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Kommentar Strache und die FolgenNur ein mittelmäßiger Gangster

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das Strache-Video durchkreuzt das bürgerliche Bild der Rechten. So schaffen sie selbst die Öffentlichkeit, die sie nie wollten.

Dass Strache wie ein mittelmäßiger Gangster wirkt, lässt sich nicht als Einzelfall verklären Foto: ap

R echtspopulisten können sich ziemlich viel erlauben. Dass die AfD Holocaust-Leugner in ihren Reihen duldet, dass die Rechten Wahlkämpfe mit Geld aus dunklen Quellen bestreiten, dass Le Pen sich aus Russland finanzieren lässt – all das schadet kaum. Fehler von rechten Führungskadern werden stets zu bösartigen Inszenierungen der Mainstream-Medien oder linker Gegner umgedeutet.

Auch ein Fraktionschef wie Alexander Gauland, der im TV-Interview von Rente bis Digitalisierung seine Ahnungslosigkeit noch nicht mal verhüllt, wird achselzuckend hingenommen.Die Rechtspopulisten beherrschen die Technik der Selbstviktimisierung perfekt. So scheint alles an ihnen abzuperlen. Das binäre Weltbild – wir gegen die – wirkt wie eine Schutzfolie, die gegen Zweifel und Kritik imprägniert.

Vielleicht bekommt diese strapazierfähige Folie gerade einen Riss. Zwar versuchen AfD und FPÖ wie üblich, finstere Mächte für dieses „politische Attentat“ (Strache) verantwortlich zu machen, doch der Rollenwechsel vom Täter zum Opfer gelingt nicht so recht.

Laxen Umgang mit der Verfassung, mit Geld, demokratischen Prinzipien oder der Pressefreiheit nimmt die rechtspopulistische Kliente für gewöhnlich nicht übel. Doch die Ibiza-Affäre legt zwei weiche Stellen bloß: Patriotismus und bürgerliche Wohlanständigkeit.

Dass Strache in dem Video für einen billigen Vorteil die Kronen-Zeitung an russische Oligarchen verscherbelt sehen wollte, spricht ja nicht eben für innige Vaterlandsliebe. So bereitwillig die Tore für ausländische Einflussnahme zu öffnen, ist nicht nur korrupt – es demontiert das Selbstbild der Rechtspopulisten als unbestechliche Hüter nationaler Interesse.

Mehr als österreichische Innenpolitik

Das Video durchkreuzt auch das Bild der Rechtspopulisten als bürgerlich und tugendhaft. Das diente ihnen als nicht nur als Abgrenzung gegen die korrupten Eliten – Rechtspopulismus ist, als Bündnis von Rechtskonservativen mit Rechtsextremen, auf den Anschein bürgerlichen Anstands angewiesen, ohne den dieses immer etwas labile Konstrukt zusammen fällt. Dass Strache, neben Le Pen und Salvini, einer der Stars des europäischen Rechtspopulismus, ohne Maske wie ein mittelmäßiger Gangster wirkt, lässt sich jedenfalls nicht als Einzelfall verklären.

Womöglich trägt dieses simulierte Video mehr zur Entzauberung der Rechtspopulisten bei als x investigative Recherchen und aufgedeckte Skandale. Erfreulich ist auf jeden Fall, dass der Fall Strache 2019 mehr ist als österreichische Innenpolitik. Ebenso wie der enge Kontakt der Konservativen zu Orbán oder die lasche Korruptionsbekämpfung der rumänischen Sozialdemokraten zeigt das Desaster der FPÖ: Wir erleben die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit.

Dass die nicht existiere und der Nationalstaat daher das einzig mögliche Gefäß der Demokratie sei, gehört zum Kanon der EU-Skeptiker. Dass nun die EU-feindliche FPÖ vor Augen führt, dass in der EU eine politische Öffentlichkeit entsteht, ist eine hübsche Pointe dieser Posse.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • „Finstere Mächte“? - Ja was denn sonst?

    Der Teufel hat den Schnaps gemacht,



    daran hat Strache nicht gedacht.



    Bei Wodka und mit Schnee im Tee,



    kommt es recht bald zum Tête-à-Tête.



    Gibst Du mir dies, geb ich Dir das,



    komm öffnen wir noch schnell ein Faß.



    Wem Du es heute kannst besorgen,



    verschieb ihn besser nicht auf morgen.



    Und die Moral von der Geschicht',



    die gibt es nicht.

    • @Rainer B.:

      "Der Teufel hat den Schnaps gemacht" (Rainer B.)



      Jajaja, des is scho a teiflischs Schpül, gell:



      www.youtube.com/watch?v=DMczzdJ4rsw



      www.golyr.de/huber...hnaps-1460452.html



      Da bist k.o. und merkst es erst hinterher... Und keiner hat ein Erbarmen, mit den Armen:



      www.krone.at/1926648



      Na, denn Prost!

      • @LittleRedRooster:

        Alles klar! [...] Ich fress 'nen Hexenbesen, wenn da mal nicht wieder der österreichische Bolschewismus dahintersteckte. Schnaps - des is a häuser-anzünder! (;-))

        Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Moderation

        • @Rainer B.:

          Ach Gottchen - wie soll das denn gehen bei soviel Besoffenheit. Ich geb's aber gern an Strache und die FPÖ weiter.

  • Ich bin mir da nicht so sicher. Erstens ist für praktisch alle Rechten Russland die Lieblingsmacht und fast sowas wie das rechte Vaterland geworden.

    Und zweitens ist es genau diese moralische Verkommenheit und Skrupellosigkeit, die viele Rechts-Wähler an den Rechtspopulisten so mögen. Das beneiden und bewundern die einfach. Eine Zeitung kaufen zu lassen und dann mit den richtigen Leuten zu besetzen, um die Partei zu pushen, erscheint denen als völlig legitim, zumal sie ja glauben, dass das "System" die Medien eh fernsteuert.

    Der Erfolg von Leuten wie Trump, Orbán und Duterte zeigt sehr schön, wie weit sowas tragen kann.

  • - Gerne würde ich dem Kommentar glauben, aber die Zweifel, sie nagen.



    Das System- oder genauer: Die Verfaßtheit der Gesellschaft produziert eben nimmermüd solche Straches.



    Wer wollte oder könnte das gebärende System ändern?



    Ein Blick in die USA beweist , dass Trump wohl von der überwiegenden Mehrheit gewählt wird, nicht obwohl, sondern weil er auftritt wie ein auf bürgerliche Konventionen kackender und kotzender Rüpel.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich bin stets amüsiert, wenn ein Ereignis wie dieses von Prognosen begleitet wird. Um auch hier mitreden zu können, werde ich Kristallkugel und Tarot wieder auspacken, die seit einiger Zeit ungenutzt in einer Kiste im Keller liegen.

    Einstweilen empfehle ich die Schnappatmung einzustellen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Es hat etwa zwei Jahre gedauert, bis diese Videoaufzeichnung publik wurde. Was machen da ein paar Tage aus?



    Der Untergang des Abendlands steht vermutlich auch heute nicht an.

    Nach Diktat wieder an meinen Kletterbaum gehangen. Gähn ...

  • Das Fatale ist, dass sehr viele Anhänger und Wählerschichten dieser Art "Politiker" leider nicht die hellsten Lichter am Christbaum sind. Zugleich ist deren Haß auf die Eliten so massiv ausgeprägt, dass sie das Geschehene geneigt sind zu verharmlosen. Daher befürchte ich, dass die Wirkung des Geschehenen bei diesen Leuten schnell verblassen wird. Es ist die Aufgabe - auch - der Medien, diese Leute wieder zu erreichen, um ihnen z.B. das Geschehene in verständlicher (und wirkungsvoller) Weise klar zu machen.

  • Bei aller Begeisterung für das Eigentor - daraus aber auf andere Rechte zu schließen, macht keinen Sinn.

  • Die Austro-Rechten und ihre 'Brüder im Geiste' in anderen Ländern dürften nur grinsen. Dumm gelaufen, beim nächsten mal passen wir halt besser auf. Strache geriert sich bereits als Opfer - erinnert mich sehr an F.J.Strauß... Das die faschismusaffinen Wähler in der 'Ostmark' sich davon abhalten lassen, erneut die FPÖ zu wählen, ist nicht zu erwarten. Der Chef des Magazins "Falter" warnte schon vor zu großen Hoffnungen auf ein Abstrafen der FPÖ. Das schlagendste Argument gegen Strache und Co in seiner Wählerschaft - und das ist ein fatales - ist der 'Ausverkauf' der 'Kronen-Zeitung' an 'Ausländer'. Zu guter Letzt: in Österreich wurde von allen politischen Richtungen - von SPÖ bis ÖVP - versucht Einfluss auf die "Kronen-Zeitung" zu bekommen, an der ja die bundesdeutsche Funke-Gruppe (einst als "WAZ-Krake" in NRW bekannt) beteiligt ist. Diese aht kürzlich Anteile an den Immobilienspekulanten Rewne Benko verkauft (Karstadt-Eigner), welcher als ÖVP-Kurz-Spezi bekannt ist. In Summe bedeutet das nicht viel Hoffnung auf eine demokratische Renaissance in Ösiland.....