piwik no script img

Kulturzentrum Oyoun in Berlin-Neukölln„Sie hoffen, dass wir aufgeben“

Dem Kulturzentrum Oyoun wurden nach Antisemitismus-Vorwürfen die Fördergelder gestrichen. Geschäftsführerin Louna Sbou sagt: zu Unrecht.

Nach dem Willen des Senats soll das Kulturzentrum Oyoun in Neukölln bis zum 15. April seine Sachen gepackt haben Foto: Klaus Martin Höfer/Imago
Interview von Susanne Memarnia

taz: Frau Sbou, das Oyoun hat die Senatskulturverwaltung verklagt, weil sie Ihnen die Zuwendungen gestrichen hat. Sie haben erst beim Verwaltungsgericht (VG) verloren, jetzt auch beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin. Was heißt das?

Louna Sbou: Verloren haben wir nicht, ganz im Gegenteil. Das OVG meint zwar, dass wir uns nicht ausreichend damit auseinandergesetzt hätten, dass es sich laut VG schon aus formalen Gründen nicht um eine Zusicherung für vier Jahre Förderung gehandelt habe. Aber das stimmt nicht, das VG hat genau gegenteilig entschieden.

Sie sagen, es gab eine Förderzusage für vier Jahre, die Kulturverwaltung bestreitet das und hat die Förderung zum Jahresende eingestellt. Sie haben als Beleg eine E-Mail vorgelegt.

Genau, wir haben eine E-Mail samt Anhang, der digital unterschrieben wurde, und wir haben sämtliche Gespräche und den E-Mail-Verkehr, die alle diese Zusicherung bestätigen. Das VG hat darum auch gute Gründe dafür gesehen, dass es eine Förderzusage für vier Jahre gibt. Trotzdem hat es uns in der Eilentscheidung leider keinen vorläufigen Rechtsschutz gewährt, damit wir die Förderung bis zum Entscheid in der Hauptsache weiter ausgezahlt bekommen. Darum machen wir nun eine Anhörungsrüge, notfalls legen wir Verfassungsbeschwerde ein.

Bild: David Oliveira
Im Interview: Louna Sbou

Die37-Jährige ist eine der drei Mitgründerinnen des Oyoun und agiert seit 2020 als Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin. Sbou ist studierte Wirtschafts­juristin, Kuratorin und Mentorin mit Schwerpunkt auf resiliente Teambegleitung, trans­nationale Solidarität und einem nichtwestlichen Ansatz für kollektives Schaffen.

Mit welchem Argument?

Es gibt ein internes Gutachten der Kulturverwaltung, das im Rahmen des Prozesses erstellt wurde. Daraus ergibt sich, dass es eine verbindliche Förderzusage bis Ende 2025 gibt – und dass es auch nach intensiver juristischer Untersuchung keinen haltbaren Grund gab, den Vertrag wegen „Antisemitismus“ oder ähnlichem zu widerrufen. Diese Akte hat die Kulturverwaltung dem VG erst nach Abschluss des Eilverfahrens vorgelegt – auch wir durften sie erst vor kurzem einsehen. Bis heute weigert sich die Kulturverwaltung, die vollständige Akte offenzulegen.

Was machen Sie nun damit?

Das Hauptverfahren läuft ja noch, wo endgültig entschieden wird. Mit diesem Gutachten der Verwaltung haben wir jetzt noch bessere Argumente zur Hand. Das Problem: Bis das VG entscheidet, kann es Jahre dauern. Darum hoffe ich sehr, dass es mit der Anhörungsrüge beim OVG klappt und wir bald wieder Gehälter für unsere Leute zahlen können.

Lassen Sie uns über die Ursache des Streits reden. Es ging um eine Veranstaltung der Jüdischen Stimme, ein paar Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel. Die Kulturverwaltung wollte, dass Sie den Verein ausladen. Warum haben Sie das abgelehnt?

Der Fall Oyoun

Der Streit zwischen dem Kulturzentrum Oyoun und der Kulturverwaltung begann 2022. Damals verlangte die Verwaltung erstmals die Absage einer Veranstaltung des Vereins Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost in den Räumen des Oyoun an der Neuköllner Lucy-Lameck-Straße. Der umstrittene Verein kritisiert die israelische Palästina-Politik scharf, Mitglieder sind teilweise BDS-Unterstützer*innen.

Als Oyoun sich weigerte, eine Veranstaltung der Jüdischen Stimme am 4. November 2023 abzusagen, drohten Verwaltung und Kultursenator Joe Chialo (CDU) mit dem Entzug der Finanzierung. Wochen später wollte Chialo von diesem Zusammenhang nichts mehr wissen, fortan hieß es, die Förderung sei ohnehin nur bis Ende 2023 bewilligt und laufe dann aus. Dagegen hat das Oyoun Klage eingereicht und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Letzterer wurde zuerst vom VG, vorige Woche dann auch vom OVG abgelehnt.

Der Fall hat internationales Medien­interesse erregt, da hier erstmals staatliche Förderung wegen eines Antisemitismus-Streits eingestellt wurde. Die New York Times etwa spricht von Cancel Culture und einer „Bedrohung der deutschen Reputation als Hort künstlerischer Freiheit“.

Der Versuch, Fördergeldbewilligungen an eine Antisemitismus-Klausel zu knüpfen, wurde von Kultursenator Chialo wenige Wochen später zumindest vorerst zu den Akten gelegt – selbst seine eigene Verwaltung hatte die Klausel als nicht rechtssicher bezeichnet. (sum)

Wir haben uns 2019 mit einem Konzept beworben, in dem wir ganz klar gemacht haben, wofür wir stehen, was deutsche Erinnerungskultur für uns bedeutet, was Dekolonialität, was Antirassismusarbeit und was pluralistische Gesellschaft bedeuten. Und warum es so wichtig ist, dass intersektionale Perspektiven einen Raum bekommen, auch wenn es unbequem ist, im historischen Kontext vielleicht eine Wunde aufzukratzen – und dass das zum Heilungsprozess dazugehört. Für uns war es nie ein Thema, bestimmte Gruppen auszuladen oder sie mundtot zu machen. Für uns war ganz klar, dass es in einer liberalen Demokratie, wie es Deutschland sein soll, möglich sein muss, dass es Räume für Ansichten wie die der Jüdischen Stimme gibt.

Sagen Sie, der Senat muss sich grundsätzlich raushalten aus dem, was die von ihm finanzierten Häuser machen?

Ich denke, die Förderrichtlinien des Landes Berlin oder auch des Bundes bilden eine sinnvolle demokratische Grundlage. Grundsätzlich gehören Kunstfreiheit, Staatsferne, Transparenz zu den wichtigsten Fördergrundsätzen. Die Kunst- und Meinungsfreiheit der geförderten Häuser darf nicht eingeschränkt werden.

Wo hört für Sie denn Meinungsfreiheit auf?

Es kann auf jeden Fall nicht sein, dass Kunstfreiheit da aufhört, wo es für den Kultursenator politisch zu brisant wird, wie es Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson bei einem Treffen mit uns gesagt hat.

Das hat sie gesagt?

Ja. Das war bei einem internen Video-Call. Wir waren alle total perplex. Das Meeting wurde dann abrupt beendet.

Trotzdem: Fällt es für Sie unter die Kunst- oder Meinungsfreiheit, den Terror der Hamas zu verharmlosen?

Was heißt das zum Beispiel?

Etwa, wenn man wie Judith Butler sagt, die Hamas sei eine „legitime Befreiungsbewegung“, oder den Terror vom 7. Oktober „Gefängnisausbruch“ nennt wie die Jüdische Stimme.

Ich persönlich würde das nicht sagen. Aber es gibt Menschen und Gruppen, die das tun – und es gibt im internationalen Kontext auch wissenschaftliche Arbeiten, die solche Statements stützen. Wir hier bei Oyoun sind keine Expert*innen, können jedoch beobachten, dass der 7. Oktober international anders kontextualisiert wird als in Deutschland. Dieser Perspektive wollen wir Raum geben.

Richtig ist, dass die Nahost-Frage in Deutschland auch innerhalb der Linken umstritten ist. Warum ist das Oyoun kein Haus, in dem darüber konstruktiv gestritten werden kann?

Das kann man. Es gibt hier auch Veranstaltungen, wo das passiert ist, zum Beispiel von Amnesty International Deutschland, die sich ganz anders positionieren als Amnesty International im globalen Kontext. Die Bundeszentrale für politische Bildung war auch hier. Wir geben durchaus den Raum für Stimmen, die wir kritisch sehen oder mit denen wir weniger d'accord sind. Es gab auch Diskussionsrunden zu antideutschen Positionen, nicht zuletzt bei unserem Festival im Dezember 2023. Ich finde das Argument, dass Antideutsche den Staat Israel als eine Art Ersatznationalismus nutzen, sehr spannend. Wir haben auch im Team Menschen, die mehr dem antideutschen Spektrum zuzuordnen sind – und das ist okay. Wir können uns darauf einigen, dass Gewalt keine Lösung ist und es immer eine Möglichkeit gibt, dass wir aufeinander zugehen und in Dialog treten. Ich kann aber nicht nachvollziehen, warum zum Beispiel der Verein Jüdische Stimme in Deutschland boykottiert werden sollte.

Zurück zu Ihnen: Das Oyoun sitzt nun ohne Förderung da. Trotzdem arbeiten Sie weiter, am 24. März eröffnet das Projekt „Gadag: Fäden der Erinnerungen“. Wie haben Sie das denn gemacht, ohne Geld?

Das geht nur, weil wir jetzt unbezahlt arbeiten – weil wir diese Arbeit so wichtig finden, weiterarbeiten wollen und auch die Künst­le­r*in­nen nicht hängen lassen werden. „Gadag“ ist Teil unseres kuratorischen Schwerpunkts „Mightier than a Trampled Flower“. In diesem Rahmen hatten wir schon mehrere künstlerische Projekte, die die Rollen von Frauen und queeren Allianzen in Kriegs- und Konfliktzeiten erforschen und offenlegen.

Und das ganz ohne Geld?

Wir haben dafür Projektgelder von der Lotto-Stiftung – unabhängig von der Grundförderung der Senatsverwaltung für Kultur, die uns gestrichen wurde. Doch auch bei diesen Projekten erschwert die Verwaltung uns jetzt die Umsetzung: Ende Februar erst haben wir erfahren, dass wir „Gadag“ bis Ende April umsetzen müssen statt wie vorher vereinbart bis August. Und wir haben noch ein Projekt von der Kulturverwaltung, das bis 2026 läuft – auch das versuchen sie zu widerrufen.

Es gibt also die Grundförderung – darum läuft der Prozess – und es gibt Geld für Einzelprojekte?

Ja, die sind unabhängig von der Grundförderung. Wobei diese Einzelprojekte auch beweisen, dass es eine vierjährige Zusage für die Grundförderung gibt. Denn sonst wären die Projekte, die teils bis 2026 laufen, ja gar nicht bewilligt worden. Die Kulturverwaltung selbst hat uns für drei Projekte Gelder bewilligt, die mehrere Jahre laufen. Das widerspricht natürlich ihrer Behauptung, sie habe uns nur eine Grundförderung für ein Jahr gegeben, die Ende 2023 „regulär“ ausgelaufen sei. Und seit wir diesen Zusammenhang vor Gericht aufgedröselt haben, sabotieren sie nun auch die Projektförderungen. Jetzt wurden wir aufgefordert, das Haus zum 15. April zu räumen, obwohl das von ihnen bewilligte Projekt bis 30. April läuft und wir darüber hinaus auch Programm haben. Man könnte meinen, sie wollen ein Scheitern der Projekte erzwingen.

Warum?

Sie hoffen wohl, dass wir aufgeben. Aber das tun wir nicht, wir kämpfen bis zum Ende. Das sind wir nicht nur uns und den Communities schuldig, sondern auch allen anderen Kultur- und Kunstprojekten, die gerade den Atem anhalten und sich nicht trauen, was zu sagen, aber sehr solidarisch sind uns gegenüber. Es hätte ja bis vor kurzem niemand gedacht, dass die Politik so im Nacken von Kunst und Kultur hängt und so einen Druck ausübt. Ich finde das gefährlich.

Weil Kultureinrichtungen Angst um ihre Förderung haben müssen?

Es gibt einmal die Einschüchterung, die Kunst und Kulturschaffende erleben, und zugleich eine massive Ausgrenzung. Was zum Beispiel passiert ist nach der Berlinale mit Yuval Abraham

…dem israelischen Regisseur von „No other land“, der bei der Preisverleihung wie sein palästinensischer Kollegen Basel Adra Israel kritisierte…

…und dann in Israel nicht mehr sicher war aufgrund der Antisemitismusvorwürfe aus der deutschen Politik gegen ihn. So etwas darf nicht unbeachtet bleiben. Ich spüre gerade sehr viel Hass und sehr viel Angst. Kein Wunder, dass viele Linke, auch Jüd*innen, das Land verlassen.

Sie verstehen das?

Ja, klar. Deutschland ist nicht sicher für progressive, linke, jüdische Intellektuelle. Es ist nicht sicher für Menschen, die nicht der politischen Ideologie der Regierung folgen. Wenn Po­li­ti­ke­r*in­nen oder auch Medien unhinterfragt Schuldzuweisungen und Narrative von radikalen Akteuren wie Volker Beck (ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft) aufgreifen und verbreiten, spielt es den Rechten, der AfD in die Hände. Auch wir im Oyoun bekommen unglaublich viele Hassnachrichten, es kommen immer wieder aggressive Leute hier rein – übrigens besonders oft, wenn gerade wieder ein Hetzartikel über uns im Tagesspiegel erschienen ist. Darum schließen wir jetzt immer ab und haben auch Security. Eine Mitarbeiterin, die bedroht wurde, ist schon aus Angst ins Ausland gegangen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

25 Kommentare

 / 
  • "Ja, klar. Deutschland ist nicht sicher für progressive, linke, jüdische Intellektuelle. Es ist nicht sicher für Menschen, die nicht der politischen Ideologie der Regierung folgen." Warum die Einschränkung? dass gilt für alle jüdischen Mitbüger*innen und die Bedrohung kommt sowohl von Nazis, Islamisten und Teilen der Linken.

  • "... wenn gerade wieder ein Hetzartikel über uns im Tagesspiegel erschienen ist."

    Kritische Berichterstattung über das Oyoun ist für Frau Sbou also "Hetze". So weit, so belanglos.

    "Wir hier bei Oyoun sind keine Expert*innen, können jedoch beobachten, dass der 7. Oktober international anders kontextualisiert wird als in Deutschland. Dieser Perspektive wollen wir Raum geben."

    Mit diesem Statement sagt sie allerdings völlig unverblümt, dass sie ihm Oyoun exakt das fortsetzen möchte, was ihr der Tagesspiegel zum Vorwurf gemacht hat: Nämlich militante Israelhasser und Antisemiten einzuladen, die das Massaker vom 7.10. bejubeln und deren Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates ist. www.tagesspiegel.d...youn-10864342.html

    Dass Frau Sbou meint, für dieses Treiben auch noch Anspruch auf Steuergelder zu haben, zeugt schon von einer bemerkenswerten Chuzpe.

  • "Ich persönlich würde das nicht sagen. Aber es gibt Menschen und Gruppen, die das tun – und es gibt im internationalen Kontext auch wissenschaftliche Arbeiten, die solche Statements stützen." Diese Art der Rhetorik erinnert mich stark an die mancher Rechten. Meinungsfreiheit total. Ich als Kulturmanager höre hier keine Kulturmanagerin, sondern eine Politaktivistin reden. Diese Leute sollten ein politisches Institut gründen. Im übrigen gilt für das Thema folgendes: Nach den Taten des 3. Reichs können wir Deutsche einfach mal für 200 Jahre beim Thema Juden die Klappe halten. Es gibt genügend andere Leute, die Israel kritisieren. Die brauchen uns nicht.

  • Ich bin gar kein Freund von dem -zigsten Zentrum für irgendwas, -wen, irgendwo, nur um Aktivisten m/w/d zu befrieden.



    Aber kritische Stimmen aus persönlichen opportunistischen Gründen zu ersticken geht nicht, zumal diese Stimme im Diskurs ja in fast jedem Land der Welt zu vermehmen ist, auch z.B. Israel selbst.

    • @Janix:

      Nun leben wir aber nicht in fast jedem Land der Welt, auch z. B. nicht in Israel.

      Und die Frage, ob es hier nun um "persönliche opportunistische Gründe" gwht, wäre noch zu beantworten.

      Ich kenne Frau Sbou nicht und möchte ihr nichts unterstellen.

      Wäre ich aber Antisemit und würtde Antisemitismus Raum geben wollen, würde ich exakt das sagen:



      "Wir hier sind keine Expert*innen, können jedoch beobachten, dass der 7. Oktober international anders kontextualisiert wird als in Deutschland. Dieser Perspektive wollen wir Raum geben."

  • Im Eilverfahren ist die Sache abgelehnt, die im Artikel benannten Anträge haben in der Regel keine Aussicht auf Erfolg; interne Rechtsgutachten sind unerheblich.

    Leider hat die Autorin nicht gefragt, ob Betreiberin, wie gefordert, zum 15.04.2024 ausziehen werde.

  • " ...und es gibt im internationalen Kontext auch wissenschaftliche Arbeiten, die solche Statements stützen. Wir hier bei Oyoun sind keine Expert*innen, können jedoch beobachten, dass der 7. Oktober international anders kontextualisiert wird als in Deutschland. Dieser Perspektive wollen wir Raum geben."

    Da muss man eben sagen, dass die Fördergelder vollkommen zu recht entzogen werden. Da kann es dann auch keine Diskussionen und keine Toleranz mehr geben. Die Vorwürfe gegen das Projekt gehen bis 2020 zurück. Antisemitismus ist hier die klare rote Linie.

    Und welcher Perspektive hier vor allem Raum gegeben wird, ist damit ja unmissverständlich gesagt.

    • @David Kind:

      Warum verbieten Sie die geistige Auseinandersetzung in der Sache, und warum soll es keine Diskussion und Toleranz mehr geben, wenn Fördergelder gestrichen werden?



      Wer nicht miteinander spricht und Diskussion verhindert, grenzt aus und spaltet die Menschheit.

  • Wenn ich richtig lese, ging es darum, daß Oyoun einer jüdischen Organisation "die jüdische Stimme" seine Platform nicht verweigert hat.

    Die Logik ist so: (1) weil der Bundestag irgendwie entschieden hat, daß BDS antisemitisch sei und (2) "die jüdische Stimme" sich mit BDS solidarisch erklärt hat, ist folglich (3) "die jüdische Stimme" antisemitisch und durch die Weigerung, sie auszuladen, ist vermutlich (4) auch Ayoun antisemitisch.

    Dieser Unsinn sollte einem wenigstens intellektuellen Schluckauf verursachen.

    • @Deutschfranzose:

      Der Bundestag hat also "irgendwie" entschieden, dass BDS antisemitisch wäre.

      Wenn Sie sich die Mühe machen, meinen diesbezüglichen Post weiter unten zu lesen, werden Sie sehen, dass im obersten Leitungsgremium von BDS Hamas, PFLP und Islamischer Jihad sitzen.

      Die verbergen das nicht einmal.

      Wir sind uns hoffentlich dahingehend einig, dass diese terroristischen Gruppen antisemitisch sind.

      Wenn Sie sich über die "Jüdische Stimme" informieren möchten, es gibt eine aktuelle Broschüre des iibsa zu diesem Verein:

      iibsa.org/de/neuer...gerechten-frieden/

      "Die Terroristen der islamistischen Hamas, die das Massaker am 7. Oktober 2023 verübten, werden als „Guerillakämpfer“ bezeichnet, die aus „ihrem Ghetto ausgebrochen“ seien."

      "In der Vergangenheit wurden mehrfach Kampagnen und Veranstaltungen der seit 2023 in Deutschland verbotenen PFLP-Vorfeldorganisation Samidoun unterstützt."

      • @Jim Hawkins:

        Danke für den Link.

        Dort ist schön zusammengestellt, wes Geistes Kind diese Truppe so ist. Was ich allerdings vermisst habe, ist eine ideologische Einordnung.

        Antizionistische Strömungen gab es ja auch schon im Judentum des späten 19. und 20. Jhs., teilw. von orthodoxer, teilw. von liberaler oder linker Seite. Aber mehr als "linkswirr" fällt mir zu den "Jüdischen Stimmen" momentan nicht ein.

        Wissen Sie dazu mehr?

  • hm... ist ja fein, dass die taz hier lang und breit interviewt. Der Tagesspiegel, der im Interview so schlecht weggkommt, bringt gleich eine ganze Liste von Aktivitäten, die den Vorwurf des Antisemitismus begründen können.



    www.tagesspiegel.d...youn-10864342.html

    www.tagesspiegel.d...icht-10922179.html

    Und dieses ewige "Aber die Anderen sind so schrecklich ideologisch"-Gehabe bei völliger Beharrung auf der eigenen Sichtweise ist schon arg nervtötend und gar so wenig ausgerichtet auf Verständigung, Diskurs, Diskussion, Austausch, Miteinander.

    Liebe taz, zusätzlich zu Interviewsbauch noch bisschen Einordnung wäre auch was.

  • Das ist mal gutes und ehrliches Interview. Ich war skeptisch gegenüber Oyoun, vor allem aufgrund der Tagesspiegel Artikel (was für ein Schmierblatt!). Nun erlebe ich einen Sinneswandel und würde mir wünschen, dass der Senat die liberale Demokratie nicht weiter gefährdet und mehr Orte für kritischen Austausch fördert.

    • @Dr. Michael Friedemann:

      Was hat Sie denn überzeugt?

      Ich habe nichts gelesen, was ich als Rechtfertigung nicht erwartet hätte.

      Einchließlich "Hetzartikel" und "Narrative von radikalen Akteuren".

    • @Dr. Michael Friedemann:

      Aufgrund des Missfallens von Artikeln gleich eine ganze Zeitung als Schmierblatt bezeichnen... "Dann kann sich die liberale Demokratie auch verabschieden in Deutschland. Es muss Räume geben für Perspektiven, auch wenn sie unbequem sind."

  • Tut mir leid, aber der Entzug der Fördergelder ist gerechtfertigt. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Umgang Israels ist notwendig, den 7. Oktober auf irgendeine Art zu rechtfertigen oder zu relativieren ist einfach nur erschreckend.



    „Dieser Perspektive wollen wir Raum geben.“ Dieser Satz sagt alles…

  • "Ich persönlich würde das nicht sagen. Aber es gibt Menschen und Gruppen, die das tun – und es gibt im internationalen Kontext auch wissenschaftliche Arbeiten, die solche Statements stützen. Wir hier bei Oyoun sind keine Expert*innen, können jedoch beobachten, dass der 7. Oktober international anders kontextualisiert wird als in Deutschland. Dieser Perspektive wollen wir Raum geben."

    Gott sei Dank kann dieser Perspektive nun kein Raum mehr gegeben werden.

    Wer antisemitische Pogrome kontextualisieren will, hat sich aus jeder halbwegs demokratischen Debatte verabschiedet und sollte seine Propaganda meinetwegen ohne staatliche Unterstützung fortführen.

    • @Jim Hawkins:

      Und im internationalen Kontext gibt es vermutlich auch wissenschaftliche Arbeiten, die Gottes Existenz beweisen, die Wirksamkeit von Bach-Blüten und die Fähigkeit des Menschen dirch Meditation zur Levitation zu gelangen... nicht jede im wissenschaftlichen Kontext getätigte Arbeit ist auch wissenschaftlich...

    • @Jim Hawkins:

      Jim Hawkins, es sind Sie, der sich mit diesem Kommentar aus der demokratischen Debatte verabschiedet. Natürlich muss der Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober auf Israel kontextualisiert werden dürfen, genauso wie der Überfall Russlands auf die Ukraine, die Siedlergewalt im Westjordanland, die Kriegsführung Israels in Gaza oder der Gewaltausbruch auf Haiti. Diese Dinge geschehen alle nicht „im luftleeren Raum“, ohne Vorgeschichte, einfach so, ohne Kontext. Nur weil man diese Ereignisse in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und historischen Kontext betrachtet, wird man noch lange nicht zum Sympathisant dieser Vorgänge oder einer Seite. Sie offenbaren da ein merkwürdiges Geschichtsverständnis. Sie sind bestimmt nicht in jedem Fall gegen Kontextualisierung. Wo darf man denn, ihrer Meinung nach, sonst noch den historischen und politischen Kontext nicht betrachten und diskutieren? Oder betrifft dieses Denkverbot nur die Verbrechen der Hamas am 7. Okt.? Warum?

    • @Jim Hawkins:

      Der Kontext rechtfertig selbstverständlich keinen Pogrom, erklärt aber was zu dem Pogrom geführt hat. Wer aus der Spirale der Gewalt ausbrechen will, muss sich mit dem Kontext befassen. Ansonsten bleiben wir bei der, aktuell viel zu beliebten, vollständigen Auslöschung des jeweiligen Gegners.

      • @Andreas Maschler:

        So wie in diesem Milieu "kontextualisieren" verwendet wird, bedeutet es relativieren.

        Was führt zu Pogromen? Was führt zu antisemitischen Pogromen?

        Ich würde sagen, der Antisemitismus. Die Hamas ist der palästinensische Ableger der Muslimbrüder, die 1928 in Ägypten gegründet wurden.

        Ihr Ziel ist die Vernichtung Israels, die Vernichtung der Juden und, perspektivisch gedacht, ein weltweites Kalifat, die Umma.

        "Das Ziel der Hamas sei es nicht, den Gazastreifen zu regieren und diesen etwa mit Wasser und Strom zu versorgen. „Diese Schlacht fand nicht statt, weil wir Treibstoff oder Arbeitskräfte wollten“, fügte er laut der Zeitung hinzu. „Es ging nicht darum, die Situation in Gaza zu verbessern. Diese Schlacht dient dazu, die Situation komplett umzuwerfen.“

        Sagt die Hamas selbst.

        www.welt.de/politi...zu-verbessern.html

        Genug eingeordnet.

        Vielleicht noch ein Wort zum BDS, um den es in diesem Kontext meistens auch geht.

        Das hier ist die Website des obersten BDS-Leitungsgremiums, BDS National Committee (BNC).

        bdsmovement.net/bnc

        Weiter unten auf der Seite dann:

        "The current members of the BNC are:

        Council of National and Islamic Forces in Palestine"

        Zu diesem Council wiederum gehören:

        PFLP, Hamas und der Islamische Jihad.

        en.wikipedia.org/w...and_Islamic_Forces

        Ich finde nicht, dass man einem derartigen Verein Raum geben sollte. Weder mit noch ohne staatliche Unterstützung.

        Wer sich dennoch in diese Richtung engagiert, tut dies Hand in Hand mit Terroristen.

        • @Jim Hawkins:

          Andreas Maschler, was sie in ihrem Kommentar alles belegen und anführen, also kontextualisieren ist sicher richtig. Das Problem ist nur, dass Sie diese Form der Kontextualisierung offensichtlich, wie sie es selbst ausdrücken, nur einem bestimmten Milieu zugestehen wollen. Ihrem eigenen, wie ich annehme. Einem anderen Milieu, wenn es dasselbe tut, und auch die Betrachtung der israelischen Seite einbezieht und herausstellt, werfen Sie dagegen Relativierung vor. So legitimieren Sie das Recht einer Gruppe zu kontextualisieren und dämonisieren mit dem Etikett „Antisemitismus“ die Kontextualisierung durch eine andere Gruppe. Dieses Verfahren ist autoritär und antidemokratisch. Sehen sie, ich könnte ihnen, mit ihren eigenen Argumenten genauso gut Relativierung israelischer Verbrechen gegen Palästinenser vorwerfen. Verstehen Sie, in welche Spirale uns solch Verhalten führt? Am Ende gewinnt derjenige, der politisch am längeren Hebel sitzt und dämonisiert die Gegenseite. Dabei verliert immer die Demokratie!

    • @Jim Hawkins:

      Dann kann sich die liberale Demokratie auch verabschieden in Deutschland. Es muss Räume geben für Perspektiven, auch wenn sie unbequem sind. Punkt.

      • @Dr. Michael Friedemann:

        Die Räume gibt es ja, da hat die liberale Demokratie also nichts zu befürchten. Die hier (rechtlich) relevante Frage ist aber, ob das Oyoun alle Voraussetzungen erfüllt, um eine staatliche Förderung zu erhalten. Und wer den Verein kennt, der hinsichtlich Geflüchteter aus Syrien tolle Arbeit leistet, weiß leider auch, dass gerade auch antisemitische Inhalte hier zumindest toleriert, schlimmstenfalls aber "kontextualisiert" werden.

    • @Jim Hawkins:

      Danke! Das habe ich bei der Lektüre der von Ihnen zitierten Äußerung auch gedacht.