Infektionsgeschehen um Corona: Bis die Grippe obendrauf kommt
Die Coronazahlen sind so hoch wie lange nicht mehr. Risikopatient*innen sollten sich mit Masken schützen.
Berlin/Bremen taz | So hoch wie aktuell war die Corona-Infektionslast in den letzten anderthalb Jahren nicht und die Zahlen steigen weiter an. Dass die Krankenhäuser trotzdem nur wenige Patient*innen auf den Intensivstationen sehen, sorgt unter Expert*innen für Gelassenheit. Eine „typische jahreszeitliche Infektionslage“ sieht etwa der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Der taz sagte der Professor am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, er sehe anhand der verfügbaren Daten keine Anzeichen dafür, dass es wieder sinnvoll sei, sich etwa mit Masken vor Ansteckung zu schützen.
Für die Überwachung des Corona-Infektionsgeschehens ist das Abwassermonitoring an die Stelle von Testauswertungen getreten. An 128 Kläranlagen deutschlandweit werden mehrmals pro Woche Proben entnommen und untersucht. In der zuletzt ausgewerteten Kalenderwoche bis zum 4. Dezember ist der Anstieg besonders hoch. Allerdings sind bislang nur 69 Standorte in die Auswertung eingeflossen.
„Der Höhepunkt dieser Welle wird jetzt irgendwann kommen, hoffentlich noch vor Weihnachten und vor allem vor der Influenza-Welle“, sagte der Kölner Intensivmediziner Christian Karagiannidis am Montag der taz. Es seien überwiegend ältere Menschen ab 70, die im Krankenhaus mit den Folgen einer Infektion kämpften. Ansonsten sei die Immunität in der Bevölkerung in Bezug auf schwere Verläufe immer noch hoch.
Zu den Auswirkungen von Mehrfachinfektionen und der Gefahr von Long Covid sagte Karagiannidis: „Um darüber valide Aussagen treffen zu können, brauchen wir endlich Zugang zu den Gesundheitsdaten.“ Er verwies auf das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, das an diesem Donnerstag im Bundestag beschlossen werden soll.
Risikopatient*innen sollten sich mit Masken schützen
Zusätzlich zu den vielen Corona-Erkrankten sehen Expert*innen eine beginnende RSV-Welle, von der vor allem Kinder und ältere Menschen betroffen sein dürften. Auch die jährliche Influenza-Welle wird noch erwartet. „Diese drei Erkrankungen werden uns bis März beschäftigen“, prophezeit Karagiannidis. Er empfiehlt zumindest Risikopatient*innen, sich jetzt mit Masken zu schützen.
Sollte das Coronavirus so mutieren, dass es wieder gefährlich wird oder ein neues Virus auftreten, äußerte Epidemiologe Zeeb Zweifel, dass die Botschaft in der Bevölkerung ankäme. Die Kommunikation in den Pandemiejahren sei nicht systematisch genug gewesen, Medien hätten zu häufig Fehlalarm geschlagen. „Mein Vertrauen war vor der Pandemie größer, dass das System bei einer besonderen Notlage reibungslos funktioniert“, so Zeeb. Eine Aufarbeitung der Coronapolitik hält der Epidemiologe angesichts dieses „pandemischen Zeitalters“ für dringend notwendig.
Leser*innenkommentare
Suryo
Die meisten Leute sind aber auch dämlich. Jeden Morgen sind die öffentlichen Verkehrsmittel brechend voll; mein Eindruck ist, dass jede/r Dritte hustet und schnieft. Nur ca. jede/r Zehnte trägt Maske. Als ob niemand jemals etwas von Aerosolen gehört hätte. Als ob den meisten die paar Minuten Masketragen schlimmer erscheinen als zehn Tage Krankheit - und wenn's nur ne Erkältung ist.
Andreas_2020
Die bittere Frage ist doch, wann wird jemand zum Risikopatienten?
Ich habe das jetzt drei oder vier Mal gehabt, irgendwann bin ich dann auch in Gefahr, langfristige Folgen zu erhalten. Bin ich dann schon ein Risikopatient?
Oder darf und kann ich diese Krankheit noch so oft bekommen, bis ich irgendwann auch so krank werde, dass es lebensbedrohlich wird?
Nur mal so nebenbei in Hamburg fallen in der Hauptverkehrszeit inzwischen Busse einfach aus, das bedeutet, dass die doppelte Menge an Menschen einsteigen. Die Busse sind derart voll, man kann es nicht glauben, wenn das anderensorts auch so ist, wundert mich das nicht. Und wer will sich stundenlang mit Maske abplagen? Bei der Arbeit? Acht-Stunden mit Maske arbeiten?
lesnmachtdumm
DANKE dass ihr nicht zu den Märchenerzählerinnen gehört: "Es war einmal Corona". !!!!
48798 (Profil gelöscht)
Gast
Es gab leider keine kritische gesellschaftliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie.
Es gab leider auch nicht so etwas wie „Lesssons learned“
Die Pandemie wurde politisch für beendet erklärt und fast jeder war einfach froh darüber.
Insofern kann ich Hrn Zeeb bzgl seiner Skepsis beim Auftauchen gefährlicher Mutationen oder anderer Viren (H5N1 zB) nachvollziehen.
Wir würden in Deutschland dann leider nicht nur bei Null wieder anfangen alles neu zu lernen. Sondern bei weit weniger. Und hätten Millionen von Impfgegnern als Klotz am Bein
Ein modernes Infektionsschutzgesetz war mit den hiesigen Parteien ja leider nicht zu machen.
Vielleicht haben wir ja Glück …