Kommentar Tortenwurf auf Wagenknecht: Schlecht gezielt
Die Tortenwerfer haben sich verrechnet. Die Solidarität mit Sahra Wagenknecht lässt jede Debatte über ihre Positionen verstummen.
N un hat es auch Sahra Wagenknecht getroffen: sie bekam beim Parteitag der Linken in Magdeburg eine Sahnetorte ins Gesicht gedrückt. Damit erlitt Wagenknecht das gleiche Schicksal wie AfD-Frontfrau Beatrix von Storch drei Monate zuvor.
Die Parallele war von den Werfern – zwei Personen aus linken Strukturen – beabsichtigt. Wagenknecht reagierte später mit der Bemerkung „schlimmer als die Torte sei die Beleidigung mit von Storch auf eine Ebene gestellt zu werden.“
Auch wenn man Wagenknecht und der Linken sicherlich einen anderen Auftakt des Parteitages gewünscht hätte: Die Demütigung nutzt Wagenknecht letztendlich mehr als sie schadete.
Denn die Debatte um Gastrecht und Obergrenzen ist damit auf dem Parteitag praktisch erledigt. Sahra Wagenknecht, an deren Äußerungen sich die innerparteiliche Diskussion entzündet hatte, ist nach der Attacke auf sie erst einmal sakrosant. Die Delegierten empfingen sie, als sie nach einer Auszeit frisch frisiert und kostümiert wieder auf dem Plenum eintraf, mit kräfigem Applaus.
Die Partei schart sich um Wagenknecht
Kipping, die Wagenknechts Forderungen als „AfD light“ kritisiert hatte, stellte sich sofort nach dem Angriff vor Wagenknecht mit den Worten: „Das ist nicht nur ein Angriff auf Sahra, sondern auf uns alle.“
Und genau das passiert – die Partei schart sich um Wagenknecht. Sie zu kritisieren wird schwieriger, denn wer will sich schon mit Leuten gemein machen, die Wagenknecht entwürdigen und auf eine Stufe mit Beatrix von Storch stellen. Wagenknecht wird diese Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen.
Dabei bräuchte die Linke dringend eine offene Debatte, nicht nur zu AfD-Forderungen nach Abschottung und Kontingenten. Darüber schwebt die Diskussion, wie national oder international sie sich aufstellen will. Fordert sie weiterhin wolkig offene Grenzen für alle Menschen in Not oder denkt sie pragmatisch auch über ein Einwanderungsgesetz nach für Menschen, die nicht verfolgt werden? Will sie Solidarität vor allem innerhalb der Grenzen Deutschlands oder international? Welche Angebote soll man den AfD-Wählern machen, die einst ihr Kreuzchen bei der Linken machten? Oder sollte die Partei diese schätzungsweise 400.000 AfD-Wähler ganz rechts liegen lassen und sich auf jene Menschen konzentrieren, die die Linke im Moment wegen ihrer liberalen Flüchtlingspolitik für sich entdecken?
Fragen, die die Linke dringend vor der Bundestagswahl für sich klären sollte. Sonst macht sie sich angreifbar – nicht nur für durchgeknallte Tortenwerfer.
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