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Kommentar Proteste gegen G20Nie wieder Hamburg

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Es war ein Gezerre zwischen staatlichem Gewaltmonopol und Versammlungsfreiheit. Man sollte die Konferenzen in New York und Brüssel stattfinden lassen.

Würde der G20-Gipfel in New York oder Brüssel stattfinden, müssten sich auch die armen deutschen Polizisten nicht mehr so anstrengen Foto: dpa

In einer deutschen Großstadt wird nie wieder so ein Gipfel stattfinden“, verkündete Bundesjustizminister Maas (SPD) – und spiegelt damit ein über Hamburg hinaus verbreitetes Gefühl wider: Risiken und Belastungen für die Bevölkerung stehen in keinem Verhältnis zum Ergebnis.

Sofort schlug ihm Widerspruch entgegen: Gewalttätige Chaoten dürften nicht darüber bestimmen, wo sich Staatenlenker träfen, erregte sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Der Triumph der radikalen „Welcome to Hell“-Demo-Veranstalter scheint ihm recht zu geben. Auf ihrer Website brüsten sie sich: Man habe es geschafft, die „Glitzershow“ zu „beschmutzen“ und den Teilnehmer*innen die „ideologische Soße“ zu „versalzen“.

Die Frage danach, wer im Staat das Sagen hat, ist weit mehr als politische Kraftmeierei. Sie ist zentral für eine Demokratie, die sich das Gewaltmonopol des Staates ins Grundgesetz geschrieben hat – aber auch das Recht auf Versammlungsfreiheit, wozu Protest gehört. Allerdings muss dieser sich auch entfalten können. Umstrittene Gipfeltreffen in entlegenen Orten abzuhalten und von der Öffentlichkeit abzuschirmen, wie 2015 beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau, mag aus ordnungspolitischer Sicht schlau wirken, ist aber undemokratisch. Und für die ungleich größere G20-Variante ohnehin keine Alternative. Solche Gipfel künftig nur noch in protestfreien Diktaturen abzuhalten verbietet sich.

Vieles spricht für eine pragmatische Lösung, von der dieser Tage viel zu hören ist: New York bietet als Sitz des UN-Hauptquartiers Infrastruktur und Platz genug, viele Delegationen sind rund um die Vollversammlungen schon vor Ort. Das Gleiche gilt auf europäischer Ebene für Brüssel – wieso kein Wechsel zwischen beiden Orten, der transatlantischen Ausgewogenheit wegen?

Doch „gewinnen“ dann nicht die Autonomen? Mag sein. Aber Brüssel und New York sind für diese Szene eine deutlich unattraktivere Kulisse.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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16 Kommentare

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  • Sie wissen schon, Herr TAZ_COMMENT, Sie wiederholen sich andauernd....

  • Sie wissen schon......

  • Drinne gab es Ludwig van, draussen ein kleines bisschen Horrorshow,

     

    Jede Gruppe wurde gut unterhalten und trug ihren Teil dazu bei,

     

    auch die Presse,

     

    und die Empörten,

     

    insgesamt handelt es sich um solche eine klischeehafte und uninspirierte Vorführung, die man nicht mehr sehen möchte.

  • Ich hatte irgendwo mal die Idee einer öffentlichen Konferenz aufgeschnappt. Also Livestream, TV-Übertragung etc.

    Man müsste dafür vielleicht Abläufe ändern, allerdings wäre es viel nachvollziehbarer, was dort geschieht. Dazu vielleicht noch Oppositionsführer aus den Ländern, um das Ganze abzurunden.

    Utopisch? Nicht durchführbar? Wurde über das Fliegen auch mal gesagt :-)

  • Ungeachtet aller Kritik haben G20 Gipfel und ordentliche Demonstrationen eine schutzwürdige Berechtigung und müssen auch in Deutschland ausgetragen werden können. Brüssel kommt als Austragungsort bereits deshalb nicht in Frage weil Belgien kein Miglied der G20 ist!

     

    Nur wegen ein paar Straftätern darf man sowas nicht vermeiden. Dann müssen Schutzzone und Polizeieinsatz beim nächsen mal noch etwas größer ausfallen.

     

    Wer über das Ausmaß der Gewalt überrascht ist, ist naiv.

  • Nichtöffentliche Sitzungen einer erlesenen Runde sind undemokratisch!

  • Wir sollten vier Fragen voneinader trennen:

    1. Wozu sind diese Gipfel gut. Brauchen wir sie? Wenn ja, was muss sich daran ändern?

    2. Wo ist es organisatorisch passend, solche Gipfel zu veranstalten? Wo sind die Beeinträchtigungen für die Bevölkerung akzeptabel?

    3. Wie soll Protest künftig ermöglicht werden. Erst erlaubte Demonstrationen unterbieten und dann bei sowieso verbotenen Randalen nicht einschreiten, scheint keine gute Lösung zu sein.

    4. Aber auch, was ist das Gewaltverständnis der linken Szene? Aber auch was dürfen verdeckte Ermittler und V-Leute in diesem Zusammenhang tun? Warum wurden die Chaoten auf dem Dach alle freigelassen? Wie viele V-Leute wurden zunächst festgenommen und dann wieder freigelassen?

     

    Maas überrascht auch hier wieder mit einer ignoranten Einstellung gegenüber dem Rechtstaat.

    • @Velofisch:

      1. Direkter Kontakt der wirtschaftlich wichtigsten Länderregierungen der Welt bei einem persönlichen Treffen. Daran muss sich nichts ändern, daran sollte sich nichts ändern. Für andere Formate gibt es andere Versammlungen (zb. UN-Generalversammlung).

      2. Es kommen auf Grund der Größe der Entourage und der Wichtigkeit eig. nur Metropolen in Frage.

      3. "Künftig"? Vielleicht sollte man noch einmal betonen das bis auf eine Demo mit dem klangvoll friedlichen Namen "Welcome to Hell" (wer den Titel genehmigt hatte wüsste ich auch mal gerne), jegliche Demonstration in Hamburg problemlos abgelaufen ist die angemeldet war. Dazu ein alternativer Gipfel mit durchaus interessanten Aspekten. Die hier kolpotierte Demonstrationsunfreiheit wegen dem Eingriff bei einer Demo (wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot) ist pures Wunschdenken.

      4. Ist vorhanden, aber immer gut, man ist ja auf der richtigen Seite (aber bitte im richtigen Viertel, Routenplaner werden nächstes mal ausgelegt)? Tja und danach rotiert dann der Aluhut, ich bin ja schwer dafür, dass das alles russische Hacker waren.

       

      Tja Heiko Maas und der Rechtsstaat ist halt eine Gesichte voller Missverständnisse.

  • Und warum ist oder soll in Brüssel und New York möglich sein, was in Hamburg nicht möglich war?

     

    Der Widerspruch gegen G20 ist legitim, noch legitimer ist es Kleptokraten, Diktatoren und Alleinherrschern keine Bühne bieten zu wollen.

     

    Warum man dafür allerdings dafür den öffentlichen Raum und das Eigentum Anderer verwüsten muss ist nicht so klar.

     

    Lassen wir mal die Krawalltouristen außen vor, reden wir hier von einem Klientel, dass zu großen Teilen von der Allgemeinheit alimentiert wird und sich nicht im geringsten schämt Geld anzunehmen, dass diese schlussendlich in einem Kapitalistischen System erwirtschaftet hat. Die dahinterstehende Ironie ist geradezu grenzenlos.

     

    Ich denke den nächsten G20 Gipfel sollten wir in Berlin halten.

    • @insLot:

      Der erste G20 Gipel fand in Berlin astatt. Schon gewußt? - Und wie albern, zu monieren, dass da auch Diktatoren und ähnliche Widerlinge ... (nur Krankenhausbombardeur Putin, der ist eigentlich ganz nett, oderle?)

      es geht nicht um "Bühne bieten" sondern um Diplomatie und Ziele. Informiere Dich über die Inhalte und die Teilnehmer. Beispielsweise war eine grosse zivilbürgerliche Delegation aus afrikanischen Staaten dabei, bebst dem Teilnehmer Südafrika.

    • @insLot:

      soso,sie kennen alle Mitglieder des "Schwarzer Block e.V." persönlich und wissen genau,dass diese alle keine Steuern zahlen?

      Und wer Geld vom kapitalistischen System nimmt,hat gefälligst die Schnauze zu halten?

      Genau diese Duckmäuserei und das autoritäre Gehabe der spiessbürgerlichen Wohlstandskinder sind es,die in einem die Wut hochkochen lässt - Ist Protest nur legitim,wenn man a)entweder wirtschaftlich erfolgreich und somit unabhängig vom Staat lebt oder b) als selbstversorgender Einsiedler im selbstgestrickten Hanfpulli im Wald?

      Die Linken als "arbeitsloses Gesocks" abzuwerten und ihnen damit jegliche Legitimation zum Protest abzusprechen entspricht genau den gewalttätigen Herrschaftsverhältnissen,die JEDEN Bürger unterdrücken.

      Wie wärs mal mit ein bisschen Solidarität mit Arbeitslosen?Der Wert eines Menschen misst sich nicht am Steuerbescheid.

  • Was soll das ganze Gerede von hehren Werten wie Gewaltmonopol und Meinungsfreiheit, wenn das Fazit am Ende Lautet: "Machen wir's doch da, wo es am praktischsten ist (und bloß ja nicht bei uns vor der Haustür)"?

    Sollen in Brüssel und New York die (dort bereits als Lobbyisten ansässigen) NGOs Bataillone von Profiprotestlern unterhalten, die dann jedesmal aufmarschieren und (schön laut, aber diszipliniert) die Demos übernehmen, wenn ein Gipfel ansteht?

     

    Davon abgesehen hat de Maizière Recht. Es kann nicht Ziel der Demokratie sein, dass Berufsbedenkenträger wie Heiko Maas NoGo-Areas für politische Veranstaltungen definieren, um nur ja keine Extremisten zu provozieren. Dass Hamburg tradtionell eine starke und - sagen wir mal: - der Anwendung von Gewalt nicht durchgängig abholde autonome Szene hat, sollte jedenfalls keinen Grund liefern, um die Stadt von wichtigen Ereignissen wie so einem Gipfel auszuschließen.

     

    Es ist ein wenig wie mit dem Terrorismus: Unsere Freiheit wäre das größere Opfer (und die Hamburger sollen nicht so tun, als wären sie nicht mehrheitlich ganz froh, ihre Stadt auf der Short List für bedeutsame Konferenzen zu sehen).

  • Warum soll Brüssel eine unattraktivere Kulisse sein?

    • @rero:

      Gute Frage :)

  • „Solche Gipfel künftig nur noch in protestfreien Diktaturen abzuhalten verbietet sich“

     

    In der Tat. Denn wie das z. B. voriges Jahr in Hangzhou (China) ablief, ist in http://german.xinhuanet.com/201609g20/index.htm nachzulesen. Ehemalige DDR-Bürger fühlen sich an alte Zeiten erinnert. Denn von einer „Welcome to Hell“-Demo wurde nichts bekannt Auch nicht von Autonomen, die es geschafft hätten, die „Glitzershow“ zu „beschmutzen“ und den Teilnehmer*innen die „ideologische Soße“ zu „versalzen“

     

    Weshalb New York und Brüssel, in denen es ebenfalls soziale Brennpunkte und „Autonome“ gibt, trotzdem „für diese Szene eine deutlich unattraktivere Kulisse“ bieten, erschließt sich mir nicht. Und auch nicht, warum das nicht auch in anderen Städten möglich sein sollte.

     

    Und wenn ein solcher Gipfel fernab jeder Metropole stattfände? Dann gäbe es einen erneuten Aufschrei: „DIE scheuen das Licht der Öffentlichkeit!“

  • Hmm, also ich bin da sehr zwiegespalten. Das wäre so, als wenn man sagt: Ok, in Freital kommen ab jetzt keine Schutzsuchenden mehr unter. Die Spannungen sind einfach zu groß in der Bevölkerung.

     

    Wenn man so anfängt, dann gleicht das einer Art Selbstjustiz.