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Letzte Generation beim Berlin-MarathonOrange Farbe auf der Laufstrecke

Kli­maak­ti­vis­t:in­nen schütten Farbe auf die Laufstrecke. Die Polizei holt acht Menschen von der Fahrbahn. Äthiopierin Tigst Assefa läuft Weltrekord.

Ökologischer Fußabdruck: Marathon-Läufer:innen mussten am Sonntag durch Farbpfützen stapfen Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin epd/dpa/taz | Die Klimaprotestinitiative Letzte Generation hat am Sonntagmorgen kurzfristig den Berlin-Marathon gestört. Wie die Ak­ti­vis­t:in­nen und die Polizei übereinstimmend mitteilten, rannten kurz vor dem Start des Rennens auf der Straße des 17. Juni im Berliner Tiergarten Menschen aus dem Publikum auf die Straße und verkippten dort orange Farbe aus Eimern auf dem Asphalt.

Nach Angaben einer Polizeisprecherin schritten Einsatzkräfte ein, bevor sich die Ak­ti­vis­t:in­nen ankleben konnten. Die Polizei stelle nun die Personalien fest, die acht Ak­ti­vis­t:in­nen seien zunächst in ihrer Freiheit beschränkt, sagte die Sprecherin weiter. Es werde geprüft, inwieweit sie im Anschluss in Gewahrsam genommen werden können. Der Start des Laufs sei dadurch nicht beeinträchtigt worden.

Die Ak­ti­vis­t:in­nen hatten laut eigenen Angaben ein Plakat mit der Aufschrift „Es ist Zeit zu wenden“ dabei. Das habe aber nur kurzzeitig ausgerollt werden können.

Im Internet verbreitete Fotos und Video der Aktion zeigten, dass die Aktion tatsächlich sehr schnell beendet wurde. Die Marathon-Teilnehmer:innen liefen wenig später zum Teil durch Pfützen frischer Farbe.

„Wir tun das, weil wir in einer Notlage sind. In existenzieller Gefahr!“, schrieb die Letzte Generation auf der Plattform X, früher Twitter, zu der Aktion. „Übrigens: Uns tut es genauso leid, den Alltag eines Handwerkers zu unterbrechen wie den langersehnten Wettbewerb einer Läuferin.“

Ak­ti­vis­t:in­nen und Po­li­zis­t:in­nen auf der Laufstrecke kurz vor dem Massenstart Foto: Paul Zinken/dpa

Die Gruppe forderte erneut, dass Deutschland ab 2030 auf fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Erdgas verzichtet. Die Bundesregierung peilt das Jahr 2045 für eine klimaneutrale Wirtschaft an.

Die Letzte Generation hatte noch am Freitag angekündigt, den Marathon unterbrechen zu wollen – und damit für heftige Diskussion für und gegen diese Form des Protestes gesorgt.

Weltrekord bei den Frauen

Der Berlin-Marathon mit fast 50.000 Teilnehmer findet traditionell Ende September statt. Er ist eine der größten und prominentesten Veranstaltungen seiner Art weltweit. Unter den Sport­le­r:in­nen ist die Strecke beliebt, weil sie fast durchgehend flach ist und so ein hohes Tempo zulässt.

So konnte beim Lauf am Sonntag erneut ein Weltrekord aufgestellt werden – diesmal bei den Frauen. Die Äthiopierin Tigst Assefa erreichte nach 2:11:53 Stunden das Ziel. Sie unterbot damit den bisherigen Rekord um mehr als zwei Minuten.

Aktionswoche der Letzten Generation

Mitglieder der Gruppe protestierten die gesamte Woche über mit Aktionen in Berlin. Vor einer Woche hatten sie Säulen des Brandenburger Tors mit ebenfalls orangener Farbe besprüht.

Die Polizei und Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatten ein konsequentes Vorgehen angekündigt.

Um schneller gegen Störer und Blockierer einschreiten zu können, hatte die Polizei ein Verbot nicht angemeldeter Demonstrationen der Letzten Generation im Gebiet des Marathons erlassen. Dieses Verbot wurde in Form einer sogenannten Allgemeinverfügung am Freitag im Amtsblatt veröffentlicht und gilt von Samstagvormittag bis Sonntag um Mitternacht.

Verboten sind laut der elfseitigen Anordnung Demonstrationen und die Teilnahme an ihnen im Zusammenhang mit Klimaprotesten und Blockaden auf den entsprechenden Straßen und auch Autobahnen in dem Gebiet. 2000 Euro Bußgeld werden angedroht. Die Polizei wollte am Sonntag mit mehr als 1.000 Kräften beim Marathon im Einsatz sein.

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32 Kommentare

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  • 4G
    42798 (Profil gelöscht)

    Danke LG! Ansonsten leider nur progressiver Stillstand oder die Verteidigung des gemütlich-konservativen Weltbilds. Erich Fromms "Theorie des autoritätsgebunden Charakters" lässt grüßen.

    "Ziviler Ungehorsam ist nicht revolutionär, sondern reagiert auf Uneingelöstes"

    www.tu.berlin/fors...auf-uneingeloestes

    Was spricht dagegen, den Anteil an erneuerbaren Energien bis 2030 auf mindestens 75 Prozent zu steigern, neben dem öffentlichen Nahverkehr auch Radfahrer und Fußgänger zu fördern, Nutztierbedstände, Fleischkonsum etc. drastisch zu verringern, Kerosin und die fossilen Energien insgesamt teurer zu machen und Umweltschäden einzupreisen?







    "Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt" Erich Fried

  • Die Frage, die zu diskutieren ist, ist doch, welcher Protest noch angemessen ist, angesichts der zu erwartenden Verschlechterungen der Klimabedingung für die Menschheit, die regelrechte Völkerwanderungen auslösen kann und auch in europäischen Regionen, wo man sich noch halbwegs sicher wähnt, das Leben dramatische Änderungen erfahren wird. Fridays for future wurde weggelobt und ist nur noch Alltags-Zubehör zur Beruhigung des eigenen Gewissens und jede Form des Protestes, die wirklich stört, wenn auch nur punktuell, führt offensichtlich nicht zur Diskussion über die Realität der Klimaveränderungen, sondern nur zu Wut über die Überbringer der schlechten Nachricht. In dem Punkt hat sich seit Jahrtausenden nichts geändert.



    Radikalität kann ja nicht falsch sein, wenn sie auf die Wurzel des Problems aufmerksam macht. Das Wissen ist da, die alternativen Wege sind da. Für viele zu teuer, das ist wahr. Die Verdrängung ist das eigentliche Problem und an der Stelle einzuschreiten und den Alltag unterbrechen ist unbeliebt. Aber gibt es denn eine wirkungsvollere, beliebte Methode? Es gibt keinen bequemen Weg aus der Krise.

  • Ich fordere die dreifache Todesstrafe für die Klimakleber*innen! Erst töten! Dann den Leichnam töten! Zum Schluss den toten Leichnam töten!1elf



    - so schlaue Kommentare traue ich nicht nur der Bild sondern auch so einigen Empörten zu. Manche derjenigen bräuchten sicher nicht nur Hilfe bei Rechtschreibung und Semantik. Aber dieser "Recht und Ordnung"-Zug donnert ja quer durch alle Schichten, auch durch hiesige Kommentarspalten. Ja, schon tugendhaft. Angesichts dieser Aktionen lebt das kleinbürgerliche Herz auf und der Deutsche gerät so richtig in Wallung. Und die Politiker*innen sind nicht nur erleichtert, dass diese Ablenkung, der Recht und Ordnung-Diskurs, funktioniert und sie selbst mal nicht so in der Schusslinie stehen, sondern sie sehen darin auch eine Chance, davon zu profitieren. "Das Maß ist voll!" Angst! Bier trinkt das Volk! Angst! Wirr ist das Volk! Prost!

    • @Uranus:

      Der erste Absatz gibt ziemlich akkurat wieder, wie jede Kritik an der Letzten Generation bei ihnen anzukommen scheint.

      • @Volker Racho:

        Wie meinen?

    • @Uranus:

      Ist Ihnen bewusst, dass, wenn Ihre Beschreibung stimmt, LG gerade komplett versagt?

      Und Sie hören von mir nicht, dass Sie falsch liegen.

      • @rero:

        LG versagt nicht. Ein Großteil der "gebildeten Zivilgesellschaft™" tut es - zum einen, indem sie den 'Recht und Ordnung'-Kurs aktiv mitgestaltet bzw. dem zustimmt und zum anderen, indem sie Weiter-so praktiziert oder sich und den Anderen oftmals anhand Scheinlösungen vormacht "grün" zu sein/handeln.

        • @Uranus:

          Wenn die Herzen der Deutschen ob der Proteste so richtig in Anti-Wallung kommen und die Politiker erleichtert sind und sich über die Ablenkung, dann versagen die Proteste gerade.

          Die Herzen müssten gegen die Politiker in Wallung geraten.

          • @rero:

            "Die Herzen müssten gegen die Politiker in Wallung geraten." Schon im Ansatz falsch. Den Klimawandel zu bekämpfen ist nicht nur Sache "der Politiker", sondern jedes Einzelnen. Da ist jede Menge Bigotterie und Heuchelei unterwegs. Für Energiewende sein, aber gegen Windkraftanlagen protestieren? Für Verkehrswende sein, aber gegen Ertüchtigung und Neubau von Bahnstrecken demonstrieren? Immer erst einmal an die eigene Nase fassen, bevor es gegen "die Politiker" geht.

          • @rero:

            Die Leute können nicht auch ein bisschen denken und sind nicht mal ein bisschen in die Verantwortung zu nehmen?



            "Die Herzen müssten gegen die Politiker in Wallung geraten."



            ... das war/ist auch mein Gedanke.

    • @Uranus:

      👍👍

  • Und wieder ein Artikel über die Letzte Generation, in dem sich nur ein einziger Absatz über die Forderungen der Aktivisten dreht - die anderen 95% des Artikels drehen sich um die Art des Protests und die Begleitumstände.

    • @gyakusou:

      Was soll man auch noch großartig über die Forderungen schreiben?

      Die sind seit vielen Monaten dieselben.

      Und allzu kompliziert sind sie nicht.

  • Bravo all den Amateuren die es geschafft haben, alles Daumendrücken für die NOCH Kämpfer auf der Strecke.



    Wenn man das Ziel durchläuft... die Strapazen, das Grauen überlebt hat...das Glücksgefühl es geschafft zu haben, es hält (bei mir wahrscheinlich) ein Leben lang an.

    • @Peace85:

      "...



      Wenn man das Ziel durchläuft... das Glücksgefühl es geschafft zu haben, es hält (bei mir wahrscheinlich) ein Leben lang an..."



      Exakt, hatte ich schon 18 Mal. :)

  • Wieder einmal paar tausend Leute als Unterstützer:innen verloren. Wann bekommen sie es endlich mit?

    • @Hans aus Jena:

      Sie zählen mit?

  • Ich bin froh, dass sie den Marathon nicht aufhalten konnten, deren Teilnehmer sich oft monatelang darauf vorbereiteten.



    Aktionen sollen nicht nur Aufmerksamkeit und Reflexion erzeugen, sondern eine Solidarisierung der breiten Öffentlichkeit mit diesen Aktionen als Ziel haben. Dies gelang bisher nicht, das Gegenteil ist der Fall.



    Ich habe auch hier im Forum schon die LG verteidigt gegenüber der Einschätzung, eine 'kriminelle Vereinigung' zu sein.



    Aber ihre Aktionen entwickeln sich immer mehr hin zu einer 'naiven Vereinigung', die zwar sehr oft spektakulär sind, aber dadurch keinen Rückhalt in weiten Kreisen der Menschen findet.

    • @Klaus Waldhans:

      > Solidarisierung der breiten Öffentlichkeit

      naja, es ist die breite Öffentlichkeit, die ggf. Einschnitte in der Bequemlichkeit akzeptieren müsste.



      Solange den meisten Leuten das Recht auf einen -- jedes Mal noch größeren -- SUV wichtiger ist, als alles andere ...

  • Es fahren Autos für die Marathon-Strecke. Gute Aktion also.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Womöglich sind da Autofahrer*innen angesichts der Aktion von LG, auf jene einfach nur neidisch, da sie es wagten, die vielen Fußgänger*innen (hier: Läufer*innen) auf den Straßen versucht haben zu blockieren. Sicher ein feuchter Traum einiger Autofahrer. ;-D

    • @Troll Eulenspiegel:

      > Es fahren Autos für die Marathon-Strecke. Gute Aktion also.

      Für Biomärkte fahren auch Autos. Sollten die auch blockiert werden? Autos fahren auch für die Bahn, für die Straßenreinigung und für die Herstellung von Fahrrädern. Autos fahren für praktisch alles, was wir hier haben.

      Autos fahren auch für die LG. Autos fahren für Grüne, für Rechte, für Kinder, Frauen und Transpersonen. Selbst für Kätzchen und Hundewelpen fahren Autos, und für Websites wie diese hier.

      Alles blockieren?

      • @Carcano:

        Klar! Macht LG doch auch normalerweise. Da wird keine*r diskriminiert. Alle kommen zu ihrem Recht. Außer Krankenwagen. Die dürfen durch, wenn die Autofahrer*innen ihrerseits nicht die Rettungsgasse blockieren. ;-)

    • @Troll Eulenspiegel:

      Ja, Krankenwagen zum Beispiel.

      • @Rudi Hamm:

        Bild nicht gesehen? Auch an Carcano? Warum einen mutmaßlich neuen Mercedes-Benz vorausfahren lassen, der einem die Zeit anzeigt?????

        Kann man genauso gut auf einem Krankenwagen packen. Einem Fahrzeug, welches es gestattet ist, die Umwelt zu verpesten.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Das Fahrzeug, dass die Zeit angezeigt hatte, war ein vollelektrischer BMW. Da hat niemand die Luft verpestet.



          Und was meinen Sie mit "Carcano"? Das ist ein italienisches Repetiergewehr aus dem vorletzten Jahrhundert.

          • @Stefan L.:

            Daily Reminder, dass auch ein Elektrofahrzeug CO2-Emissionen in Form von Produktion ausbläst, sowie der hohe Wasserverbrauch und der Raubbau an der Natur, der ebenfalls die Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht.

            Läuft für mich genauso unter Verpestung durch. E-Autos haben wie Verbrenner nichts auf dieser Welt zu suchen.

            • @Troll Eulenspiegel:

              Die Teilnahme im Internet, das posten und lesen von Kommentaren, der Besitz von Smartphones und PC, eigentlich alles gehört dann aber auch zur "Verpestung".

            • @Troll Eulenspiegel:

              Ein E-Fahrzeug hat langfristig eine deutlich bessere Ökobilanz als ein Verbrenner und Sie emittieren auch CO2, einfach nur weil Sie existieren.



              Sie haben immer noch nicht beantwortet, was Sie im Post weiter oben mit "Carcano" meinen.

              • @Stefan L.:

                Er meinte den Benutzer "Carcano", der weiter oben eine Post geschrieben hat.

                • @Rudi Hamm:

                  Ok, danke, habe ich wohl übersehen. :)