Kommentar Streit um Brexit-Deal: Der Ball liegt bei der EU
Das britische Parlament will den Brexit-Deal retten – wenn nachgebessert wird. Die EU muss jetzt entscheiden: Nachverhandlungen oder No Deal?
T heresa May hat es wieder einmal geschafft. Nur zwei Wochen nach der größten parlamentarischen Niederlage der britischen Geschichte hat die Premierministerin jetzt doch noch eine Mehrheit im Unterhaus für ihren Brexitkurs erhalten.
Am 15. Januar hatten die Abgeordneten den Vertragstext zum britischen Austritt aus der EU, auf den sich London und Brüssel im November geeinigt hatten, mit 432 gegen 202 Stimmen in die Tonne getreten – am 29. Januar votierten sie mit 317 gegen 301 Stimmen dafür, May zu Neuverhandlungen zurück nach Brüssel zu schicken, um eben jenen Deal doch noch zu retten.
Das ist eine große politische Leistung, die Europa honorieren sollte. Es war für Theresa May nicht selbstverständlich, zu versuchen, ein Vertragswerk am Leben zu erhalten, das ihr eigenes Parlament faktisch für tot erklärt hatte. Sie hat dafür ihr gesamtes politisches Kapital in die Waagschale geworfen – und es hat sich ausgezahlt. Ihr Kurs hat sich durchgesetzt, Ansinnen zu einer Verschiebung des Brexit hingegen scheiterten.
Unter rein logischen Gesichtspunkten ist es selbstverständlich, dass der Brexit-Deal nur dann noch zu retten ist, wenn er nachgebessert wird. Die alte Fassung vom November ist nicht mehrheitsfähig. Neue Konzepte müssen also her.
Nachverhandlungen müssen möglich sein
Der Ball liegt jetzt bei der EU. Nach dem 15. Januar hatte es in der EU geheißen, der Ball liege jetzt bei den Briten und die sollten neue Vorschläge unterbreiten. Jetzt, wo sie es tun, ist es weder akzeptabel noch vernünftig, einfach darauf zu beharren, dass keine Nachverhandlungen möglich sind, so wie es die EU in ersten Reaktionen getan hat.
Nachverhandlungen sind immer möglich. Es ist eine Frage des politischen Willens. Im Moment zeigt die britische Seite großen Willen – und die europäische Seite überhaupt keinen.
Die Optionen auf dem Tisch sind jetzt klar. Entweder der Deal wird in einer Weise verändert, die eine Ratifizierung durch beide Seiten – dazu gehört eben auch das britische Parlament – ermöglicht. Oder er wird nicht ratifiziert, und dann folgt ein No-Deal-Brexit. Europa hat die Wahl.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen