Marathon und Klimaproteste: Schneller auf den Müll
Der große Klima-Protest blieb beim Berliner Marathon aus. Gut so – dabei gibt es genug Gründe, Großevents dieser Art aus Öko-Sicht zu kritisieren.
R echt haben und Recht bekommen, das sind zwei Paar Schuhe. Das mussten die Aktivist:innen der Letzten Generation am Sonntag mal wieder erfahren, die sich diesmal nicht Autofahrer:innen in den Weg setzten, sondern beim Berlin-Marathon für eine radikale Wende in der Klimapolitik demonstrierten. Sie kippten ein paar Eimer Farbe auf die Laufstrecke, wurden umgehend von der Polizei geräumt, und der Marathon konnte ohne Probleme gestartet werden.
Zum Glück, muss man sagen. Denn hätten sich die Klimakämpfer:innen in gewohnter Manier auf den Asphalt geklebt, wäre das Medienecho fatal gewesen – für die Klimapolitik. Eine Blockade von Läufer:innen, die die ökologischste Fortbewegungsart überhaupt nutzen, wäre schlichtweg nicht kommunizierbar gewesen.
Dabei ist in Zeiten der Klimakrise auch Nachdenken über solche Megaevents unumgänglich. Zwar werden Läufer:innen neuerdings an der Strecke mit wiederverwertbaren Plastikbechern versorgt. Aber gleicht das die CO2-Emissionen, die durch die Anreise der Massen aus aller Welt nach Berlin entstehen, etwa aus?
Zudem ist das Laufwochenende leider längst nicht mehr nur ein faszinierender Ort der Begegnung, sondern ein Werbeevent für die Wegwerfgesellschaft. Das zeigt nichts besser als die Äthiopierin Tigst Assefa, die am Sonntag nach nur 2:11:53 Stunden ins Ziel lief. Sie unterbot den alten Weltrekord damit um mehr als zwei Minuten.
Ultra-unökologische Schuhe
Mitverantwortlich für die Fabelzeit sind Assefas neue Schuhe, die am Sonntag erstmals im Einsatz waren. Sie sind rund 40 Prozent leichter als andere Topschuhe. Sie sind mit 500 Euro ultrateuer. Und sie sind ultra-unökologisch. Denn sie sind nur für einen einzigen Marathonlauf konstruiert. Damit erreicht der Anbieter mit den drei Streifen, der seinen Wunderschuh direkt nach dem lukrativen Weltrekord in den Handel wirft, Dimensionen, die selbst unter Marathon-Enthusiasten als krass gelten. Klassische Laufschuhe sind nur halb so teuer. Und erst nach bis zu 1.000 Kilometern durch.
Schneller ins Ziel, schneller auf den Müll. Diesen ökologischen Fußabdruck der Läuferszene hat die Letzte Generation mit Farbe sichtbar gemacht. Nur verstehen wird es kaum jemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt