Kommentar Reiterstaffel Hamburg: Auf dem Rücken der Pferde
In Hamburg verletzt ein Polizeipferd einen Demonstranten schwer. Das antiquierte Herrschaftsgebaren gehört abgeschafft.
T iere sind nicht dazu da, gegen Menschen eingesetzt zu werden, die aus politischen Gründen auf die Straße gehen. Welche Risiken durch den Einsatz einer Reiterstaffel von der Polizei billigend in Kauf genommen werden, zeigte sich wieder mal bei einer Demonstration zum 1. Mai in Hamburg: Ein Polizeipferd trat einem Anwesenden ins Gesicht und verletzte ihn schwer.
Nicht wegen des Leids der Tiere oder des der Demonstranten, sondern wegen des unzulänglichen Kosten-Nutzen-Effekts hatte die Hamburger SPD 2009 noch aus der Opposition heraus den Einsatz der Reiterstaffel in Frage gestellt. Drei Jahre später gab Innensenator Michael Neumann (SPD) grünes Licht für die Verlängerung ihres umstrittenen Einsatzes. Dabei liegen die Gründe, den Holzweg eines antiquierten Herrschaftsgebarens zu verlassen, auf der Hand.
Tierschützer der Organisation Peta verweisen etwa darauf, dass die Dressur einer artgerechten Haltung widerspreche. Und radikale Tierrechtsaktivisten halten es für falsch, Tiere gegen ihren Instinkt daran zu hindern, einer unübersichtlichen und für sie bedrohlich wirkenden Situation zu entfliehen. Die Tatsache, dass viele Bundesländer ihre Reiterstaffeln aufgegeben haben, zeigt: Es geht auch sehr gut ohne sie.
Polizeipferde sind in Hamburg vor allem deswegen im Einsatz, weil die Polizei sich immer noch gerne in erhabener Position sieht. Letztlich ist die Reiterstaffel nur dazu da, um einzuschüchtern und Macht zu demonstrieren. Ohne Rücksicht auf Verluste, denn verlieren die berittenen Polizisten die Kontrolle über ihre Pferde, kann es für alle Beteiligten lebensgefährlich werden.
Pferde sind scheue und sensible Fluchttiere, die auf einer Demonstration angesichts der Menschenmasse erheblich in Stress geraten. Der Vorfall vom Maifeiertag in Hamburg reiht sich ein in die Geschichte unkontrollierter Gewalt, bei der Angst, Schrecken und Verletzungen Teil der Rechnung sind. Deshalb sollte die Reiterstaffel lieber gestern als heute abgeschafft werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“