Landwirtschaft in Juli Zehs Roman: Fiktion und Fakt
Im neuen Roman von Juli Zeh und Co-Autor Simon Urban geht's viel um Landwirtschaft. Sind die Darstellungen der Biobäuerin realistisch?
Der neue Roman von Juli Zeh und ihrem Co-Autor Simon Urban mit dem Titel „Zwischen Welten“ rückt auch die Landwirtschaft in den Blick: Eine Protagonistin ist Biobäuerin aus Brandenburg. Das Buch erweckt den Eindruck, ziemlich realistisch zu sein. Aber zentrale Szenarien sind eher unwahrscheinlich. Ein paar Beispiele:
Fiktion: Den Bauern im Buch geht es wirtschaftlich katastrophal. Der Biomilchviehbetrieb der Protagonistin Theresa ist beinahe pleite. Ein Biogasbauer bringt sich um, weil er vor dem Ruin steht.
Fakt: Gerade im Jahr 2022, in dem die Handlung spielt, haben Agrarunternehmen im Schnitt so viel verdient wie lange nicht mehr. Beispielsweise im Agrarland Nummer eins der Bundesrepublik, in Niedersachsen, erzielte jeder Betrieb im Schnitt 103.000 Euro Gewinn, wie der Verband der Landwirtschaftskammern errechnet hat. Im Großen und Ganzen könnten die Landwirte zufrieden sein. Grund waren vor allem die drastisch gestiegenen Preise etwa für Getreide und Rohmilch im Wirtschaftsjahr bis Ende Juni. Biogas boomt zwar nicht mehr, aber die Zahl der Anlagen ist seit Jahren stabil. 2022 ist sie nach einer Prognose des Fachverbands Biogas sogar um 1 Prozent auf knapp 9.880 gestiegen.
Fiktion: Theresa beklagt sich, die Landwirte würden „diskriminiert“ und nicht „respektiert“.
Fakt: In Umfragen zum Ansehen von Berufen schneiden Bauern regelmäßig sehr gut ab. Auf die Frage, welche Berufe auch in Zukunft besonders wichtig sein werden, landeten im Jahr 2022 Landwirte auf Platz 3 – hinter Ärzten und Pflegern. Kaum eine Branche subventioniert der Staat gemessen an ihrem Gewinn so stark: Die Landwirtschaft bekommt laut Bundesagrarministerium seit Jahren rund 50 Prozent ihres Einkommens aus steuerfinanzierten Zuschüssen speziell für die Branche.
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Fiktion: Bauern in Ostdeutschland würden ihr Pachtland verlieren, weil der Bund es etwa an Investoren aus den Niederlanden verkaufe, die die ortsansässigen Landwirte überbieten.
Fakt: Diese Praxis gab es zuweilen, aber nur bis Ende 2021. Damals verfügte die gerade gewählte Ampelkoalition zunächst, dass die Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) des Finanzministeriums vorerst kein Agrarland mehr verkaufen darf. Verpachtet werden durften die ehemals „volkseigenen“ Flächen zunächst nur an Ökobetriebe wie den der Protagonistin Theresa. Im November 2022 entschieden die zuständigen Ministerien dann, nur noch einen kleinen Teil der BVVG-Agrarflächen zu verkaufen. Etwa 74 Prozent der in Bundesbesitz verbliebenen 91.000 Hektar sollen „vorrangig an ökologisch bzw. nachhaltig wirtschaftende Betriebe“ verpachtet werden.
Fiktion: Theresa stellt Biogasstrom mehrmals als umwelt- und klimafreundlich dar. Er sei „grüner Strom“.
Fakt: In Wirklichkeit ist die Klimabilanz von Biogas laut Umweltbundesamt (UBA) schlecht. 75 Prozent des Biogases stammten aus Pflanzen wie Mais, die extra für die Kraftwerke angebaut werden, so die Behörde. Wenn diese Pflanzen auf Flächen wachsen, auf denen vorher zum Beispiel Futter erzeugt wurde, muss jenes möglicherweise importiert werden aus Ländern, in denen dafür Wald abgeholzt wurde. Zwar dürfen die Emissionen wegen dieser indirekten „Landnutzungsänderungen“ laut EU-Recht nicht in den offiziellen Bilanzen auftauchen.
„Sie sind jedoch gemäß der Mehrheit von Studien dazu signifikant hoch und können unter Umständen die positive Klimabilanz gegenüber der fossilen Referenz völlig zunichtemachen“, so das UBA. Selbst nach der offiziellen Statistik verursacht Biogas mehr Treibhausgase als andere erneuerbare Energien wie Windkraft oder Solar. Abgesehen davon wird der Mais für die Biogasanlagen oft in Monokulturen oder sehr engen Fruchtfolgen angebaut. Dadurch sinkt die Artenvielfalt.
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