Kommentar Türkei und Nato-Tagung: Erdoğans verlogenes Spiel
Das Ergebnis der Nato-Tagung spielt dem türkischen Präsidenten in die Hände. Die Bekämpfung des „Islamischen Staats“ wird immer grotesker.
D ie Nato-Tagung am Dienstag und die Umstände ihrer Einberufung durch die Türkei haben die immer groteskeren Widersprüche der Politik zur Bekämpfung des „Islamischen Staats“ deutlich gemacht. Und sie hat den Unwillen der Nato-Mitglieder demonstriert, daraus Konsequenzen zu ziehen im Interesse einer erfolgversprechenden Strategie zur Überwindung des islamistisch gestützten Terrorismus im Krisenbogen von Marokko bis Pakistan.
Die Abschlusserklärung der Nato-Tagung kann der türkische Präsident Erdoğan sogar als Placet der 27 Bündnispartner interpretieren, sein verlogenes Doppelspiel der tatkräftigen Unterstützung des Islamischen Staates (IS) bei gleichzeitiger symbolischer Bekämpfung fortzusetzen.
Der IS kann das türkische Territorium weiterhin ungehindert nutzen für den Nachschub von Waffen und neuen Kämpfern aus Europa sowie für den profitablen Verkauf von Öl und Antiquitäten. Zugleich fliegt die türkische Luftwaffe symbolische Angriffe gegen einige ausgewählte Stellungen des IS, konzentriert sich vor allem aber auf den Krieg gegen die türkisch-kurdische PKK sowie demnächst sehr wahrscheinlich auch gegen die syrische Kurdenmiliz YPG.
Die wiederum gilt bislang vor allem den USA als wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den IS. Wegen all dieser Widersprüche sowie angesichts der realen Machtverhältnisse entlang der syrisch-türkischen Grenze hat die zwischen Washington und Ankara im Vorfeld der Nato-Tagung erwogene Schaffung einer vom IS befreiten „Sicherheitszone“ auf der syrischen Grenzseite kaum eine Chance auf Realisierung.
Es ist nicht auszuschließen, dass Erdoğan mit seiner zynischen Politik die nächsten Wahlen für sich entscheiden kann. Langfristig stärkt der türkische Präsident mit seiner Politik allerdings das von ihm abgelehnte Bestreben der kurdischen Volksgruppen in der Türkei, Syrien, im Irak und auch im Iran nach einen eigenen gemeinsamen Staat.
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