Kunst der Woche: Eingeschränkter Bewegungsradius

Die Kunsttour führt in dieser Woche zu Vögeln, die im Käfig singen, Land-Art-Künstlerinnen ohne Reisefreiheit und auf einen Ausflug nach Biesdorf.

Bunte Sandskulpturen in Hügelform der Künstlerin Barbara Kozlowska an einem Strand in Edinburgh

Sandskulpturen der Künstlerin Barbara Kozlowska (1940-2008): die „Linii granicznej“ in Edinburgh Foto: Courtesy June Gallery

Fast wie ein Vogel im Käfig könnte man sich aktuell mitunter fühlen – wenn es regnet zum Beispiel. Ryder Morey-Weale hat Vögeln ein künstlerisches Denkmal gesetzt und dieses hat tatsächlich mit der Pandemie zu tun. Der Künstler war gerade in Shanghai, als Covid-19 ausbrach. Kurz bevor er China verließ, machte er Aufnahmen von in Käfigen gehaltenen Singvögeln auf den Straßen der Stadt.

Was er dabei beobachtete: Die vereinzelten Tiere reagierten mit ihrem Gesang in Ermangelung anderer Gesellschaft auf Straßenlärm, Hupen, Telefonklingeln und andere menschengemachte Geräusche. Morey-Weales Installation bei Bungalow bildet diese Situation nach. Vogelkäfige, überdeckt mit ausgehärtetem Textil, stehen dort herum, aus denen es tschilpt und tiriliert – untermalt und unterbrochen von den Geräuschen der Ritterstraße, die durch die geöffnete Tür in den Ausstellungsraum eindringen.

Grenzlinien von Ost nach West

Auch die polnische Künstlerin Barbara Kozłowska (1940-2008) war lange Zeit eingeschränkt in ihrem Bewegungsradius. Zwischen 1967 und 1990 arbeitete sie an einem Projekt, dem sie den Namen „Linii granicznej“ (Grenzlinien) gab. Ziel war es, über den Globus eine Linie von Ost nach West zu ziehen und dabei die Stellen, wo sich Land und Wasser berühren, mit kleinen konischen Skulpturen aus gefärbtem Sand zu markieren. Als Polin war Reisen für Kozłowska bis 1989 kaum möglich, sie verwirklichte Grenzlinien deshalb immer dort, wo sie überhaupt hinkommen konnte. Ihre Interpretation von Land-Art war eigenwillig und auch ein Weg, der staatlichen Kontrolle von Kunst aus dem Weg zu gehen.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Bungalow, Ryder Morey-Weale, bis 17. April, Ritterstr. 2a, Anmeldung über chertluedde.com

June, Barbara Kozlowska, bis 2. Mai, Strausberger Platz 19, Anmeldung über www.j-u-n-e.eu

Schloss Biesdorf, „Zeitumstellung“, bis 21. August, Alt-Biesdorf 55, Zeitfenstertickets über schlossbiesdorf.de

Gelegenheit, mehr über das Projekt und die in Deutschland kaum bekannte Künstlerin zu erfahren, gibt es aktuell – nach Voranmeldung – in den hübschen Räumen von June am Strausberger Platz. Camila McHugh hat die Ausstellung in Zusammenarbeit mit Kozłowskas Nachlass kuratiert. Fotografien sind dort zu sehen, Kozłowska am Baikalsee, in Edinburgh und auf Malta, schrill überlichtete Abbildungen ihrer Sandkegel. Eine kleine Vitrine zeigt dokumentarisches Material – Fotos, Broschüren, Karten, Notizen – so nebeneinander liegend, wie auch Kozlowska es ähnlich präsentiert hat.

Neue Denkräume aus dem Kunstarchiv Beeskow

Während es in Galerien und Projekträumen zum Teil möglich ist, noch für denselben Tag Zeitfenster zu ergattern, ist dies in Museen besonders am Wochenende Museen kompliziert bis unmöglich. Schon Tage bis Wochen ist dort oft alles ausgebucht. Etwas weiter weg, im Schloss Biesdorf etwa, kann man aber auch kurzfristig Glück haben. „Zeitumstellung“ heißt die aktuelle Schau, in der es freilich nicht um die von Samstag auf Sonntag verschwundene Sommerzeitstunde ging, sondern um die deutsch-deutsche Wende.

Werke aus dem Kunstarchiv Beeskow aus 40 Jahren DDR hat Kuratorin Elke Neumann dort mit zeitgenössischen Arbeiten zusammengebracht. Sie ergänzen sich, widersprechen sich, machen im Dialog neue Denkräume auf. Gemälde zum Thema Völkerfreundschaft von Walter Womacka oder Ingeborg Michaelis hängen dort in direkter Nachbarschaft zu Malte Wandels fotografisch-filmischer Recherche zu ehemaligen Ver­trags­ar­bei­te­r*in­nen aus Mosambik, die ihren Lohn von der mosambikanischen Regierung nie bekamen. Eine Skulptur von Inken Reinert aus ausgesonderten MDW-Möbeln steht zwischen Porträts von Paaren, die vermutlich mit diesen lebten. Es geht um Wohnungsbau und symbolträchtige Architekturen, um Naherholung und Berufstätigkeit, Privates und Politisches.

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Redakteurin für Berlin Kultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Für die taz schreibt sie vor allem über zeitgenössische Kunst, Musik und Mode. Für den taz Plan beobachtet sie als Kunstkolumnistin das Geschehen in den Berliner Galerien und Projekträumen.

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