Lage im Libanon: Israel weitet Kampfzone aus
Das israelische Militär plant einen Marine-Einsatz an der libanesischen Südküste. Die Bevölkerung fürchtet eine Besetzung.
Israels Marine werde dort bald in libanesischen Gewässern gegen die Hisbollah vorgehen, so Adraee. Der Awali liegt 60 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt, tief im Landesinnern. Südlich befinden sich etwa die größeren Städte Sour, Saida und Nabatiyah. Aus dem Gebiet ist ein großer Teil der Zivilbevölkerung geflohen.
Derweil gehen auch die Luftangriffe auf den Südlibanon, wie auch auf die östliche Bekaa-Ebene und auf Südbeirut weiter. Ein Luftangriff auf Südbeirut erfolgte am Dienstagmittag etwa kurz nach dem Ende einer im hisbollahnahen TV-Sender Al-Manar übertragenen Rede des Hisbollah-Vizechefs Naim Qassem. Darin betonte er: Das Ziel der Hisbollah im Krieg gegen Israel sei es, „Gaza zu helfen und den Libanon zu verteidigen“. Nun sei klar geworden, dass Israel von Anfang an ein Auge auf den Libanon geworfen habe.
Die Sorge, dass das Ziel einer israelischen Bodenoffensive sein könnte, Teile des Südlibanon erneut zu besetzen – so wie Israel es bis 2000 tat –, teilen so einige im Libanon. Israel hat hingegen immer wieder betont, es gehe in „gezielten, lokalen“ Operationen gegen Stellungen der Hisbollah, die die eigene Bevölkerung in Nordisrael bedrohen, vor. Dass das israelische Militär aber immer weiter nördlichgelegene Orte auf die Evakuierungsliste setzt, lässt viele daran zweifeln. Das israelische Militär hatte außerdem am Sonntag ein drittes Bataillon in den Libanon geschickt.
Unterschiedliche Opferzahlen
Qassem erklärte weiter: Die Verluste „des Feindes“ im Norden seien groß, doch Israel gebe sie nicht bekannt und zensiere die Medien. Tatsächlich unterscheiden sich die Zahlen, die Israel bekannt gibt, deutlich von denen, die in libanesischen Medien und Telegram-Kanälen auf Basis von Hisbollah-Angaben kursieren. Unabhängig bestätigen lassen sich beide nicht. Nach israelischen Angaben beläuft sich die Zahl der getöteten Soldaten der Bodenoffensive in den Libanon auf 11.
Auch dass Israel sein Kriegsziel – die Rückkehr seiner Bevölkerung an die Nordgrenze – nicht erreichen werde, betonte Qassem, an Netanjahu gerichtet: „Wie werden sie wieder und wieder vertreiben.“ Wie genau Israel dafür sorgen will, dass die Hisbollah nach einem Abzug seiner Bodentruppen aus dem Libanon nicht an die Grenze zurückkehrt, hat Netanjahu bisher nicht bekannt gegeben.
Kurz vor Beginn der Bodenoffensive hatte der Interims-Ministerpräsident des Libanon, Najib Mikati, erklärt, das Land sei bereit, die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats endlich umzusetzen. Diese beendete 2006 den Krieg zwischen Hisbollah und Libanon und sollte hätte dafür sorgen, dass er sich nicht wiederholt: Unterhalb des Litani, eines 30 Kilometer von Israels Grenze entfernten Flusses, solle es außer der libanesischen Armee und der UN-Beobachtungsmission Unifil keine bewaffneten Kräfte geben. Das gilt auch für die israelische Armee. Umgesetzt wurde sie nie.
Im Straßenbild der libanesischen Hauptstadt Beirut scheint derweil die Präsenz des Militärs zuzunehmen – unbestätigten libanesischen Quellen zufolge auch in Gebieten, die vor der jüngsten Eskalation von der Hisbollah kontrolliert wurden.
Raketenangriffe auf Haifa
Dass die Miliz trotz der Bodenoffensive und der massiven Luftwaffenkampagne Israels weiterhin befähigt ist, Israel anzugreifen, zeigte sie etwa am Dienstag erneut: Über 100 Raketen schoss die Hisbollah auf Haifa, nach israelischen Angaben wurden viele abgefangen, mindestens eine Person wurde verletzt.
Nach jüngst vom Militär veröffentlichten Daten wurden aus dem Libanon im Laufe des vergangenen Jahres über 12.400 Raketen auf Israel abgefeuert. Israel selbst gibt an, mindestens 11.000 „Hisbollah-Positionen im Libanon“ beschossen zu haben. Nach libanesischen Angaben wurden viele zivile Ziele attackiert, es gebe bisher 2.000 Tote und 1,2 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour