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Kontroverse dänische KinderserieVerdinglichung des Penis

Die dänische TV-Serie „John Dillermand“ erregt die Gemüter. Dabei ist sie ein differenziertes Plädoyer für kleine Helden.

Hängt am seidenen Faden: John Dillemands Pillermann Foto: DRTV/Reuters

Als mir mein Mann von einer Figur aus dem dänischen Kinderfernsehen erzählte, die auf ihrem riesigen Penis wie auf einem Springstock herumspringt, vermutete ich zunächst, er hätte sich den Kopf etwas zu heftig gestoßen. So unglaublich, so bizarr klingt die ziemlich akkurate Zusammenfassung einer Episode der Serie „John Dillermand“ („Pillermann“), dem inzwischen berühmt-berüchtigten Kinderhelden.

Pillermanns Name ist Programm: Im Namen verschmelzen Geschlechtsteil und Träger zur untrennbaren Einheit. Der Penisträger ist von seiner phallischen Potenz nicht zu trennen – der Knete-gewordene Albtraum jeder Feministin, könnte man meinen. Hatte man als Frau bis dato noch keinen Penisneid, bekommt man ihn beim Anblick dieses Pillermanns: Denn was ist eine Vagina, die Kinder aus sich herausquetschen kann und im Anschluss wieder in ihren Ausgangszustand zurückschnipst wie ein Gummiband, gegen einen Zehn-Meter-Penis-Springstock (glauben Sie mir, ich hätte auch nicht gedacht, dass ich diesen Satz jemals tippen würde)?

Genau wegen der mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten des Dillermand-Pillermanns und der im Verhältnis dazu auffällig geringen Zahl an Einsatzmöglichkeiten des realen Dings ist die Zeichentrickserie so witzig: Eigentlich führt sie die ziemliche Nutzlosigkeit des Gegenstands vor, dessen wichtigste Bestimmung obendrein von Ersatzgegenständen übernommen werden kann.

Im allgemeinen Verständnis ist ein Penis umso besser, je größer er ist. Dillermand zeigt, dass diese Logik abstrus ist. Größe wird irgendwann zur Behinderung; Mr Dillermand ist nicht besonders able-bodied, er setzt seine Behinderung nur nutzbringend ein. Wer nun fragt: „Wo bleibt die Idealisierung der Riesenvagina?“, der darf an Niki de Saint-Phalles begehbare Riesennana für das Moderna Museum in Stockholm erinnert werden.

Ist der Busen das Gegenstück?

Okay, eine Nana ist kein Kindercomic, aber immerhin. Überhaupt ist zu fragen, ob das jedenfalls imaginäre Gegenstück zum Penis nicht der übergroße Busen wäre, der in Kindermedien durchaus präsent ist. Man denke an „Barbie“, an „Jessica Rabbit“ im Roger-Rabbit-Cartoon, an diverse Anime-Heldinnen.

Ein interessantes Beispiel dafür, wie Kindermedien sonst mit dem Thema Penis umgehen, auch wenn sie sich explizit der Aufklärung verschreiben, ist das Buch „Überall Popos“ von Annika Leone und Bettina Johansson. Darin sieht man nicht nur Popos und Brüste in allen erdenklichen Formen, man sieht auch Vulven. Nur eines sieht man nicht: den Penis eines erwachsenen Mannes.

Das Buch operiert mit der ungeheuren Komik der Entblößung dessen, was sonst schamhaft verborgen wird. In der Geschichte begibt sich ein kleines Mädchen mit den Eltern ins Schwimmbad. Als der Vater beim Sprung ins Wasser seine Badehose verliert, verbirgt er sich schamvoll. Das Mädchen rettet die Situation (und den Vater), indem sie flugs nach der Badehose taucht. Aber warum muss der Penis versteckt werden?

Da fällt das böse Wort

Vermutlich, weil die Verquickung der Begriffe Kinder und Penis in die Sphäre des „Unanständigen“, potenziell Kriminellen führt. So dauerte es auch nicht lange, bis in den Kommentarsektionen zu Dillermand-Berichten das böse Wort fiel: Pädophilie. So eine Sendung öffne Pädophilen doch Tür und Tor, war in einem Kommentar zu lesen. Das zeigt, wie stark wir den Penis – und seinen Träger – mit sexueller Gewalt identifizieren. Insofern ist der hilfreiche Herr Pillermann ein Befreiungsschlag fürs männliche Geschlechtsteil.

Apropos Befreiung: Ist es nicht seltsam, dass es in den letzten Jahren viele Kampagnen zur „Befreiung“ der Vulva oder Vagina gab, während der Penis noch nicht als Gegenstand ­ästhetisierender Betrachtung entdeckt wurde? Auch nicht in der Kunst, wo er allenfalls in symbolischer Form als phallischer Gegenstand auftaucht, kaum aber als ästhetisches Ding-an-sich.

Selbst die antike Skulptur stellt den Penis als minimales Anhängsel dar. Laut Kunsthistorikerin Ellen Oredsson liegt das vor allem daran, dass große Penisse mit Dummheit und Hässlichkeit verbunden oder schlichtweg als etwas „Tierisches“ imaginiert wurden. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch John Dillermands Penis der Gestalt nach eigentlich gar kein Penis ist, eher ein Schwänzchen, im tierischen Sinne eben.

Egal was der Pillermann in der Sendung so kann, er steht gerade für eines nicht: für Sexualität. Und das ist der Clou. Das oft genug als einzige erogene Zone des Mannes betrachtete Glied wird als vielfältiges Werkzeug entdeckt, das seinen Träger zum Helfer und Retter macht. Balsam für die Männerseele. Sei’s ihnen gegönnt!

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20 Kommentare

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  • Ohhh der Pullermann hat einen Anzug an. 😂

  • Mir fallen wieder nur Schweinereien ein.

    Früher gab es pornografische Literatur. Also nicht Henry Miller oder so etwas.

    Bücher, bei denen man nach "Stellen" suchen musste.

    Die, die ich meine, bestanden mehr oder weniger aus "Stellen". Zusammengehalten von Texten in Freibank-Qualität.

    Nun kursierte ein solches bei uns. Es war aus der berühmten Reihe "Seevögeleien".

    Der Titel lautete "Stefan Fuchs, der Meisterficker". Das war zugleich der Name des Autors. Vielleicht auch nicht.

    Das Teil drehte bei uns so lange seinen Runden, bis es auch die Hartgesottenen nicht mehr anfassen mochten.

    Vielleicht doch noch ein Bezug zum Artikel: Penisse spielten eine tragende, oder vielmehr stehende Rolle. Vor allem der von Stefan Fuchs.

    • @Jim Hawkins:

      ... Texten in Freibank-Qualität...



      Wunderschön. Lyrik pur.

      Mir fällt gerade wieder ein, wenn eines Klassenkumpels WV wieder mal einen Kuli(Stift) wo man oben rein geäugt hat und drehen mußte, geschmugelt hatte, war immer helle Aufregung und Schlange stehen.

    • @Jim Hawkins:

      & ich dachte - booey - irgendwann muß der Älpler doch die Kurve zu Hesekiel 23 kriegen! Nix! - echt penisslich! - 🙀 -



      Phallus clarus - Klarer Fall •

      • @Lowandorder:

        Dieser Hesekiel ist ja echt starker inquisitorischer Tobak.



        Und schon wieder was gelernt.

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Sexta - Opi Hadsche Pühn * - wunderbar schusselig - hatte sein BibelBrevier der einschlägigen Stellen auf dem Katheter liegen lassen! Ein Fest.



          Kopieren gabs noch nicht - also eilig eilig abgegriffelt!

          unterm——*



          Weiße Pläät - Goldrandbrille - Uhrkette



          &



          Feuchte Aussprache & Däh - unser Oberflegel spannte - 1.Reihe - seelenruhig seinen Schirm auf!



          (& entre nous only - fragte ihn unvermittelt nach der Uhrzeit. Opi Pühn nestelte seine Uhr aus der Weste &! eh er sie wieder versenkte ruhte in der Westentasche ein gut durchgeschmatzter Kaugummi!

          kurz - Verdanke ihm die Paul-Gerhardt Lieder. Was später beim Posaunenchor hilfreich war - 🎺 - & irgendwann zu - Dieter Glawischnig führte!;))



          de.wikipedia.org/w...Dieter_Glawischnig ☕️ ☕️ ☕️ - 🚬 🚬 🚬🚬🚬 🎹

  • Jedem seinen Pimmelmann,



    Wo er nichts böses anstelln kann.



    Lässt mich ein bisschen an Pippi Langstrumpf denken...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Mensch Willi - so erschöpft vom Schneeschippen - daßde schwimmende Lokomotiven siehst? Mach Bosse - 😂 -

      unterm——



      taz.de/Die-Wahrheit/!5506909/



      Die Wahrheit : „Ich sah schwimmende Lokomotiven!“



      Bis in die Haarspitzen von Drogen inspiriert: Berühmte Kinderbuchautoren packen aus, wie sie ihre Gedankenwelten entstehen ließen.“

      kurz - Na immerhin - für Florista!



      In der e-kommune reichts dem Mista!🤫

      • @Lowandorder:

        Lindgren-Lokomotiven nach Schneeschippen sind ne schöne Einstimmung auf Crémant...

  • Das unendliche, immer, wiederkehrende Thema in einer sehr interessanten zum Schmunzeln einladenden Variannte bearbeitet.



    Schöne Formulierungen drin.



    ..(glauben Sie mir, ich hätte auch nicht gedacht, dass ich diesen Satz jemals tippen würde)?...



    Ach wat! Warum?



    Entweder-Oder!



    Schöner Satz aber weglassen und durch!

    .... das seinen Träger zum Helfer und Retter macht. ...

    ......An manchem Unort, wo ich's mich erfrechte,



    Wir waren augenblicklich, unverdrossen



    Und wiederholt bedient vom braven Knechte!



    Verfluchter Knecht, wie unerwecklich liegst du!



    Und deinen Herrn ums schönste Glück betrügst du.

    Doch Meister Iste hat nun seine Grillen



    Und läßt sich nicht befehlen noch erachten,



    Auf einmal ist er da, und ganz im stillen



    Erhebt er sich zu allen seinen Prachten;



    So steht es nun dem Wandrer ganz zu Willen,



    Nicht lechzend mehr am Quell zu übernachten. .....



    (J.W.v.G)

    Man stelle sich bei John eine MoPraLa vor.



    Dit sprengt allet!

    John Dillermand



    www.youtube.com/watch?v=ve7vz4Oo72k

    • @Ringelnatz1:

      Laut Schmunzeln ist hier angesagt. WOW!!!



      Darauf gehe ich jetzt mit meiner Frau zum Geburtstag einen Crémant köpfen🥂

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Hans Söllner - Alles guade zum Geburtstag

        www.youtube.com/watch?v=6m8ASbyKybE

        • @Ringelnatz1:

          Das ist mal ein hübsch nachdenkliches und angemessenes Geburtstagsständchen.



          Zu "Wessen" - es hätte ja auch meine Frau sein können, aber ich war's, ich gebe es zu. Danke für die Blumen, ach ne, für's Lied

          • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

            Ja Willi - sorry - hoab i was verpaßt?

            Dachte dein 50. sei erscht next Joahr!

            kurz - …anschließe mich! - 🥳 -

            • @Lowandorder:

              Nix angebrannt. Sind doch erst 68.



              Da war doch was...



              Ick mal jrade 15, aber schonn bisschen lebendig.

  • Puppendoktor

    "Ach, lieber Doktor Pillermann,



    sieh dir doch nur mein Püppchen an;



    drei Tage hat es nichts gegessen,



    hat immer so stumm dagesessen.



    Die Arme hängen ihm wie tot,



    es will nicht einmal Zuckerbrot.



    Ach, lieber Doktor, sag mir ehrlich,



    ist diese Krankheit sehr gefährlich?"

    "Madam, Sie ängstgen sich noch krank!



    Der Puls geht ruhig, Gott sei dank;



    doch darf sie nicht im Zimmer sitzen,



    sie muß zu Bett und tüchtig schwitzen;



    drei Kiebitzeier gebt ihr ein,



    dann wird es morgen besser sein!



    Empfehle mich!“

    gedichte.xbib.de/D...t_Puppendoktor.htm



    & als Schlagobers (das suchte ich eigentlich!;))



    Das Lied von Oma -



    Hänschen klein



    ging allein



    in´n Berliner Turnverein



    Turnt am Reck



    fällt in´n Dreck



    ist die Nase weg



    Kommt der Doktor Pillemann



    klebt die Nas´ mit Spucke an



    Allet jut, allet jut,



    Hänschen kricht n Zuckerhut.



    (Hänschen klein freut sich sehr



    hat nun eine Nase mehr)



    www.gebek.info/201.../das-lied-von-oma/



    (Schöne Geschichte & “Ein Krokodil verläßt den Nil“



    Werfen sich nach meinen Kids - längst schon die Enkel weg!!;))

    Soweit mal ( 🥔🐟🍳 ruft;)

    • @Lowandorder:

      & viel Dank für den fein ironischen -schmunzelnden Beitrag - soo selten in der taz => wird gerahmt! Versprochen.