimiert fühlt, 100 Milliarden in die Bundeswehr zu stecken. Das aber bringt keinen Frieden. Außerdem sehen wir die Notwendigkeit eines solidarischen Internationalismus. Damit stellen wir uns gegen jeden Nationalismus, auch gegen ukrainischen.

Stichwort Internationalismus: Wie sind Sie mit russischen An­ti­kriegs­ak­ti­vis­t*in­nen vernetzt und wie stehen die Chancen einer neuen, internationalen Antimilitarismusbewegung?

Die einzelnen Gruppen aus unserem Bündnis sind teilweise in Kontakt mit russischen Kriegsgegner*innen. Der Wunsch nach internationaler Solidarität und einer Gesellschaft ohne Krieg ist groß, deshalb ist eine neue, breite Antimilitarismusbewegung natürlich hoffnungs- und wünschenswert. Aber der Imperialismus ist stark, und wie viele Menschen aktiv werden, schwer abzuschätzen. Wir sehen jedenfalls, dass Menschen aufwachen und sich dafür entscheiden, aktiv für Frieden einzustehen. So gab es bereits in Griechenland und Italien Blockaden von Rüstungsexporten durch Arbeiter*innen.

Warum kommt die Demo (Link zur Route) erst jetzt und was erhoffen Sie sich davon?

Vor allem hat das organisatorische Gründe. Es braucht Zeit, um mit 13 Gruppen aus unterschiedlichen Strömungen, von An­ar­chis­t*in­nen über Kom­mu­nis­t*in­nen bis hin zu Bewegungslinken große Fragen um Imperialismus einzuordnen. Dass das gelungen ist, gibt sehr viel Hoffnung. Wir wünschen uns, dass unser Aufruf viele Menschen erreicht und viele mit uns auf die Straße gehen. Da das Ende des Krieges gerade nicht in Sicht ist, wollen wir mit der Demo einen Anfangspunkt setzen. Gerade jetzt, wo die großen Demos ihre Mobilisierungskraft verlieren, sind wir als Linke gefragt, um den Krieg richtig einzuordnen und der Bundesregierung aufzuzeigen, dass es so nicht weitergeht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • Nein die NATO und Russland sind nicht das Gleiche, der NATO treten Länder freiwillig bei, Russland ist eine imperialistische Macht. Es gibt zwar auch in der NATO imperialistische Mächte wie die USA, Frankreich und UK, aber diese Gleichsetzung ist der Grund warum die Masse der Bevölkerung diese Leute nicht ernst nimmt.

  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Die stereotype Gleichsetzung von NATO und Russland als Akteuren in diesem Krieg ist ermüdend.

    Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis.



    Die NATO ist kein Staat und hat keine eigenen Territorialinteressen. Territoriale Interessen haben die Mitglieder der NATO. Die NATO schützt deren Integrität, nicht deren Ausweitung (also bitte nicht mit Serbien ablenken).

    Die angesichts der Inzwischen bekannten Informationen völlig unbrauchbaren Handlungsoptionen (und selbst diese sind unkonturiert) erinnern fatal an das "ja, aber..." der Wagenknecht-Fraktion.

    Wahrscheinlich würde er auch seinen Töchtern verbieten, Pfefferspray in der Handtasche mitzuführen.

  • Was im Interview nicht erwähnt wird, aber auf der darin verlinkten Website des Bündnisses steht, ist die Forderung nach Abzug der NATO-Truppen aus den an Russland angrenzenden Ländern. Gegen das Vorhandensein von Streitkräften im an diese Länder angrenzenden Russland hat das Bündnis hingegen nichts einzuwenden. Und da es auch den Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert, laufen die Forderungen des Bündnisses daraf hinaus, dem russischen Imperialismus freie Bahn zu schaffen. Da hilft es wenig, beide Seiten "abzulehnen".

  • Wie soll den putin gestoppt werden, ohne Waffen und ohne Nato.

    Die welt ist leider nicht pazifistisch und die ganzen linken Ideen, funktionieren nicht wenn ein ehm. Kommunistisches Land sich in eine oligarche Diktatur verwandelt und andere Länder angreift und die Bevölkerung abschlachtet! Was ist den Antwort der Demostranten darauf? Was sagen sie den ukrainischen Kindern warum ihre Väter gestorben sind?

  • Dieses Demomotto gab es in Bremen auch bereits am 27. März.



    Dient der eigenen Haltung.



    Leider bemühen sich diese Leute nicht um eine eingehende Untersuchung wie das FSB-Regime agiert und was der Unterschied zu den westlichen Staaten ist.

  • "Warum kommt die Demo [...] erst jetzt [...]?

    Vor allem hat das organisatorische Gründe. Es braucht Zeit, um mit 13 Gruppen aus unterschiedlichen Strömungen, von An­ar­chis­t*in­nen über Kom­mu­nis­t*in­nen bis hin zu Bewegungslinken große Fragen um Imperialismus einzuordnen."

    In anderen Worten: Von diesen Leuten geht keine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus. Der Verfassungsschutz kann deren Beobachtung einstellen.

  • Die Nato wäre und ist der einzige Schutzschirm für die Ukraine. Auch wenn Meta die Frage nach der Rechtfertigung direkt verneint, schwingt doch das Gegenteil in seiner Aussage mit. Die angemeldete Demonstration ist meiner Meinung nach blanker Hohn.

  • Das hatten wir ja schon alles! Ich vermisse von den idealistischen Damen und Herren konkrete Lösungsvorschläge, die die Integrität, Selbstbestimmung, die unveräußerlichen Menschenrechte und die Unverletzlichkeit des Territoriums der Ukraine garantieren. Ich warte höflich auf Antworten. Demonstrieren reicht nicht.

    • @Ulrich Haussmann:

      Unter "Wir brauchen eine Gesellschaft, die solche Kriege nicht mehr ermöglicht." gibt es einen versteckten und kosmopolitischen Lösungsansatz, der unter antiautoritären Linken weit verbreitet ist: No Nations, No Borders.

      Denn Kriege sind nichts weiter als gewalttätige Kämpfe um Territorien. Wenn keine "Nationen" mehr existieren, gibt es auch keine Kämpfe um Territorien mehr.

      Menschenrechte müssen natürlich weltweit gültig sein. Menschenrechte müssen mitunter radikal durchgesetzt werden. Die Zeiten, in der sechs Milliardäre mehr Geld haben als die halbe Weltbevölkerung muss selbstverständlich auch ein Ende haben, sodass jeder Mensch die gleiche Geldmenge auf der gesamten Welt beanspruchen darf. Bei einem Volumen von 8 Billionen US-Dollar geteilt durch 8 Milliarden Menschen.... und dann wird das Geld durch Bezahlen der Waren, durch Steuern, durch soziale Abgaben, etc. schön hin- und herverteilt.

      Aber bevor ich noch mehr Punkte aufführe... ich habe das mal mit der Territorialität beantwortet. Hätte Daniel Meta wahrscheinlich auch gemacht. Aber der Reporter hat diese Frage ja nicht gestellt, sondern der Kommentator.

  • "Die Nato ist jedoch kein Verteidigungsbündnis, sondern hat, zum Beispiel in Jugoslawien, [zu] völkerrechtswidrige[n] Angriffskriege[n] geführt."

    Herr Meta ist ja noch recht jung, von Srebrenica scheint er jedenfalls noch nie etwas gehört zu haben.

    • @Schalamow:

      Das nennt man: Gnade der späten Geburt . Diese Leute sprechen Israel und der Ukraine das Existenzrecht ab. Sie fordern jedenfalls nicht, dass Russland seine Atomwaffen abgibt. Sie fordern nicht den Verzicht auf Gewalt, sondern haben die Grabenkämpfe zurückgestellt. Seit wann sind Anarchisten, Kommunisten und alle anderen Gruppen gegen Gewaltanwendung wenn es um eigene Interessen geht, das schafft nicht mal die „ Letzte Generation „.

  • Klingt ja erstmal nicht ganz verkehrt.



    Aber: Ohne Waffenlieferungen aus dem Westen wird die Ukraine überrannt werden, Ergebnis: putinischer/russischer Faschismus in der gesamten Ukraine. Heißt: Mord, Verfolgung von Journalist:innen, Aktivist:innen, "ganz normaler" Leute, etc. etc.



    Inwiefern hilft das jetzt der Arbeiter:innen in der Ukraine?

  • "Außerdem sehen wir die Notwendigkeit eines solidarischen Internationalismus."



    Find ich super. Wann wenn nicht jetzt!

  • Toll, das ist ja wie früher, bei den diversen kriegerischen Auseinandersetzungen mit US- oder Nato-Beteiligung! Ich erinnere mich genau: da wurde bei unseren Protesten auch immer genau drauf geachtet, dass JEDE Aggression und JEDER Imperialismus verurteilt wird. Gegen die russische, iranische oder chinesische Bedrohung wurde immer mitdemonstriert. Eine einseitige Verurteilung von zb "US-Imperialismus" wurde immer entschieden zurückgewiesen!

  • Ich tu mich etwas schwer damit zu glauben, dass die Forderung nach keinen Waffenlieferungen in die Ukraine _nicht_ einen Zwilling bildet zu der Eroberung der Ukraine durch Russland (einschließlich den darauf folgenden Säuberungen, die die Russen ja sehr schön in Butscha illustriert haben).



    Insofern ist auch die Gleichsetzung von NATO und Russland ebenfalls eher... schwierig, und der Verweis auf die "völkerrechtswidrigen Angriffskriege, zum Beispiel in Jugoslawien" der NATO (BTW: wo noch?) ist insbesondere mit den Hintergründen der damaligen ethnischen Säuberungen eine Relativierung des derzeitigen russischen Vorgehens.

    "Im Bündnis haben wir es geschafft, Grabenkämpfe zurückzustellen und uns auf die wichtigen Antworten zu einigen."



    Und eine der Antworten, auf die sich offenbar linke Aktivisten immer einigen können, lautet schlicht: die NATO ist böse.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    "Sowohl die Nato als auch Russland sind imperialistische Großmächte ..."

    Unterschied dürfte sein, das die Aktivisten hier für eine solche Demo in keinem Gulag verschwinden, in Russland schon!

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Und dass dem einen "Imperialismus" die Mitglieder freiwillig zuströmen, während sie den anderen erbittert bekämpfen.

  • Dass kapitalistische Zerstörungsmechanismen die Welt an den Abgrund bringen ist eh schon lange klar. Kaum jemand will aber das System ändern. Geh doch rüber.....



    Russland, China, Brasilien - da winken satte Gewinne - das goldene Kalb unserer Zeit.



    Noch nicht einmal mit der Flitzpiepe Bolsonaro wird man fertig, der uns allen die Luft zum atmen nimmt.



    Volkswagen do Brasil darf nicht sterben (nur ein Beispiel). Lieber ertragen wir, dass große Urwaldflächen abgefackelt werden. Tja, nicht schön aber Hauptsache Hertha gewinnt.

    Das ist alles ziemlich dumm und wir werden einen hohen Preis dafür bezahlen - zu Recht!

  • ... soviel zum Thema "Ich sehe die Welt durch meine ideologische Brille und mach sie mir, wie sie mir gefällt."...

    Eine Frage zu einem - vielleicht demnächst geäußerten - Wunsch von Schweden und Finnland der NATO beizutreten hätte ich mir gewünscht.

  • Ich verstehe die Intention hinter der Demo und kann sie im Grunde auch teilen - schließlich sollte die Linke die Interessen der kleinen Leute vertreten, statt zum Jubelverein für irgendeine Regierung, egal ob die eigene oder eine fremde, zu werden. Trotzdem finde ich dieses Streben nach Äquidistanz gerade dann, wenn die Linke zu schwach ist, Einfluss auf die realen Entwicklung zu nehmen, gefährlich, weil es verdrängt, wer Aggressor und wer Angegriffener ist - eine Unterscheidung, die man auch noch dann vornehmen muss, wenn keiner der involvierten Staaten das Zeug zur linken Utopie hat. Solche Feinheiten kann man ignorieren, wenn man mächtig genug ist, beide Regierungen zu einem Ende der Kämpfe zu zwingen: wer die Welt neu gestaltet, kann die Deutung der Vergangenheit vielleicht wirklich den Historikern überlassen. Aber im Moment ist die Linke ohnehin nur Zuschauer; um irgendwann wieder ernst genommen zu werden, sollte sie zumindest in der Lage sein, die Gegenwart überzeugend zu analysieren. Und dazu gehört auch, die Ursachen von Kriegen und Krisen erklären zu können. Das allerdings schafft man nicht, wenn man sich in Äquidistanz übt. Eskalationsdynamiken versteht man nicht, wenn man nicht über Täter und Opfer sprechen will.

    • @O.F.:

      Ich sehe häufig kritisch, was Sie schreiben, aber hier haben Sie recht.