Lebensmittelkennzeichnung in der EU: Streit um Nutri-Score-Pflicht
Die EU-Staaten sind uneins über die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Nun fordern Verbraucherschützer mehr Einsatz von Minister Özdemir.
„Schaut die deutsche Regierung den populistischen Anti-Nutri-Score-Kampagnen einiger Mitgliedsländer weiterhin passiv zu, trägt auch sie die Verantwortung dafür, sollte der Nutri-Score scheitern“, schreibt der Verband in einem Brief an das Ministerium, der der taz vorliegt. Es sei unverständlich, „dass die deutsche Regierung sich bislang so zurückhält mit einer öffentlichen Positionierung.“
Laut Robert-Koch-Institut sind zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland übergewichtig. Ähnlich ist die Lage in anderen EU-Ländern. Übergewicht kann chronische Krankheiten begünstigen. Mithilfe des Nutri-Scores sollen VerbraucherInnen deshalb leichter erkennen können, welche Nahrungsmittel gesünder oder ungesünder sind.
Der Score stuft Lebensmittel mit den Buchstaben A (dunkelgrün hinterlegt) bis E (rot) ein. Rotes E heißt: zu fettig, zu süß und/oder zu salzig – auf jeden Fall zu ungesund. Verbraucherschützer wollen, dass der Nutri-Score auf allen verarbeiteten Lebensmitteln stehen muss. Momentan ist die Nutzung freiwillig.
Vor allem Italien will eine Pflicht zum Nutri-Score verhindern. Die dortige Lebensmittelbranche befürchtet Umsatzeinbußen, wenn etwa ihr Parmesan oder Schinken wegen hoher Fett- und Salzgehalte mit einem D oder E gebrandmarkt würden. „Man sollte Parmesan eben nicht in rauen Mengen essen“, sagte dazu Foodwatch-Sprecherin Sarah Häuser der taz. Nach der traditionellen mediterranen Ernährungsweise würden ja auch viel mehr frisches Gemüse und Hülsenfrüchte verzehrt.
„Wir machen uns große Sorgen, dass die EU-weite Einführung des Nutri-Score als wirksamstes Modell der Nährwertkennzeichnung scheitert“, warnt Foodwatch in dem Brief. Unter den Mitgliedstaaten sei der Score zwar umstritten, aber ein Großteil sei noch unentschieden. „Die EU-Kommission plant nun nach unseren Informationen, dieser Uneinigkeit mit einem Kompromiss zu begegnen und ein komplett neues System vorzuschlagen.“ Das würde die Einführung einer wirksamen Kennzeichnung um Jahre zurückwerfen und die Verbraucher verwirren, so die Kritik.
Auch sei der Nutri-Score durch wissenschaftliche Erkenntnisse abgesichert. „Ein neues System einzuführen öffnet Tür und Tor für Interessengruppen, diese Unabhängigkeit zu untergraben und damit die Lenkungs- und Informationswirkung einer Nährwertkennzeichnung zu schwächen“, fürchtet Foodwatch. Deshalb müsse Deutschland beim Treffen der EU-Ernährungsminister am 12. Dezember „vehemente Stellung beziehen für die Einführung des Nutri-Score“ als verpflichtende Kennzeichnung auf der Vorderseite der Verpackung.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!