Konflikt in der Ukraine: „Spione der Nato“

Prorussische Milizen halten weiter OSZE-Beobachter fest, darunter vier Deutsche. Die G-7-Staaten wollen zügig neue Sanktionen gegen Russland verhängen.

Prorussischer Milizionär hinter einer Barrikade an einem Verwaltungsgebäude in der ostukrainischen Stadt Horlivka. Bild: dpa

WASHINGTON/SLAWJANSK afp/dpa | Die sieben führenden Industrienationen wollen in der Ukraine-Krise mit weiteren Sanktionen den Druck auf Russland erhöhen. Die Staats- und Regierungschefs der Gruppe hätten sich darauf geeinigt, „zügig“ vorzugehen, um „zusätzliche Sanktionen gegen Russland zu verhängen“, hieß es in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung. Der „Preis für die Aktionen Russlands“ müsse erhöht werden, hieß es darin. Ziel sei es, im kommenden Monat „erfolgreiche, friedliche und demokratische“ Präsidentschaftswahlen in der Ukraine zu ermöglichen.

Nach Angaben eines US-Regierungsvertreters könnten einige der Strafmaßnahmen bereits am Montag in Kraft treten. Dabei müssten die Sanktionen „nicht notwendig identisch sein“. Jedem Land sei die Entscheidung darüber selbst überlassen. Der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, Ben Rhodes, sagte dazu, die US-Sanktionen könnten Vertreter des „Energie- und Bankensektors“ treffen. Diese hätten „Einfluss auf die russische Wirtschaft“.

Der G-7 gehören neben Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA auch Italien, Japan und Kanada an. Die Länder lobten in ihrer Erklärung die „Zurückhaltung“ der ukrainischen Regierung im Konflikt mit den prorussischen Milizen, die in mehreren Städten im Osten der Ukraine Verwaltungsgebäude besetzt halten.

Dagegen warfen sie Moskau vor, „keine konkreten Maßnahmen zur Unterstützung der Genfer Vereinbarung getroffen“ zu haben, mit dem der Konflikt entschärft werden sollte. Russland habe das Abkommen weder öffentlich unterstützt, noch zur Niederlegung der Waffen oder zur Räumung der besetzten Gebäude aufgerufen. Stattdessen habe Moskau mit einer „zunehmend besorgniserregenden Rhetorik“ und „bedrohlichen Militärmanövern“ an der Grenze die Spannungen weiter angeheizt.

Russische Jets im ukrainischen Luftraum

Erneut verurteilten die G-7 Russlands „illegalen Versuch, die Krim und Sewastopol zu annektieren“. „Wir werden jetzt die rechtlichen und praktischen Konsequenzen dieser illegalen Annektierung vollständig umsetzen, wozu auch die Bereiche Wirtschaft, Handel und Finanzen gehören“, erklärte die Staatengruppe. Übereinstimmenden Berichten zufolge könnten die Strafmaßnahmen wie schon zuvor russische und ukrainische Vertreter treffen, die für die Unruhen verantwortlich gemacht werden.

Russische Kampfjets sind nach Medienberichten zuletzt mehrfach in den ukrainischen Luftraum eingedrungen. Die Flugbewegungen seien in den vergangenen 24 Stunden nahe der russischen Grenze verzeichnet worden, hieß es am Freitagabend (Ortszeit) aus dem Pentagon in Washington. Die Gründe für die Überflüge seien unklar. US-Medien spekulierten, ob es eine Machtdemonstration Russlands war oder möglicherweise ein Test des ukrainischen Radars.

Freilassung nur bei Gefangenenaustausch

Unterdessen werfen die prorussischen Milizen im ukrainischen Slawjansk den festgehaltenen Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor, „Spione der NATO“ zu sein. Sie würden nur im Austausch gegen eigene Gefangenen freigelassen, sagte der Milizenführer Denis Puschilin am Samstag in Slawjansk. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drängte seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow, sich für die Freilassung der Beobachter einzusetzen.

„Sie werden nicht freigelassen. Sie werden nur gegen unsere eigenen Gefangenen getauscht“, sagte Puschilin, der der selbsterklärten Republik Donezk vorsteht, Reportern vor dem Sitz der Sicherheitskräfte in Slawjansk, wo die Beobachter festgehalten werden. Unter ihnen sind auch drei deutsche Soldaten und ein deutscher Übersetzer.

Am Samstagvormittag wurden die Barrikaden vor dem Sitz der Sicherheitskräfte mit Sandsäcken verstärkt, wie ein AFP-Journalist berichtete. Drei gepanzerte Fahrzeuge bezogen in der Nähe Position.

Der Milizenführer in Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarew, hatte am Freitagabend die festgesetzten OSZE-Beobachter als „Kriegsgefangene“ bezeichnet. „Wir haben insgesamt zwölf Personen festgenommen, darunter vier ukrainische Offiziere“, sagte der selbsternannte Bürgermeister der Bild-Zeitung. Sie hätten „keine Genehmigung für ihre angebliche Beobachtermission“ gehabt. Es bestehe der Verdacht, dass sie Geheimdienstler seien, sagte Ponomarew und verwies auf verdächtige Karten, auf denen etwa die Straßensperren der prorussischen Milizen aufgeführt seien.

Krisenstab beim Auswärtigen Amt

Steinmeier telefonierte am Freitagabend mit seinem russischen Kollegen Lawrow und drängte ihn, sich für die OSZE-Beobachter einzusetzen. „Außenminister Steinmeier hat im Gespräch mit dem russischen Außenminister Lawrow seine Sorge über den Fall zum Ausdruck gebracht und Russland dazu aufgefordert, alles zu tun, damit das OSZE-Team sofort freigelassen wird“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Am späten Abend habe das Ministerium „noch einmal hochrangig bei der russischen Botschaft interveniert.“

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte zuvor angegeben, es seien 13 Mitglieder der OSZE-Mission, darunter vier Deutsche, festgesetzt worden. Auch ein Däne und ein Schwede befanden sich unter den Beobachtern. Das Auswärtige Amt richtete einen Krisenstab ein..

Der OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Tim Guldimann, sagte am Samstagmorgen im WDR 5 Morgenecho mit Blick auf die Beobachter, es liefen derzeit „intensive Bemühungen für die Lösung des Problems“. Es sei „ganz klar“, dass die Zwischenfälle die Situation verschärften, sagte Guldimann. Er wertete es aber als positiv, dass die internationale Gemeinschaft mit der OSZE-Mission „Augen und Ohren vor Ort hat, um festzustellen, was objektiv passiert“.

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