Krieg zwischen Israel und Hamas: Die explodierte Nicht-Lösung
Die Falle der Hamas ist aufgegangen: Der Märtyrer-Hydra wachsen immer neue Häupter. Dagegen hilft das Unterscheiden von Bevölkerung und Anführern.
A uch sieben Wochen nach dem Attentat der Hamas, auch nach den langen Wochen dieses Krieges im Nahen Osten, auch nach Geiselfreilassungen und Feuerpause gilt das, was der ehemalige französische Außenminister Dominique de Villepin gesagt hat, immer noch: „Die Hamas hat uns eine Falle gestellt.“ Und diese ist zugeschnappt.
Die Falle besteht darin, dass es keinen Ausweg gab und gibt: Nicht auf den Terror zu reagieren, wäre schlecht gewesen. Dagegen vorzugehen wie die Israelis, ist schlimm. Beides aber dient der Hamas. Selbst die massiven Angriffe, auch und gerade die schrecklichen Bilder von den Verheerungen im Gazastreifen, sie folgten und folgen noch der Intention der Terrorgruppe. Die Falle, die die Hamas gestellt hat, ist die Falle des maximalen Schreckens, der maximalen Grausamkeit, so Villepin.
Ihr Ziel ist es, jede Art von Frieden zu verhindern. Wie sie unverhohlen aussprechen. Absurderweise liegt gerade in diesem Ziel eine Art Spiegelverhältnis zwischen Netanjahu und der Hamas. Nicht in dem Sinne, dass diese Regierung – wie schlimm sie auch sein mag – mit einer Terrororganisation gleichzusetzen wäre. Aber es gibt zwei Momente solch einer Spiegelung.
Da ist zum einen die jahrelange Politik, eine Zwei-Staaten-Lösung zu verhindern. Denn es war die Hamas, die seit den 1990er Jahren alle Friedensversuche torpediert hat.
Die Fallenlogik der Hamas
Und da ist zum anderen die Spiegelung einer religiösen Aufladung des Konflikts: Die Islamisierung auf palästinensischer Seite reflektiert in gewisser Weise den politischen Aufstieg der messianischen Siedler bis in die gegenwärtige Regierung auf israelischer Seite. Diese jahrelange Nicht-Lösung ist explodiert.
Eine Explosion, die das Gegenteil einer Lösung ist. Auch darin besteht die Hamas-Falle: sowohl den schlechten Status quo ante einer Nicht-Lösung als auch jede mögliche positive Lösung zu verhindern. Ob die Hamas militärisch und damit auch politisch besiegt werden kann und um welchen Preis, ist nach wie vor offen. Nicht offen jedoch ist, und gerade darin liegt ja die Fallenlogik, dass sie auf diesem Weg ideologisch kaum einzudämmen ist. Wie einer Hydra scheinen ihr stets neue Häupter, neue „Märtyrer“ nachzuwachsen.
Auch eine Ausweitung des Konflikts droht. Plötzlich findet man sich in einem Westen wieder, dessen Anderes, dessen Alternativen Iran, Hamas, Hisbollah, Erdoğan und Putin lauten. Alternativen, bei denen jedes linke antiwestliche Gefühl gefriert.
Dachte man zumindest – bis vor ein paar Tagen Osama bin Ladens „Brief an Amerika“ einen völlig unerwarteten Hype auf Tiktok auslöste. Offenbar geht der ehemalige Al-Qaida-Anführer da als plausible antiwestliche Alternative durch. Sein Versuch, „Palästina“ zu jenem Symbol zu machen, um das sich Muslime weltweit versammeln, hat nun einen verspäteten paradoxen Effekt: Heute schart sich eine Tiktok-Blase um dieses Zeichen.
Der einzige Lichtblick in dieser Nacht der Welt ist eine Differenz: die Differenz zwischen den Bevölkerungen und ihren Anführern. „Die Hamas ist nicht das palästinensische Volk. Netanjahu und Ben-Gvir sind nicht alle Israelis“, so der Historiker Simon Sebag Montefiore. Die Letzteren jeweils aber sind es, auf deren Rücken, mit deren Leben der Konflikt ausgetragen wird.
Protestbewegung als Rückgrat der Zivilgesellschaft
In Israel hat sich diese Differenz vor dem 7. Oktober nachhaltig artikuliert. Die Protestbewegung ist das neue Rückgrat der Zivilgesellschaft, so der Historiker Moshe Zimmermann.
Was die palästinensische Differenz anlangt, so ist diese, zumindest in unseren Breiten, sehr viel stiller. Notgedrungen angesichts der autoritären Herrschaft der Hamas. Sie ist so leise, dass man dachte, es gibt sie überhaupt nicht. Aber manchmal lässt sie sich doch vernehmen.
So zirkulierte kürzlich ein Video auf Twitter, wo eine wütende Gaza-Bewohnerin rief: „Das alles verdanken wir den Hunden von der Hamas“, so die verzweifelte Mutter über den Tod ihres Kindes. Es ist dies die zaghafte, aber einzige Stimme einer Hoffnung.
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