Längere Laufzeiten der AKWs: Es bleibt eine Phantomdebatte

Die letzten Atommeiler länger am Netz? Das ist weder wünschenswert noch umsetzbar. Und es würde die Abhängigkeit vom russischen Gas kaum verringern.

Blick auf die eines Kernkraftwerk bei strahlend blauen Himmel

Das Kernkraftwerk Isar 2 in Landshut soll Ende 2022 abgeschaltet werden Foto: Andreas Haas/imago

Wirklich überraschend kommt die Debatte nicht: Die Befürworter der Atomkraft nutzen nun auch den Krieg in der Ukraine, um den deutschen Atomausstieg infrage zu stellen. Und tatsächlich mag es auf den ersten Blick ja sinnvoll erscheinen, die verbliebenen deutschen AKWs länger laufen zu lassen, um weniger Gas aus Russland nutzen zu müssen. Doch bei genauerer Betrachtung ist diese Option weder umsetzbar noch wünschenswert.

Zum einen ist eine deutliche Verlängerung der Laufzeiten kurzfristig schlicht nicht möglich. Die Reaktoren sind aufgrund der geplanten Stilllegung so gefahren worden, dass am Jahresende der gesamte Kernbrennstoff verbraucht sein wird – und eine komplette Neubefüllung hat einen Vorlauf von mindestens zwei Jahren.

Zudem ist aufgrund des absehbaren Betriebsendes zuletzt auf die eigentlich fälligen umfassenden Sicherheitsüberprüfungen verzichtet worden. Der Weiterbetrieb würde somit ein erhebliches Risiko darstellen, weswegen die für die Reaktorsicherheit zuständige Umweltministerin dies bereits abgelehnt hat.

Zum anderen würde eine längere AKW-Laufzeit die Abhängigkeit von russischem Gas kaum verringern. Denn nur rund 15 Prozent des in Deutschland genutzten Erdgases werden in Gaskraftwerken genutzt. Und auch diese könnten keineswegs komplett durch AKWs ersetzt werden, denn die meisten Gaskraftwerke produzieren im Gegensatz zu den verbliebenen deutschen Reaktoren neben Strom auch Fernwärme für Wohnungen und Gewerbe.

Die Forderung nach längeren Atom-Laufzeiten bleibt damit eine Phantomdebatte, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Wer die Abhängigkeit von russischem Erdgas tatsächlich relevant verringern will, muss anderswo ansetzen: beim schnellen Austausch von Gasheizungen, in denen ein Drittel des Erdgases verbrannt wird, und bei der Umstellung von Industrieprozessen, für die ein weiteres Drittel genutzt wird. Doch dazu ist von den angeblich um die Gasversorgung besorgten Atomfreunden wenig zu hören.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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