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Kommentar linke VolksparteiLafontaines Feuerwerksrakete

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Der frühere SPD-Vorsitzende weiß genau, dass er nicht zum Versöhner der Linken taugt. Lafontaines Vorschlag ist nicht nur deshalb eine Schnapsidee.

Müder Applaus für Lafontaines linke Sammlungsbewegung Foto: dpa

M anche Ideen haben die durchschnittliche Lebensdauer einer Feuerwerksrakete. Sie zischen und knallen, um dann schnell zu verglühen. Der neueste Vorschlag von Oskar Lafontaine gehört in diese Kategorie. Es brauche eine linke Sammlungsbewegung, sagt der Linkspartei-Mitgründer, „eine Art linke Volkspartei, in der sich Linke, Teile der Grünen und der SPD zusammentun“.

Dieser Vorschlag zielt auf eine knackige Schlagzeile, nicht auf realpolitische Umsetzung. Lafontaine, die Hassfigur der Sozialdemokratie, weiß selbst, dass er nicht zum Versöhner der deutschen Linken taugt. Sozialdemokraten unterstellen ihm bis heute, dass er die Linkspartei für einen persönlichen Rachefeldzug instrumentalisiert. Und eigentlich sagt er ja: SPD und Grüne müssen sich spalten, damit ihre genehm denkenden Reste auf dem heilbringenden Pfad der Linkspartei wandeln. Aber eine doppelte Spaltung im Mitte-links-Lager soll neue Stärke generieren?

Lafontaine spielt mit dem Mythos, dass das Neue in der ermatteten Par­teienlandschaft per se erfolgreich sei. In Frankreich versteht es Emmanuel Macron, politische Widersprüche zu vereinen. Sein Charisma überstrahlt, dass er linke und neoliberale Ansätze vertritt, die oft nicht zueinanderpassen. Wer aber wäre die oder der deutsche Macron?

Dass Lafontaine seine Ehefrau Sahra Wagenknecht für geeignet hält, ist evident. Aber erstens fehlt Wagenknecht der Charme des Neuen; sie gehört seit Jahren zum Personal der Berliner Republik. Zweitens ist die Vorstellung absurd, dass sich linksliberale Grüne oder Sozialdemokraten hinter der Wagenknecht’schen Flüchtlingspolitik versammeln könnten. Das wäre die Crux der neuen Möchtegernpartei: Sie zerfiele entlang nationalistischer Tendenzen, der ökologischen oder flüchtlingspolitischen Frage wieder in Flügel. Die Einigkeit wäre sofort vorbei.

Ja, linke Ideen sind in der Politik seit Jahren in der Defensive. Aber zu glauben, alte Rezepte und Protagonisten könnten diese traurige Entwicklung durch eine neue Partei stoppen, ist naiv.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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22 Kommentare

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  • Links ist politisch leider nur noch peripher am werkeln und hat sich bereits i.d. ewige Gestrigkeit eingereiht.

    Der politische Wind in vielen EU-Ländern weht anders und hat sich entspr. gedreht, wieder hin zur eigen staatl. Verantwortung, hin zum Bürger.

    Nur die eweig gestrigen Altparteien haben es noch nicht begriffen.

    Es ist nur noch eine Frage der Zeit, spätestens b.d. nächsten BT-Wahlen

    wird es für einige Parteien schon reichlich knapp i.d. BT zu kommen.

  • Komisch, taz hatte keine Problem mit dem Kunstprodukt Macron als Kopf und Gesicht einer "Bewegung", die als "weder links, noch rechts" breite Bevölkerungsschichten vereinen sollte.

    Die Charisma von Macron hieß Le Pen und nutzt sich gerade ab.

  • Getretener Quark wird breit nicht stark - sagte schon der Geheimrat aus Weimar. Erfolgreiche Bewegungen gründen sich von unten - oder gar nicht. Der Napoleon von der Saar sucht nach Gefolgschaft, so war er als Sozialdemokrat, so ist er heute.... Solche Podiumsheroen scheiterten schon in der Vergangenheit - unabhängig davon, ob sie durchaus gute Analysen anboten - man denke an Jutta Ditfurth, Thomas Ebermann oder Rainer Trampert bei den Grünen.

    • @Philippe Ressing:

      Alles nur "Schichtkäse", den es eigentlich gar nicht mehr gibt, nicht mehr geben sollte.

  • "Aber eine doppelte Spaltung im Mitte-links-Lager soll neue Stärke generieren?"

    Also man kann ja gegen Oskar sagen was man will, aber man muss seine Aussagen jetzt auch nicht mutwillig ins Gegenteil uminterpretieren. Er ruft nicht zu einer Spaltung auf, sondern zu einer Vereinigung, nämlich der linken Kräfte der Grünen und der SPD mit der Linken. Und das würde natürlich sehr wohl eine Stärkung bedeuten.

    Wie hier schon gefragt wurde "gibt es denn noch linke Grüne?": vermutlich nicht mehr allzu viele, aber ein paar Reste werden sich noch finden, selbst nachdem die Grünen ihren linken Parteiflügel in den Neunzigern ausradiert haben. Aber ich finde die Idee, die linken oder linkeren (leber würde ich einfach sozialer sagen) Kräfte zu vereinen, da sie im Moment eben tatsächlich zersplittert sind in mehreren Parteien.

    • @Jalella:

      Einer der bei den Grünen links ist will aber grün bleiben.

      Denn: Wenn er sich bei einer linken "Sammlungsbewegung" als eher Rechter (sagen wir besser Vernünftiger) fühlen muss unter Unvernünftigen, dann wird er sich nicht mehr wohlfühlen!

       

      Zurecht, wenn man die Linken, z.B. Frau Wagenknecht so anschaut. Und Oskar ist ein Spalter, keinesfalls ein Binder; zumindest was Politik betrifft.

       

      Daher kann ich die Einschätzung von Herrn Schulte sehr gut teilen.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Tom Farmer:

        Also wer es als vernünftig ansieht, die Vermögenden und oberen Einkommensschichten zu entlasten und die unteren und mittleren zu belasten ist weder links noch sozial noch vernünftig. Asozial trifft es dann schon eher bzw. „wirtschaftsliberal“ wie bspw. die rot-grüne Agenda 2010 Regierungspolitik! Von dieser Politik haben sich weder Grüne noch SPD verabschiedet. Daher kann man weder die Grünen noch die SPD als sozial bezeichnen.

        • @2097 (Profil gelöscht):

          Mit Schimpfen auf das was falsch läuft ist es nicht getan.

           

          Es muss schon ein schlüssiges Gesamtkonzept her welches argumentativ überzeugt. Da mangelt es offensichtlich bei Links erheblich.

          • @Tom Farmer:

            Anfang der Nullerjahre hat die SPD es geschafft alleine steuerlich die oberen 10(?)% um 60 Mrd Euro steuerlich zu "entlasten" (die bezahlen dann die anderen).

             

            60 Mrd - damit könnte man ein Wohnungsbauprogramm vom Feinsten aufziehen. Stattdessen wurde das 10fache davon von den so Beschenkten in der Finanzkrise verjubelt. Keine Politik, die den Namen links oder links-mitte verdient hätte so ein Stunz gemacht.

            • @agerwiese:

              Diese Kausalitäten und Zusammenhänge sind nicht nachvollziehbar und entsprechen sicher nicht den Tatsachen.

               

              Die Finanzkrise resultierte vorwiegend aus Subprime Kredite aus den USA.

          • 2G
            2097 (Profil gelöscht)
            @Tom Farmer:

            Das Gesamtkonzept ist vorhanden. Die Vermögenden und oberen Einkommensschichten wieder mehr in die Verantwortung nehmen, Steueroasen bekämpfen, Finanztransaktionsteuer einführen, die Soziale Markwirtschaft stärken, Rentenkonzepte modifiziert umsetzen wie bspw. in Österreich, Niederlande und Skandinavien usw. Die Konzepte sind vorhanden. Einfach an den „Success Stories“ „Best Practices“ anderer sozial verantwortungsbewussterer Länder orientieren und die Rentenkonzepte modifiziert und sozial verträglich optimiert bei uns einführen. McKinsey kennt sich mit der Umsetzung von modifizierten Konzepten aus. Einfach mal nicht Agenda 2010 umsetzen zusammen mit der Schröder SPD und sich dafür fürstlich entlohnen und Unter den Linden feiern lassen von den oberen Einkommensschichten und Vermögenden, sondern auch mal ein Renten- und Sozialkonzept was den unteren und mittleren Einkommensschichten nutzt, endlich umsetzen. Alles bereits vorhanden, die vielen sozialen und sozialeren Konzepte, auch das Knowhow zur Umsetzung. Nur der Wille und öffentliche Druck fehlen. Klar, mit einer gespaltenen Linken bzw. pseudolinken/ pseudosozialen Parteien wie SPD und Grünen, ist ja auch kein Druck mehr da! „Divide et impera“ funktioniert halt immer noch prima. Die Vermögenden und oberen Einkommensschichten freut es!

            • 8G
              87233 (Profil gelöscht)
              @2097 (Profil gelöscht):

              Bis die Linke an die Macht kommt: wie in Thuringen. Dann sieht es wieder anders aus.

              Ich teile viele von Ihre Ideen, aber die werden nie und nimmer von die Linken umgesetzt. Nicht diese Linken, und auch nicht von der SPD.

              Nur eine "C" Regierung kann das, weil nur von denen wäre es glaubwürdig.

              • @87233 (Profil gelöscht):

                In Thüringen hat man keine Macht. Man darf Peripherie verwalten.

              • 2G
                2097 (Profil gelöscht)
                @87233 (Profil gelöscht):

                Die bisherigen C Regierungen sind für den Status quo überwiegend verantwortlich, denn geändert haben diese bisher nichts. Die Pflege zu privatisieren wär auch extrem unsozial. Die Linke muss nur so stark werden, dass die anderen Parteien es als notwendig erachten, sozialer zu werden! Ohne Druck ändert sich nichts!

            • @2097 (Profil gelöscht):

              ... ich habe das alles nicht gelesen, da deren Führungspersonal das alles wenig appetitlich präsentiert.

               

              Trefflich können wir jetzt philosophieren ob die mal anderes Personal zu potentiellen Wählern schicken sollten oder ich mich trotz Riexinger und Co. motivieren muss.

              • 2G
                2097 (Profil gelöscht)
                @Tom Farmer:

                Sie sollen die nicht heiraten, sondern wählen, damit die eine gewisse Größe erreichen, um dadurch genug Druck aufbauen zu können und somit soziale Änderungen zu bewirken. Wenn die das dann nicht ausreichend und angemessen hinkriegen, werden die halt nicht mehr gewählt! Bei 8% der Wählerstimmen wird das mit dem Druck allerdings nichts!

  • Schade um die formulierten Zeilen, denn auch sie empfinde ich nicht einer Diskussion der dringend notwendigen "Demokratie" würdig: "Dieser Vorschlag zielt auf eine knackige Schlagzeile, nicht auf realpolitische Umsetzung."

    Viel Stromverbrauch für nichts.

    Demokratie (griech. demos Volk kratein herrschen) „Denn in den Demokratien, wo es nach dem Gesetze zugeht, ist kein Aufkommen für die Demagogen, weil daselbst die Besten aus den Bürgern die Stimmführer sind.“ (Aristoteles Politik, 4. Buch. 4. Kapitel 1292a7)

    Aus der Ansprache der noch Kanzlerin i.V. zum Neuen Jahr habe ich keine Frohe Botschaft für 2018 ff entnehmen können. Uns fehlt ein Friedrich II von Hohenstaufen (1194-1250) , der hatten noch Ideen und sie umgesetzt: „Misura, providentia e meritanza“ Er erlässt 1232 die Ketzerordnung: Verbot der Hetze gegen Andersgläubige und sicherte die Glaubensfreiheit der Christen, Juden und Sarazenen.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Gibt es noch linke Grüne? Wagenknecht will weder Teile der Maghreb Staaten als sicher anerkennen noch eine Obergrenze von 200.000, wie die Grünen bei den Sondierungen bereits bereit waren anzuerkennen. Für die Anhänger der CÖ, KGE, BP und WK Grünen ist Wagenknecht immer noch viel zu großzügig und menschenrechtskonform gegenüber Flüchtlingen!

    Ich vernehme immer nur noch journalistische Empörung über das unkonkrete Geschwafel von Frau Wagenknecht, aber über die konkreten und weitaus restriktiveren Vorschläge von CÖ, KGE, BP und WK vernehme ich keinerlei Kritik mehr, insbesondere nicht in der taz. Wie kann das sein?

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Ach, die 200000 waren jetzt ein Vorschlag der Grünen? Ist ja echt interessant. Und ich dachte, das wäre nur eine Kröte, die die Grünen bereit waren zu schlucken. In so eine Situation sind die Linken im Bund ja leider noch nie gekommen. Wären sie in Sondierungen, müssten auch sie Forderungen aufgeben, um andere durchzusetzen. Im Übrigen werden die 200000 vermutlich ohnehin kaum wieder erreicht, und dann gäbe es da ja sogar Ausnahmen.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @Tomba:

        Nein, dass das ein Vorschlag der Grünen war, habe ich nicht behauptet. Mein Hinweis war nur, dass die Grünen eine Politik bereit zu machen sind, die weitaus restriktiver gegenüber den Flüchtlingen wäre, als die Forderungen von Frau Wagenknecht gehen. Daher kann ich die Berichterstattung in der taz nicht so ganz nachvollziehen. Warum wird Frau Wagenknecht für etwas kritisiert und die wesentlich restriktivere Kompromisspolitik der Grünen nicht? Nun sind viele bei der taz anscheinend Sympathisanten der Grünen, allerdings sollte eine seriöse Berichterstattung darunter nicht leiden! Das wird dann doch zu unprofessionell!

        • @2097 (Profil gelöscht):

          linke Politik, dieser Artikel wie viele andere vor ihm zeigt wieder mal schön auf wie zerstritten das linke Lager in der BRD sind. Statt dass man sich freut das es zumindestens Menschen gibt die ähnliche Werte vertreten, werden diese aufs härteste bekämpft weil diese nicht links genug oder zu links seien. So wird das nie was, Idealismus zu haben heißt nicht verbohrt zu sein, seinem politischem Konkurrenten nichts zu gönnen und möglichst keine Kompromisse zu machen, das ist Sturheit, Verbohrtheit, aber sicher kein Idealismus.

          • 2G
            2097 (Profil gelöscht)
            @wirklich?:

            Unsinn, wer nicht sozial handelt gehört kritisiert. Wer Vermögende und die oberen Einkommensschichten entlastet und die unteren und mittleren Einkommensschichten belastet gehört abgewählt und verdient die Bezeichnung sozial nicht! Als Wähler und Bürger dieses Landes habe ich nicht vor mir alles gefallen zu lassen. Das wäre auch taktisch sehr ungeschickt! Wer sich von diesen Parteien immer noch für dumm verkaufen lässt, ist wirklich zu bedauern! Mit dieser ignoranten und unkritischen Einstellung von Ihnen wird keine soziale Verbesserung erreicht. Wenn Sie so in Verhandlungen gehen im Leben erreichen Sie nie etwas und werden sich immer in einer schlechten beruflichen Positionierung und in der Prekarisierung wiederfinden!