Landwirt kämpft gegen Enteignung: Bauernaufstand mit Gülletank
Landwirt Ingo Knop hat bei Flensburg die Umgehungsstraße K8 gesperrt, weil sie sein Grundstück zerschneidet. Ein Gerichtsurteil gibt ihm Auftrieb.
Osnabrück taz | Es gibt Leute, die ziehen kuriose Aktionen durch. Zum Beispiel Ingo Knop. Am Mittwoch vergangener Woche, gegen 4 Uhr morgens, sperrt er im Dörfchen Tarup bei Flensburg die Kreisstraße 8. Schon seit über zehn Jahren kämpft Knop gegen die neue Ortsumgehung, auch juristisch. Die K8 zerschneidet Land, das ihm gehört.
Knop ist Landwirt. Auf rund 60 Hektar hält er Rinder, baut Raps, Futterrüben und Weizen an, verarbeitet Gras zu Silage. Rund 40 Meter trennen Knops Hof vom Bauabschnitt 4 der K8, längst fertiggestellt und 2019 für den Verkehr freigegeben – obwohl alle Verhandlungen zwischen Knop und der Kommune gescheitert sind, trotz Einbindung der Landgesellschaft Schleswig-Holstein.
Knop, formal um rund fünf Hektar enteignet, blickt heute jeden Tag auf einen Lärmschutzwall. „Ich wollte ein Zeichen setzen!“, erklärt er der taz seine Sperraktion. „Ich habe gedacht, jetzt hau' ich mal zurück!“
Für seine Blockade nutzt Knop, was sein Hof hergibt, vom Mähdrescher bis zum Anhänger. „Sackgasse!“, steht auf einem Güllewagen, „K8 gesperrt! Keine Wende möglich!“ Rundballen aus Stroh kommen zum Einsatz, Warndreiecke. Als die Polizei anrückt, weigert sich Knop, die Sperre zu räumen. Die Feuerwehr und Abschleppunternehmen kommen. Nach zwei Stunden lenkt Knop ein. „Ich wollte zeigen, dass das mein Grundstück ist, eine Privatstraße“, sagt er. „Für mich ist der Bau rechtswidrig.“
Klatsche vom Gericht
Anfang Mai hatte Bauer Knop mit einer Normenkontrollklage Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (OVG) hat den Bebauungsplan „Groß Tarup K8 (Nr. 272)“, schon 2016 für fehlerhaft und 2017 nachgebessert, für unwirksam erklärt.
Die 29-seitige Urteilsbegründung spricht von formellen und materiellen Fehlern. Sie tut es in Sätzen wie: „Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten im Plangebiet erfolgt insgesamt zu wenig detailliert; die Formulierungen in der Begründung erscheinen oberflächlich und im Wesentlichen austauschbar.“
Knop sagt: „Erst war's blöd für mich, jetzt ist's blöd für die Stadt.“ Er findet: „Eigentlich müsste die Straße zurückgebaut werden.“ Früher habe er auf seine Hofkoppel nur 30 Meter gebraucht, jetzt müsse er einen kilometerlangen Umweg fahren. Schon 2018 hatte Knop die im Bau befindliche Straße gesperrt. „Damals habe ich Baumstämme genommen“, sagt er. Und dann listet er auf, warum er die K8 ablehnt: Sie schädige seinen Betrieb, zerstöre Natur, sei verkehrlich sinnlos.
Für die Stadt Flensburg ist das OVG-Urteil peinlich. Es gibt Knop nicht in Gänze Recht. Es zweifelt beispielsweise nicht an der städtebaulichen Erforderlichkeit der K8. Aber es geht mit der Stadt hart ins Gericht. Worte wie „oberflächlich“ und „vage“ fallen.
Faktencheck der Stadt
Steht nun womöglich ein Rückbau an, inklusive der Rückzahlung von Straßenbau-Fördergeldern in Millionenhöhe? „Das OVG hat zum B-Plan entschieden, nicht zum Bau bzw. zur Enteignung“, sagt Christian Reimer, Sprecher der Stadt, auf taz-Anfrage. „Das Gericht hat gesagt, dass unsere Abwägung fehlerhaft war. Der Fehler kann korrigiert werden.“ Das sei „eingeleitet“.
Schon früh hatte die Stadt versucht, die aufgeheizte Atmosphäre mit einem „Faktencheck“ abzukühlen: „Behauptungen und Richtigstellungen rund um den Weiterbau der Taruper Ortsumgehung K8“. Es seien „Angebote zum Erwerb der Flächen, auch weit über dem Verkehrswert, gemacht, sowie wirtschaftlich gleich- und höherwertige Tauschflächen von Herrn Knop gefordert und von der Landgesellschaft auch angeboten“ worden, steht auf der Website der Kommune.
„Alle Angebote wurden abgelehnt.“ Eine gütliche Einigung sei „immer das oberste Ziel der Stadt“ gewesen, die Enteignung „das letzte Mittel“.
Die „Bürgerinitiative Tarup“, die sich für Knop gegründet hat, aus einem „Gefühl der Ohnmacht der Stadtverwaltung gegenüber“, als ein Kampf der Kleinen gegen die Großen, sieht das anders. Eine Menschenkette hat sie auf die Beine gestellt, eine Unterschriften-Petition, Demos, eine Facebook-Gruppe. Auch eine Verlegung der K8 sei möglich gewesen, sagt sie, die Verlegung oder der Verkauf des Hofes. Durch die Enteignung spare die Stadt.
Strafverfahren wegen Nötigung
Wer Knop fragt, warum er die K8 gesperrt hat, hört teils Argumente, in denen es gar nicht um das Grundeigentum geht. Auf den Lärmschutzwällen wachse Jakobskreuzkraut, giftig für Weidetiere. „Das wird ja nicht richtig gepflegt.“ Knop fühlt sich „in die Mangel genommen“. Er vermutet: „Die hätten am liebsten, dass ich meine Landwirtschaft aufgebe!“
Die Sperrung hat für Knop Konsequenzen. Ein Strafverfahren „wegen Nötigung und Gefährdung des Straßenverkehrs“ sei eingeleitet, teilt die Polizeidirektion Flensburg mit. Auch gerichtlich geht es weiter. Das OVG hat zwar eine Revision ausgeschlossen. Aber Stadtsprecher Reimer sagt: „Rechtsmittel sind eingelegt“. Wie Flensburgs Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht ausgeht, ist offen.
Leser*innenkommentare
Bolzkopf
Das geschehene Unrecht ließe sich ja leicht heilen - aber dann müssten ja gewisse Entscheidungsträger mal einen Fehler zugeben.
Ich würde sagen: Dem geschädigten Grundstückseigentümer steht eine Miete zu. Die Strasse ist ja als Gewerbefläche anzusehen (Maut) und daher muss sich die Miete an entsprechenden Gewerbegrundstücken bemessen.
Alternativ wäre natürlich auch die Errichtung von Mautstationen.
Aber auch hier gilt: Die Politiker haben Scheiße gebaut. Große Scheiße.
Aber anstatt den Fehler zuzugeben, geht es vor das Verfassungsgericht.
Das Verfassungsgericht kann doch eine Mißbrauchsgebühr festlegen -ist da jemals geschehen ?
DiMa
@Bolzkopf Das Verfassungsgericht kann selbstverständlich keine wie auch immer gearteten Gebühren festlegen.
659975 (Profil gelöscht)
Gast
Herr Knop ist eben nur Landwirt. Er hätte sich ein paar Aktivisten der "letzten Generation" einladen sollen, die sich dann auf der Strasse festkleben.
Das hätte mehr Wirkung gehabt.
DiMa
Herr Knop hat einen Fehler gemacht und die Straße selbst gesperrt. Hätte er sich zwei Mitaktivisten gesucht, dann wäre es eine Demo gewesen.