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Antisemitismus im KulturbetriebKultursenator kippt Klausel

Nach viel Kritik zieht Joe Chialo (CDU) das verpflichtende Bekenntnis gegen israelbezogenen Antisemitismus bei der Bewerbung um Fördergelder zurück.

Einfach machen: Kultursenator Joe Chialo (CDU) Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Berlins Kultursenator Joe Chialo macht einen Rückzieher: Nach wochenlanger Kritik an der Ende Dezember von ihm eingeführten Antidiskriminierungsklausel erklärte der CDU-Politiker am Montag das Projekt vorerst für beendet. „Aufgrund von juristischen Bedenken, dass die Antidiskriminierungsklausel in dieser Form nicht rechtssicher sei, wird diese ab sofort keine Anwendung in Zuwendungsbescheiden mehr finden“, teilte die Kulturverwaltung mit.

Seit dem Beschluss Chialos vor einem Monat mussten alle Künstler:innen, die sich um Fördergelder der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt bewarben, die Klausel unterzeichnen. Für Unmut in der Kulturszene sorgte dabei das hierin enthaltene Bekenntnis gegen Antisemitismus.

Grundlage dafür sollte unter anderem die Definition der International Holocaust Rememberance Alliance (IHRA) und ihre Erweiterung durch die Bundesregierung sein, die sich gegen israelbezogenen Antisemitismus richtet. Diese Bestimmung würde Kritik an Israel unmöglich machen, beklagten daraufhin Künst­le­r:in­nen. Entsprechende Boykottaufrufe gegen Berlin ließen nicht lange auf sich warten.

Aber auch jenseits der aufgeregten Stimmen aus dem vornehmlich pro-palästinensischen Umfeld bezog Chialo Prügel für die Klausel. So monierte Daniel Wesener, der Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion: „Die Formulierungen mäandern zwischen Gesinnungstest und Symbolpolitik, sind aber vor allem eines: rechtlich und praktisch kaum handhabbar.“ Genau das hat nun offenkundig auch der Senator selbst erkannt.

Kulturverwaltung will neue Klausel erarbeiten

Chialo betonte am Montag, dass er sich auch ohne Klausel „weiter für die diskriminierungsfreie Entwicklung der Berliner Kultur einsetzen“ werde. Er wolle „aber die juristischen und kritischen Stimmen ernst nehmen, die in der eingeführten Klausel eine Beschränkung der Kunstfreiheit sahen“. Zugleich kündigte er am Nachmittag im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses an, im Dialog mit Berlins Kulturszene eine rechtskonforme neue Klausel erarbeiten zu wollen.

Rückendeckung für das Versenken der ursprünglichen Klausel in der Schreibtischschublade erhielt der CDU-Senator von Grünen und Linken. „Der Senator nimmt damit die ausgestreckte Hand der Künstlerinnen und Künstler, deren Bedenken und Verunsicherung ernst“, erklärte etwa die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Manuela Schmidt. Und: „Dafür gebührt ihm Respekt.“

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5 Kommentare

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  • Hm, nun kenne ich den Wortlaut nicht und kann schon gar nicht die juristische Komponente beurteilen. Allerdings, ganz unabhängig vom Thema, drängt sich mir langsam der Eindruck auf, wer am lautesten schreit, gewinnt. Das war bei den Bauern so, das war mit dem Heizungsgesetz so, das ist bei den Künstlern so. Die Idee dahinter erscheint mir erstmal sinnvoll. Etwas so wichtiges nach Gemecker zu streichen erscheint mir irgendwie sehr inkonsequent.

  • Ich versuche seit Tagen vergeblich, an den Wortlaut dieser Klausel zu kommen. Ist die als Geheimdokument klassifiziert oder was? Keine Suche ist erfolgreich.

    Meiner Ansicht nach wäre es auch Aufgabe des Journalismus, den Zugriff auf Originalquellen über Links zu ermöglichen. Man kann sich doch keine Meinung über ein Dokument bilden, wenn es nicht verfügbar ist. Ich finde noch nicht einmal eine sinnvolle Parphrasierung dieser Klausel.

    Hat jemand dieses Ding mit eigenen Augen gesehen?

  • Sowas passiert, wenn man es andauernd besser weiß als die aktuelle Regierung. Ich würde mich freuen, wenn die CDU eine konstruktivere Rolle übernehmen würde um Deutschlands Politik voranzubringen, gemeinsam zum Ziel. Aber so ist es einfach nur hetzerische Besserwisserei. Wenn ich mir den Bundestag anschaue, es gibt nur noch aggressive gegenseitige Attacken die zu nichts führen.

  • Die Schlinge lockert sich, ein Grund zur Freude!

  • Ich dachte erst, cool, jetzt ist er aber doch zügig eingeknickt.