Leistungskontrollen bei Onlinehändler: Zalando überwacht Beschäftigte
Mit einer Software sollen Angestellte des Internetunternehmens sich gegenseitig bewerten. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert das scharf.
Verdi beruft sich auf eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Darin beschäftigen sich zwei Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität mit der Software „Zonar“, die seit etwa drei Jahren vor allem im Officebereich von Zalando zum Einsatz kommt.
„Zonar ist ein Beispiel für ein umfassendes System des algorithmischen Managements, basierend auf Rating- und Scoringtechnologien“, erläutern die Studienautoren Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke. Im Kern sei es „ein Instrument zur Erzeugung und Legitimierung betrieblicher Ungleichheit sowie zur Leistungsvermessung und Kontrolle von Arbeit“.
Zonar orientiert sich weitgehend am Vorbild von Bewertungsportalen im Internet. Der gravierende Unterschied: Nicht Kund:innen bewerten ein Produkt, sondern Beschäftigte evaluieren sich gegenseitig. „Die Beurteilung erfolgt abteilungsübergreifend und über einige Hierarchieebenen hinweg“, schreiben die Autoren. Im Regelfall würden jedoch vor allem Kolleg:innen aus dem alltäglichen Arbeitsumfeld bewertet.
Zu viele gute Bewertungen unerwünscht
„Die horizontale Kontrolle, die mit Zonar implementiert wird, ist eine besonders umfassende Form der Leistungsüberwachung“, urteilen Staab und Geschke. Da es wohl in der Anfangsphase im Schnitt zu viele gute Bewertungen gegeben habe, seien mittlerweile die Regeln verschärft worden: Nun sei es verpflichtend, in den umfassenden Leistungsbeurteilungen ebenso viele Schwächen („Entwicklungsfelder“) wie Stärken („Fähigkeiten“) anzugeben.
Auf Basis der gesammelten Informationen erstelle dann ein Algorithmus individuelle Beschäftigten-Scores, die wiederum der Einteilung der Belegschaft in drei Gruppen dienten: Low-, Good- und Top- Performer – mit Auswirkungen auf eventuelle Beförderungen oder Gehaltserhöhungen.
Im Prinzip sei jede:r Beschäftigte dazu angehalten, permanent Aufzeichnungen zum Verhalten der Kolleg:innen anzufertigen, um deren Leistung, Stärken und Schwächen in Echtzeit zu bewerten, konstatieren Staab und Geschke. Das Betriebsklima leide, der Stress nehme zu, analysieren die beiden Soziologen auf Basis von Interviews mit Beschäftigten. So hätten Zalando-Mitarbeiter:innen ihnen gegenüber von einer „360-Grad-Überwachung“, „Stasi-Methoden“ oder einem „System der kompletten Kontrolle“ gesprochen.
Zalando weist jegliche Kritik zurück
In einem schriftlichen Statement widersprach Zalando „entschieden“ den Ergebnissen der Studie. Diese sei nicht repräsentativ und enthalte „grobe faktische Fehler“. So stimme die Aussage nicht, die Mitarbeiter:innen seien „in keinerlei Prozesse der Mitbestimmung eingebunden“ gewesen. „Tatsächlich ist die Einführung und Weiterentwicklung von Zonar nach dem Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig und wurde von Zalando-Betriebsräten mitbestimmt“, so das Unternehmen.
Auch Probleme mit dem Betriebsklima bestreitet das Unternehmen. So habe eine aktuelle interne Umfrage ergeben, dass 67 Prozent der Mitarbeiter:innen Zalando „als guten Arbeitgeber weiterempfehlen“ würden. Nur 13 Prozent erwägten einen Firmenwechsel. „Bei Zalando ist Transparenz und eine offene Feedbackkultur seit jeher gelebte Realität“, schwärmt der Versandhändler. Eine Beteiligung an der Studie hatte Zalando abgelehnt.
Nach Unternehmensangaben nutzen mehr als 5.000 der rund 14.000 Beschäftigten derzeit Zonar. Dabei würden alle datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten. „Wir glauben, dass wir den Mitarbeitern mit Zonar sehr entgegenkommen“, rechtfertigte Zalando-Personalchefin Astrid Arndt den Einsatz der Software gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Jetzt fließt ein, wie Kollegen, firmeninterne Kunden und Führungskräfte über einen denken“, so Arndt. „Dieses System ist fairer als vorher.“
Verdi-Vorstandsfrau Nutzenberger bleibt bei ihrer Kritik: Die Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeige „eindringlich, wie weit durch Algorithmen gesteuerte Kontrollen in den Alltag eingreifen und wie arbeitnehmerfeindlich sie sind“. Sie seien „intransparent, setzen die Beschäftigten in permanente Konkurrenz zueinander, missachten den Datenschutz und dienen dem Unternehmen als billige Ausrede, warum man keine Tarifverträge abschließen will“.
Für die Beschäftigten mündeten solch neue Formen der digital gestützten Leistungskontrolle „in Überwachung, Druck und Arbeitshetze“. Unternehmen wie Zalando oder auch Amazon versuchten, mehr und mehr den Schutz der Beschäftigten auszuhöhlen und seien „damit Vorreiter für einen neuen Trend in der digitalen Arbeitswelt“, kritisierte Nutzenberger.
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