piwik no script img

Lauterbachs MedizinforschungsgesetzMehr Pharma soll nach Deutschland

Die Bundesregierung will die hiesige Pharmabranche stärken. Forschung und Produktion sollen wieder mehr in Deutschland stattfinden.

Will mehr Forschung nach Deutschland holen: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, hier bei einer Pressekonferenz am 1.12. in Berlin Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin dpa | Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will deutlich mehr Forschung für den verstärkten Kampf gegen Krebs, Infektionen und andere schwere Krankheiten nach Deutschland holen. Ein neues Medizinforschungsgesetz solle dazu noch vor Weihnachten auf den Weg kommen, sagte Lauterbach am Freitag in Berlin.

Deutschland sei bei Pharma-Innovationen in den vergangenen Jahren stark „zurückgefallen“. So gebe es in Großbritannien zehn Mal so viele Patente wie in Deutschland und 20 Mal so viele Ansiedlungen einer tatsächlichen Produktion. Das Ziel sei nun eine „Reindustrialisierung in Deutschland“ in dem Bereich.

Durch verstärkte Forschung solle auch mehr im Anschluss stattfindende Produktion neuer Medikamente nach Deutschland geholt werden. „Wo geforscht wird, findet auch die Produktion statt“, sagte Lauterbach.

Die Gesetzespläne sähen nun eine ganze Reihe von Neuerungen vor. Lauterbach sagte: „Wir werden hier eine Aufholjagd bei den klinischen Studien machen.“ Konkret ist Bürokratieabbau geplant: So sollen unter anderem bestimmte klinische Studien künftig nur noch bei einer Stelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt werden müssen. Innerhalb von 25 Tagen soll der Genehmigungsprozess abgeschlossen werden. Insbesondere vorgeschriebene Prüfungen zu Fragen der Ethik, des Strahlen- und des Datenschutzes sollten vereinfacht werden.

Mehr Daten für die Forschung

Ziel ist es auch, den Forscherinnen und Forschern mehr Zugang zu Gesundheitsdaten zu eröffnen. Dazu sollen nach Angaben Lauterbachs drei Gesetze, die derzeit erarbeitet würden, zusammenwirken – neben dem nun angekündigten Medizinforschungsgesetz auch ein Gesetz über eine breitere Nutzung von Gesundheitsdaten sowie das geplante Digitalgesetz für die Einführung einer elektronischen Patientenakte für alle Versicherten. Diese Gesetze würden den Pharma-Forschungsstandort Deutschland „deutlich verstärken“, sagte der Minister.

Daten, die bei der Abrechnung von Behandlungen anfielen, sollen künftig bundesweit zusammengeführt werden, wie Lauterbach sagte. Auf diese Weise solle die Forschung sie besser nutzen können. Hierfür gebe es Kooperationen etwa mit den USA und Großbritannien.

Dem Aufbau neuer Produktionsstätten in Deutschland sollten zudem „gezielte Förderinstrumente“ dienen, schreibt das Gesundheitsministerium in einem Strategiepapier. Diese würden gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium geprüft. So sollten Start-up-Unternehmen mit steuerlichen Anreizen für Ansiedlungen gewonnen werden. Lauterbach zeigte sich hier trotz der aktuellen Haushaltskrise optimistisch. Das Wirtschaftsministerium habe „hier kluge Ideen“.

Im Einklang seien die Pläne für eine Stärkung des Pharmastandorts mit den Ergebnissen eines Spitzengesprächs bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Vortag. Bei dem sogenannten Pharmagipfel hatten unter anderem Spitzenvertreter der Pharmaindustrie, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) teilgenommen. Ergebnisse waren nicht mitgeteilt worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • "Bei dem sogenannten Pharmagipfel hatten unter anderem Spitzenvertreter der Pharmaindustrie, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) teilgenommen. Ergebnisse waren nicht mitgeteilt worden."



    Hoffentlich sitzt bei den entscheidenden Prozessen auch der Tierschutz mit am Tisch, denn die Methoden der Pharmafirmen mit Forschungsprojekten sind doch in Fachkreisen sehr umstritten:



    /



    Zum Anteil bei Tierversuchen - als (!)Teilgruppe der für die Medizin veranlassten Reihen:



    "Translationale und angewandte Forschung



    Erforschung von Erkrankungen von Menschen und Tieren, rund 14 %



    Hierunter fallen Tests an Tieren für die Medikamentenentwicklung. Tiere dienen dabei als „Krankheitsmodelle“. In der Krebsforschung etwa werden seit Jahrzehnten Mäusen Tumorzellen implantiert, dann wird versucht, die künstlich erzeugte Krankheit zu heilen. Die Prozedur ist mit großem Leid für die Tiere verbunden und Therapien für das komplexe Krankheitsgeschehen beim Menschen resultieren daraus keine. Ein Herzinfarkt wird simuliert, indem Hunden oder Mäusen ein Herzkranzgefäß abgebunden wird, Parkinson und Diabetes werden durch Injektion von Giften ausgelöst."



    Quelle: aerzte-gegen-tierversuche.de



    Modelle zu entwickeln, die Tierversuche unnötig machen, wäre ein schönes Ziel für einen neuen renommierten deutschen Innovationspreis. Und mit KI und suffizienter internationaler Vernetzung, z.B. als Register bei der WHO, wäre hier vielleicht auch ein Staat zu machen. Konkurrenz belebt vielleicht das pekuniäre Geschäft, kostet aber Millionen Tierleben, eben nicht gratis, aber "umsonst".

  • In den letzten Jahren beschäftigten uns in mehreren Zusammenhängen Lieferengpässe bei Medikamenten.



    Die Pharmaindustrie hier positiv zu unterstützen und Standortsicherung durch Innovationsförderung zu betreiben, halte ich für eine gute Idee.

  • "Mehr Daten für die Forschung",



    auch "der gläsrerne Patient" genannt. Klabauterbach will doch tatsächlich Patientendaten, angeblich gut anonymisiert uns sicher (gab es das je?), an Konzerne weitergeben.



    Am besten gleich an Allianz & Co. damit sie das Risiko in ihre Versicherungen einkalkulieren können, oder an die Banken, damit sie wissen ob man den Kredit überhaupt noch zurück bezahlen kann.



    Wo es Daten gibt, gab es schon immer Missbrauch, deshalb bin ich strikt gegen Klabauterbachs Vorschläge. Ich glaube jetzt schlägt es dreizehn.

    • @Rudi Hamm:

      Wenn Sie online kommentieren, scheinen Ihnen Ihre Daten ja nicht so wichtig zu sein. Kognitive Dissonanz oder einfach nur inkonsistente Maßstäbe? Hier geht's um Gesundheitsdaten für die klinische Forschung und nicht um individuelle Patientendaten für Versicherungen, Banken und Konzerne. Ohne Big-"Gesundheits"data sind medizinische Innovationen leider erheblich schwerer zu erzielen. Es ist angebracht, das so kritisch und aufmerksam zu beobachten wie nötig - aber eben auch so unaufgeregt wie möglich.

      • @O sancta simplicitas:

        ich glaube auch an den Weihnachtsmann!

      • @O sancta simplicitas:

        Auf freiwilliger Basis ja, sonst nein!