Kommentar Steinmeier und SPD: Den Bogen überspannt
Steinmeier ist nicht das erste Staatsoberhaupt, das mit taktischen Manövern unter Druck gesetzt wird. Es wäre schön, wenn er diesmal hart bleibt.
E in Bundespräsident ist kein Wackeldackel, der immer brav mit dem Kopf nickt, wenn ihn jemand anstupst. Und die Verfassung ist kein Schreibspiel, das sich mit einfallsreichen Tricks gewinnen lässt. Frank-Walter Steinmeier hat recht mit seinem Hinweis auf die hohe Bedeutung des Wählerwillens und mit seiner scharfen Mahnung an die Parteien, sich nicht vor der politischen Verantwortung zu drücken.
Im Grundgesetz steht, dass sich der Bundestag nicht selbst auflösen kann. Wer das nicht gut findet, muss um eine Mehrheit für eine Änderung kämpfen. Statt zu versuchen, die Verfassung zu umgehen, ohne sie zu brechen.
Steinmeier ist nicht das erste Staatsoberhaupt, das mit taktischen Manövern unter Druck gesetzt wird. Alle haben am Ende nachgegeben, aber vielleicht hat die SPD jetzt den Bogen überspannt. Vielleicht bleibt der Bundespräsident in diesem Fall hart. Das wäre schön. Er zeigte damit Respekt vor der Verfassung, auf deren Verteidigung er einen Eid geschworen hat.
Denn natürlich richtet sich die Mahnung von Steinmeier vor allem an die SPD. Ja, die FDP war für das Scheitern der Jamaika-Sondierungen verantwortlich. Aber zumindest hat sie verhandelt. Die SPD sagte hingegen bereits am Wahlabend ab. Das war damals verständlich, ebenso verständlich wie der Wunsch nach einer Denkpause in der Opposition. Aber die Situation ist heute eine andere als unmittelbar nach der Bundestagswahl. Bisher haben die Sozialdemokraten ihre Absage an eine Neuauflage der Großen Koalition niemals inhaltlich begründet. Kein Wunder. Ideologische Gräben lassen sich kaum ins Feld führen, wenn man weiterhin geschäftsführend und ohne größere Konflikte gemeinsam regiert.
Was erhofft sich die SPD eigentlich von Neuwahlen? Nicht einmal nachts um zwei kann die Parteispitze glauben, sie werde daraus als stärkste Fraktion hervorgehen. Das bedeutet: Sie tritt mit der Botschaft an, nicht regieren zu wollen. Warum sollte man sie dann wählen? Dafür gibt es doch die Linke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz