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Kommentar Lage in BarcelonaUnd sie wissen, was sie tun

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

Die Wahl des Anschlagorts ist kein Zufall. Schon bei den Anschlägen von 2004 ging es um eine weitere politische Dimension: die Unabhängigkeit.

Trauer in Barcelona Foto: dpa

N izza, Berlin, London und jetzt Barcelona: Fahrzeuge rasen in Menschenmengen und hinterlassen zahlreiche Tote und Verletzte. In Barcelona kamen am Donnerstagnachmittag mindestens 13 Menschen ums Leben, über 100 wurden zum Teil schwer verletzt. Wenige Stunden später wiederholte sich das Schreckensszenario in Cambrils, einem Ort am katalanischen Mittelmeer. Dort wurden sieben Menschen verletzt, eine Person schwer. Die fünf Angreifer wurden von der Polizei erschossen.

Die Anschläge mit Fahrzeugen in Nizza, Berlin, London und Katalonien gleichen sich. Und doch gibt es einen ganz entscheidenden Unterschied: Die radikalen Islamisten, ob von Al-Qaida oder IS, wählen in Spanien ihre Ziele und den Zeitpunkt nicht von ungefähr. Spanien ist „ihr“ Al-Andalus, das Land des goldenen Zeitalters des Islam. Sie kennen sich mit spanischer Innenpolitik aus und mischen sich auf ihre blutige Art und Weise ein. Das war einst am 11. März 2004 so, als mehrere Bomben in Madrider Nahverkehrszügen 192 Todesopfer forderten, das ist auch jetzt der Fall. Spanien ist für Islamisten ein ganz besonderer Ort.

2004 blieben nur wenige Tage bis zu den Parlamentswahlen. Die Anschlagsserie von Madrid brachte die konservative Regierung zu Fall, die Sozialisten unter José Luis Rodríguez Zapatero gewannen überraschend. Der konservative José María Aznar hatte an den Seiten der USA und Großbritannien Truppen in den Irak geschickt; Zapatero zog sie ab.

Jetzt steht wieder ein Urnengang an. Die Autonomieregierung in Katalonien bereitet für den 1. Oktober gegen den Widerstand der Zentralregierung in Madrid eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vor. Der Zeitpunkt für die Attentate von Barcelona und Cambrils wurde kaum zufällig gewählt.

Echte Empathie

Stellt sich die Frage, wie die Schreckensnacht den Urnengang am 1. Oktober beeinflusst. Was feststeht: Die Autonomieregierung bewies im Umgang mit den Attentaten, dass Katalonien tatsächlich als Land funktionieren kann. Die Autonomiepolizei, die die Ermittlungen führt, arbeitet äußerst effektiv. Sie kamen den Attentätern schnell auf die Spur, nur wenige Stunden nach der Terrorfahrt wurden erste Verdächtige festgenommen, ein Fluchtfahrzeug gefunden und in Cambrils Schlimmeres verhindert. Und all das in eigener Regie. Zweifelsohne zeigte dieser Einsatz: Ein unabhängiges Katalonien ist möglich.

Allerdings sollten die Katalanen eines nicht vergessen: Die Solidarität im restlichen Spanien ist enorm. Überall werden die Menschen heute in Solidarität für Schweigeminuten auf die Straße gehen. Die Spanier, egal welcher Kultur und Sprache, sind geschockt, leiden mit. Sie empfinden Katalonien als Teil Spaniens – und das nicht aus einem dumpfen Nationalismus heraus, wie ihn die Madrider Regierung unter Mariano Rajoy nur allzu oft an den Tag legt, sondern aus echter Empathie. Es wäre einen Versuch wert, ein Spanien zu schaffen, in dem alle Platz haben und gemeinsam gegen die Gefahren der Zukunft angehen.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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51 Kommentare

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  • Wow, diesen Artikel fand ich höchst interessant. Es sind alles Zusammenhänge dir mir überhaupt nicht bekannt waren.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Islamistische Terroristen kommen nicht aus dem nichts. Sie haben ein anderes uns diametral entgegengesetzes Gescchichtsverständnis, sie haben auch In den Familien Geschichten und Geschichte gehört, die wir nicht zu hören bekommen von Demütigungen, Deskriminierungen und Massakern verübt im Namen der Zivilisation, der einzigen, der unserigen, denn die anderen waren ja bloss Kameltreiber. Das sitzt tief drin und labile unkritische Menschen lassen sich leicht verführen.

    https://m.youtube.com/watch?v=Ejck2djt_cI

    • @82236 (Profil gelöscht):

      Viele andere Menschen, ob Buddhisten, Hinduisten, Shintoisten oder Atheisten haben ebenfalls Demütigungen, Diskriminierungen oder Massaker erlebt und begehen keine Selbstmordattentate. Es ist der Fanatismus einer bestimmten Religion, der Untaten wie diese befördert:

      https://www.youtube.com/watch?v=6QET_jteEN4

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Nikolai Nikitin:

        Keine andere Religion hatte und hat so ein Konfliktreiches Verhältnis zum Okzident wie der Islam aufgrund historischer Ereignisse, die Sie kennen.

        Zum Terrorismus, der Mörder von Ghandi war Hindu, die Tiger der Tamilen waren keine Muslims, die Fark in Kolumbien auch nicht, die Hutu in Ruanda auch nicht...

        • @82236 (Profil gelöscht):

          Ja, ja, ja ... und Hitler und Stalin und Heinrich VIII. waren auch keine Muslims. Aber über was diskutieren wir hier ? Doch wohl über grausame Attentäter, die einfache Leute wie Junge, Alte, Männer, Frauen, Gesunde, Kranke, Nette, Weniger Nette, Große, Kleine, Dicke, Dünne, Kinder, Greise, Weiße, Schwarze, Gelbe, Rote, usw. einfach so abschlachten. Welchen Glauben haben diese Leute ? Sind sie denn Buddhisten, Shintoisten, Atheisten ?

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @Nikolai Nikitin:

            Sarkasmus ist zwar eine persönliche Befriedigung, um nicht zu sagen Selbstbefriedigung, aber auch eine stumpfe Waffe, die von mangelnder Reflexion zeugt.

            Sie argumentieren wie jener spanische Priester, der in seiner sonntäglichen Homelie, der Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau (Podemos) die Schuld an dem Attentat gibt, weil sie mit ihrer kommunistischen Ideologie die Attentäter ermutigt.

            • @82236 (Profil gelöscht):

              Es braucht keinen spanischen Priester, der uns davon überzeugt, dass die 'Religion des Friedens' im Handeln des IS uns nicht als solche offenbart.

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @Nikolai Nikitin:

            Sie wollen nicht wahrhaben, dass das ein politisches und kein religiöses Problem ist. Jeder kann seine Religion als mörderische Idee verwenden und ausser den Budhisten - der Budhismus nimmt ja eine Sonderstellung unter den Religionen ein - hat das auch jede Religion schon gemacht. Denken Sie mal an die Progrome von Christen gegen Juden, Katholiken gegen Protestanten, Hindus gegen Moslems etc...da hat auch keiner einen Unterschied zwischen Junge, Alte. Nette, weniger Nette usw...gemacht, aber es wurde im Namen der Religion getan, auch wenn poltitische Absichten dahinter steckten. Ok aber Sie wollen beweisen, dass der Islam eine Religion ist, die zur Gewalt aufruft und die bekämpft werden muss. Die NSU ist ja da mit gutem Beispiel vorangegangen...nicht für mich.

            • @82236 (Profil gelöscht):

              Der NSU ? Er war Vorbild für den IS ? Sorry, so weit reichen meine Gehirnwindungen nicht.

    • @82236 (Profil gelöscht):

      Der Islam kommt ja auch nicht aus dem nichts...

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Justin Teim:

        Das Christentum mit den Kreuzzügen auch nicht, die Vertreibung der Muslime und der Juden aus Spanien nach der Reconcista auch nicht nachdem sie 8 Jahrhunderte dort lebten und zivilisatorisch hervorragendes geleistet haben. Die Kolonisierung Nordafrikas auch nicht, wo diesmal die Europäer die dort geboren waren, gehen mussten und die assimilierten Juden.

        • @82236 (Profil gelöscht):

          So weit ich weiss ist Mohammed der einzige Religionsgründer der die Ausbreitung seiner "Thesen" mit Krieg duch gesetzt hat.

          https://de.wikipedia.org/wiki/Mohammed#Der_Kampf_gegen_die_Mekkaner

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @Justin Teim:

            Aber nicht der einzige der das Mittel des Krieges angewendet hat, um andere Völker zu missionieren...Mission, den Film gesehen?

            Und die Reconcista, die den Juden und Christen nur die Wahl gelassen hat, überzutreten oder das Land verlassen oder getötet zu werden.

            • @82236 (Profil gelöscht):

              der Unterschied zu den Christen das der Religionsgründer schon persönlich Kriege führte während Jesus ein Pazifist war.

    • @82236 (Profil gelöscht):

      Bitte vernachlässigen Sie nicht die religiöse Dimension. Es gibt nicht wenige Imame, die indirekt oder auch direkt zum militanten Dschihad/Jihad aufrufen.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Nikolai Nikitin:

        Natürlich nicht, aber wer hat den Boden fruchtbar gemacht, auf dem der radikale Islam gedeihen kann?

        Alle Warnungen algerischer Intellektueller anfang der 90iger wurden in den Wind geschlagen, lesen Sie Bualem Sansal, le village de l'Allemand, das Dorf des Deutschen.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Nikolai Nikitin:

        Sollte herauskommen, dass Iman Abdelbaki Es Satty eine Schlüsselrolle gespielt hat, hätten Sie Recht.

        Sollten Sie Recht haben und Konsequenzen, auch in Deutschland und Frankreich ausbleiben, ist uns nicht zu helfen.

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Natürlich ist uns nicht zu helfen. Aus falsch verstandener Toleranz lässt man in Europa die Anstifter zu diesen Verbrechen einfach weiter gewähren. Denn man hat Angst davor, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen der freien Welt und den islamischen Ländern noch weiter verschärfen, wenn man diese Leute ausschaltet.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Danke für den Link. Diesen Teil der Kolonial-Geschichte müssen wir natürlich ebenfalls gut kennen und verstehen, wenn wir dahinter kommen wollen, was in den Köpfen heute vorgeht.

      Aber: heutige Attentäter beziehen sich ja gerade nicht etwa auf den FLN (Front de libération nationale) oder die Armée de libération nationale (ALN) und deren Kampf und sind in keinerlei derartige Traditionlinie einzuordnen.

      Die Frage welche Rolle empfundene und tatsächliche Demütigung spielt, sowohl i.d Geschichte als auch gegenwärtig, ist dennoch eine zentrale.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @61321 (Profil gelöscht):

        Ja aber sie sind mit den Geschichten aus dem algerischen Unaghängigkeitskrieg, mit den Geschichten über die korrupte Führungsriege, die das Land seit der Unabhängigkeit immer tiefer in den Abgrund treibt ( es gibt da eine Anekdote über den Präsidenten Bomediene, der bei einer Ansprache gesagt haben soll " Letztes Jahr standen wir vor dem Abgrund und dieses Jahr sind wir einen Schritt weiter"), mit der Geschichte von dem Wahlsieg, der dem FIS (Front Islamique du Salut) vom algerischen Militär auf Anordnung Frankreichs gestohlen wurde und nach der Machtübernahme vom Militär geradewegs in den schmutzigen Krieg führte, ein zenhjähriger beiderseitig geführter Terrorkrieg mit über 100.000Toten, in den schäbigen Banlieues ohne Zukunfsaussichten aufgewachsen und sie tun es immer noch....Was hat das mit Spanien zu tun? Weil alles, was in Algerien passiert und in den Banlieues Rückwirkungen auf den ganzen Maghreb hat und auf alle Nordafrikaner, die in Europa leben. So radikalisieren sich junge Menschen, die nie vorher

        irgendetwas mit Religion zu tun hatten. Die FLN hat versagt, der einzige Ausweg bleiben die sogennanten Gotteskrieger.

        • 6G
          61321 (Profil gelöscht)
          @82236 (Profil gelöscht):

          Haben sie das Video angeschaut, in dem sich in Cambril der Letzte der dort nach Verfolgung gestellten Gruppe den Polizisten auf der Straße entgegenstellt und sie dabei verspottet, bis er (nach unzähligen Schüssen) tot liegen bleibt?

          Wenn das deren Antwort auf subjektiv oder objektiv erfahrene Demütigung, empfundenes oder tatsächliches Abgehängtsein und auf das Versagen der maghrebinischen Staaten ist, dann muss ich sagen, kann ich nur tiefes Mitleid für derartige Karrikaturen von Guerilleros empfinden.

          Die Leute des FLN hatten zu ihrer Zeit ein politisches Bewusstsein, ein Ziel und Strategien. Was haben diese Jungs dagegen? Eine Frustration, die sie offensichtlich auffrisst und die windigen Versprechen der Imame.

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @61321 (Profil gelöscht):

            Nein, aber ich weiss, dass die Bildungsverweigerung bei vielen jungen Maghrebinern sehr ausgeprägt ist, andere besser gebildete Islamisten nutzen das aus. Keine Bildung, kein Abschluss, hohe Jugendarbeitslosigkeit, hohe Kleinkriminalität und hohe Gewaltbereitschaft, hohe Ablehnung der Mehrheitsgesellschaft, damit Flucht in ein Ghettodasein, wo andere Gesetze herrschen, die eine allgemeine Verrohung zur Folge haben, sind ein ideales Umfeld zum Rekrutieren von Leuten, die alles kaputt machen wollen.

            Ich weiss nicht, ob Sie etwas von dem Fall der Brüder

  • Der Autor beschreibt selber, daß es kaum möglich ist abzuschätzen wie der Anschlag sich auf die Autonomiebestrebungen in Katalonien auswirkt.

    Deswegen glaube ich nicht das der Anschlag irgendwas damit zu tun hat. Underneut fahren bloß Fahrzeuge in menschenmengen.

    Nein, islamistische Terroristen fahren in Menschenmengen.

  • Die islamistischen Terroristen scheren sich doch einen feuchten Kehricht um die Unabhängigkeit Kataloniens. Ihnen geht es doch alleine um die Umsetzung Ihres Glaubensauftrages.

    • @Nikolai Nikitin:

      Sehe auch hier die politische Vorbildung von 18-jährigen Marokkanern arg überschätzt.

      • @kleyrar:

        in den Radio-Nachrichten wurde von einem Prediger aus Belgien gesprochen der in Spanien die jungen Männer beeinflusst hat.

         

        Politische Vorbildung gegen islamismus wäre gut gewesen.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Den Islamisten schon. Aber das Attentat wird auch von beiden Seiten poltisch ausgeschlachtet. Kommuniqués auf Katalan, starke Präsenz des Königs als gesamtspanisches Oberhaupt in der katalanischen Provinz(kommt aus dem lat. provincere besiegen). Mit dem Satz, ganz Spanien sei Barcelona, meinte er aber eher umgekehrt, Barcelona sei Spanien. Die Terroristen haben den Machtkampf "Madrid gegen Barcelona" nur noch verstärkt.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @82236 (Profil gelöscht):

        @JÖRG ENGELHARDT

         

        Zu innenpolitischen Reaktionen in Spanien und Auswirkungen auf die Katalonienfrage: Das sind Nebeneffekte. Politisch interessant zwar und höchst relevant, aber für uns zweitrangig.

         

        Wir sollten uns in diesen Tagen erst einmal etwas anderes fragen:

         

        Warum haben wieder einmal Desperados, denen in Spanien vielleicht nicht gerade der Honig in den Mund floss, es ihnen aber dort mit Sicherheit unvergleichlich besser ging als es ihnen in ihrem Herkunftsland bzw. dem Land ihrer Ursprünge gegangen wäre, versucht selbstmörderisch die 'Hand die sie nährt' abzuhacken und dabei blind und wütig anderen den Tod gebracht?

         

        @NIKOLAI NIKITIN

         

        Glaubensauftrag? Nach jedem weiteren Attentat neige ich mehr und mehr dazu, in dem Ganzen ein äußerst komplexes, noch zu klärendes psychopathologisches Geschehen zu sehen, eher denn einen ideologisch-religiösen Kampf zwischen feindlichen Kulturen.

        Ich beziehe mich dabei auf eine lange Reihe von Attentaten in Europa wie dieses letzte, jedoch ausdrücklich nicht auf alles was an Terror im Namen des Islam in den letzten Jahren geschah.

         

        Sicher, wieder besteht auch dieses Mal eine bislang unklare diffuse Verbindung zum IS.

        Vielleicht haben die das eingefädelt, vielleicht finanziert und mitgeplant.

         

        Aber die Mörder aus Barcelona und Cambril waren mit ziemlicher Sicherheit keine spirituell/religiös gefestigten und ideologisch abgeklärten Gotteskrieger, sondern wieder, jedenfalls sieht das so aus, Loser der untersten Kategorie, die nur eines verinnerlicht hatten:

        Ungläubige in den Tod reißen verheißt am Ende und über den Tod für einen selbst Alles und höchste Belohnung

         

        Es gibt nach solchen Attentaten keine Video-Botschaften die auftauchen, keine Erklärungen, die die Errichtung des Kalifats fordern und ankündigen und den jeweiligen Anschlag in diesen oder einen entsprechenden Zusammenhang stellen.

        Nicht einmal eine Bezugnahme seitens der Attentäter auf den Kampf des IS im Irak und in Syrien gibt es.

        Strange and highly disturbing.

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Hören Sie 03:00 ff !

          https://www.youtube.com/watch?v=6QET_jteEN4

          • 6G
            61321 (Profil gelöscht)
            @Nikolai Nikitin:

            Militant, antiemanzipatorisch, antidemokratisch, feudal oder diktatorisch regiert, patriarchal, streng hierarchisch, bezüglich Rechtsauffassungen rückwärtsgewendet (Sharia), Sklavenhaltergesellschaft, mit offen geäußerten oder zuweilen verdeckten imperialen Ambitionen und mit Monotheismus und dem Glauben an den Propheten und seine Nachfahren als Klammern, die alles zusammen halten.

             

            So sieht das Modell eines islamischen Staates aus, wie ihn der IS in Reinheit neuerstehen ließ und wie er in multiplen, normalerweise stark abgewandelten, respektive abgeschwächten Versionen andernorten auch existiert.

            Man kann über dieses Modell alles mögliche sagen, aber eines nicht, nämlich dass es irrational wäre.

            Das tragende irrationale Element darin, die Religion, kann nicht darüber hinweg täuschen.

             

            Waren die Tschetschenienkriege rational zu erklären?

            Eindeutig ja.

             

            Ist die Tat eines Lastwagen-Mörders oder eines Fußgängerzonen-Messerstechers in 'Erweiterter Selbstmord-Manier' rational zu erklären?

            Sehr viel schwieriger.

             

            Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles über einen Kamm scheren, wenn wir über Islamismus und seine Ausprägungen reden.

            Jedenfalls solange wir an schlüssigen Erklärungen interessiert sind.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Die poltische Region Kataloniens ist historisch gesehen nur die Kernregion einer viel grösseren linguistischen Region. Der einzige Staat, wo Katalan offizielle Landessprache neben Französisch ist ist, ist der winzige Bergstaat Andorra, wo die ebenfalls korrupte katalanische Führung, siehe die Familie Pujol, ihr Schwarzgeld bunkert.

    Der valencianische Süden gehört sprachlich auch zu Katalonien, will aber von Unabhängigkeit nichts wissen, obwohl die derzeitige Regionalregierung mit der in Neuss geborenen Vizepräsidentin Monica Oltra sehr sprachchauvinistisch auftritt.

    Im Norden haben wir den französischen Teil Kataloniens mit Perpignan als Provinzhauptstadt. Salvador Dali hat tatsächlich behauptet, der Bahnhof von Perpignan sei der Mittelpunkt der Welt.

    Sprachgeschichtlich gesehen gehört das Katalanische zu der okzitanischen Sprachfamilie genau wie das Provencialische und Lombardische (siehe Umberto Eco), dessen berühmteste Vertreter die Troubadoure waren. Es ist also kein Zufall, dass nach der jüngsten französischen Verwaltungsreform mit dem Zusammenschluss der beiden Regionen Midi-Pyrenées und Langedoc-Roussillion der Name Okzitanien wieder auftauchte und die neue Region nach einer Volksbefragung Occitanie getauft wurde. Damit sind natürlich auch die französischen Katalonier einverstanden.

    Das jakobinische Frankreich und die kastillianische Franco-Diktatur haben das Katalanische auf einen Dialekt reduziert. Heute wird das Katalanische in Frankreich als Regionalsprache anerkannt, genau wie in Spanien, hat aber im Gegensatz zu Spanien aber keinen offiziellen Status als Amtsprache.

    Wenn man auch noch berücksichtigt, dass die Katalonier auf die anderen Spanier verächtlich herabsehen- die vielen , Andalusier, die sich in Katalonien niedergelassen haben wurden dort wie die Gastarbeiter in Deutschland behandelt- handelt es sich nicht um Kultur, sondern vor allem um wirtschafliche Unabhängigkeit...aber bitte, ich bin nicht gegen das Referendum, um Klarheit zu schaffen.

    • 8G
      82236 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Noch eine Anekdote, um zu zeigen, wie weit es die sprachchauvnistischen Blüten treiben können.

      Eine katalnische Regierungssprecherin hat auf Fragen einer argentinischen Journalistin zu dem Terroranschlag auf Katalan geantwortet, so dass diese Antworten für die argentinischen Fernsehzuschauer auf Kastellanisch übersetzt werden mussten. Das geht nicht nur gegen die Höflichkeit, wenn man bedenkt wie viele Kalalonier nach Argentinien ausgewandert sind und wie viele Katalonier an der Kolonisierung Lateinamerikas unter spanischer Flagge teilgenommen haben, sondern auch gegen alle diplomatischen Gepflogenheiten , denn Katalan ist nur Amtssprache für den Hausgebrauch, nach Aussen hin ist Kastellan die einzige offizielle Sprache Spaniens und das sollte auch berücksichtigt werden, wenn man sich an die ausländische Presse wendet, vor allem die kastellanischsprachige und vor allem, weil die Bewohner Kataloniens sich noch nicht per Referendum geäussert haben und Katalonien folglich immer noch zu Spanien gehört.

  • "Sie vergessen ... die (historische) kulturelle Differenz" - nein, keinseswegs, ich halte sie nur für ein Konstrukt, und ein relativ beliebiges, willkommenes obendrein. Die Kulturnummer und das progressiv Anmutende sind immer nur die Girlanden eines beinharten Wohlstandschauvinismus. Nennen Sie mir eine maßgebliche europäische Separationsbewegung (außer Nordirland, da sind es neuzeitlicher Kolonialismus und religiöser Irrsinn), die nicht die Abtrennung eines wirtschaftlich erfolgreicheren Teiles betreibt. Nationalismus ist immer Dreck und bleibt es, aber der katalanische bekommt irgendwie noch Beifall von Menschen, die sich als progressiv verstehen. Völlig zu unrecht.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Spin:

      Sicher ist die irgendwie konstruiert. Aber wie ist das, wenn man einen "Dialekt" zur Sprache ausbauen will: man beginnt mit Normierung des "Dialekts", übersetzt die Bibel, schreibt Glossen in den Zeitungen auf "Dialekt", beginnt den Unterricht in selbigem uswusf. Im Fall des Katalanischen ist das aber eine Renaissance, die dennoch der "Konstruktion" bedurfte.

       

      Dass Nationalismus Dreck ist, finde ich auch. Dennoch glaube ich an einen Begriff von Heimat, der sich in Sprache und Kultur ausdrückt und der nicht nationalistisch aufgeladen zu sein braucht. Dem könnte man näherkommen, wenn man endlich die blöden Nationalstaaten Europas auflösen und die Regionen sich selbst defininieren lassen würde. Utopie bei der heutigen grassierenden Idiotie, von der natürlich auch die Katalanen nicht frei sind.

    • @Spin:

      Es gibt in Europa einfach nicht mehr viele Separationsbewegungen. Die Katalanen, die Basken und die niederländischsprachigen Belgier passsen in Ihr Schema.

       

      Die Schotten passen wie die Nordiren nicht in Ihr Schema. Die Kosovo-Albaner und die Slowaken auch nicht, beide waren erfolgreich in ihrer Separation. Der Zerfall der Sowjetunion brachte den meisten neu entstandenen Staaten keine wirtschaftlichen Vorteile.

       

      Welche europäische Separationsbewegungen fallen Ihnen sonst noch ein?

       

      Können Sie es bei den Katalanen nach den Erfahrungen im Spanien Francos wirklich nicht nachvollziehen, dass viele keine Lust auf einen Einheitsstaat mehr haben?

    • @Spin:

      ... gehört eigtl zur Debatte unten

      @ Gabriela S. @ Atalaya

      • @Spin:

        Die Schotten passen sehr wohl rein, weil ein Öl-Boom das ganze erst ermöglicht und nahelegt. Norditalien ist vielleicht das prominenteste Beispiel. Und gerade aus Jugoslawien haben sich mit Slowenien und Kroatien besonders entwickelte Regionen abgespalten, was der kriegerischen Implosion vorausging.

        Und nachvollziehen kann ich manches, aber es bleibt Nationalismus. Mich nervt, wie gesagt, zweierlei: Dass er als irgendwie progressiv gilt (statt als regionalistisch-borniert), und dass das Moment des ökomomischen Gefälles konsequent ausgeblendet bleibt.

        • @Spin:

          Nationalismus ist es definitiv. Ich habe es persönlich nicht so mit Gruppenidentitäten und betrachte es aus der Distanz.

           

          Sie können das ökonomische Moment mitreinnehmen, man kann das aber unterschiedlich betrachten. Es gibt einfach keine wirtschaftliche Abhängigkeit, die einen in diesen Staat zwingt. Fehlende wirtschaftliche Abhängigkeit ist per se nichts Schlechtes.

           

          Ich habe vor einigen Jahren beruflich drei Monate in Brüssel verbracht und hielt die Niederlandophonen vorher auch für regionalistisch-borniert, wie Sie es ausdrücken. Borniertheit ist aber genau das, was sie den Francophonen vorwerfen. Und zwar nicht zu Unrecht. Wenn dort 10 Niederlandophone mit zwei Francophonen zusammensitzen, wird typischerweise Französisch gesprochen, weil die Frankophonen sagen, sie könnten Niederländisch halt nicht.

           

          Ich meine gelesen zu haben, in Katalonien wäre es ähnlich. Ein Spanier, der nach Katalonien zieht, wäre im Regelfall nicht bereit, Catalan zu sprechen, während von einem Katalan Castellano erwartet wird. Die Katalanen betrachten wohl genau das als Borniertheit.

           

          Das ökonomische Gefälle wäre dann nicht der Grund für den Separatismus, sondern nur die Voraussetzung für deren Erfolg.

           

          Im Jugoslawien-Krieg durchlebten die serbischen Nationalisten geistig noch einmal die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 gegen die Türken. Die Slowenen waren deshalb nicht mal Kriegspartei.

  • Ich glaube, in diesem Beitrag wird zuviel hineininterpretiert.

     

    Diese Terroristen haben Wert darauf gelegt, dass möglichst viele Personen getötet oder verletzt werden. Das geht natürlich in einer Grossstadt leichter als in Klein-Kleckersdorf-Nord.

     

    Und es ist in einem touristischem Bereich besonders wirkungsvoll, weil man sofort überregionale Aufmerksamkeit erzielt.

     

    In Barcelona war dann halt auch noch die Gelegenheit vorhanden (Fahrzeuge und Fahrer vorhanden, keine Poller, viele Touristen, wenig Möglichkeiten einem Fahrzeug auszuweichen, ...)

  • Ich kann nicht erkennen, dass der Anschlag in Barcelona und der versuchte Anschlag in Cambrils auch nur im Geringsten auf die Frage der Unabhängigkeit Kataloniens abzielten. Es ging darum, möglichst viele Menschen zu töten und dem Tourismus zu schaden. Es ist das korrupte PP-Regime in Madrid, das das Attentat instrumentalisiert, in dem es Katalonien mit gesamtspanischem Schleim überzieht und gleichzeitig die linke Bürgermeisterin Barcelonas für das Attentat mitverantwortlich macht, weil sie sich weigerte, die Ramblas mit Pollern abzuriegeln.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Ich kann mich noch gut erinnern, den Slogan "Al-Ándalus no olvida" (Al-Andalus vergisst nicht) das erste Mal in 1984 in Málaga gesehen zu haben. Ich meine, das war auch die Zeit, als sich arabische Reiche an der Costa del Sol einzukaufen begannen.

     

    Barcelona hat aber nicht lange zu Al-Andalus gehört und überhaupt sehe ich eher, dass die Terroristen es auf Stätten abgesehen haben, an welchen das in ihren Augen unislamische Treiben besonders augenscheinlich wird. Diese Leute würden wohl gerne überall das Kalifat errichten. Wenn es ihnen um Al-Andalus ginge, müssten sie dann schon eher bei Córdoba anfangen oder, historisch rückwärts aufgerollt, in Granada.

     

    In einem Europa der Regionen, das ja mal als Schlagwort in den 90ern in vieler Munde war, wäre Katalonien halt sowas wie eine Region. Dass es von Spanien unabhängig wird, würde ich mir ebenso wünschen wie die Unabhängigkeit Schottlands, wenn diese Unabhängigkeitsbestrebungen keinen neuen Nationalismus einleuteten, sondern den alten Nationalismus überwinden würden. Aber dafür ist die Zeit wohl noch nicht reif und jetzt gerade schon gar nicht.

  • Ich habe diese Theorie jetzt schon ein paar Mal gehört. Was für ein Katalonien wollen die Terroristen denn? Ein Unabhäniges? Eines das spanisch bleibt? Und zeigen sich denn überhaupt schon Tendenzen in den Umfragen? (Gut diese Frage wird man erst in einigen Tagen beantworten können.)

    Irgendwie klingt mir diese Theorie ziemlich weit her geholt.

  • @Nizza, Berlin, London und jetzt Barcelona: Fahrzeuge rasen in Menschenmengen und hinterlassen zahlreiche Tote und Verletzte. :

     

    Fahrzeuge?

     

    In Charlottesville war es, laut Medien, ein Fanatiker.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Den Beitrag verstehe ich nicht so recht.

    Soll Katalonien jetzt auf seine Unabhängigkeitsbestrebungen verzichten?

    Das kann nicht ihr Ernst sein oder?

    • @39167 (Profil gelöscht):

      Selbstredend sollte es das! Es ist ja kein Zufall, dass nicht ärmere Regionen wie Andalusien oder die Extremadura, sondern reiche, wie das Baskenland und Katalonien nach Unabhängigkeit streben. Schottland hatte auch erst Fahrt aufgenommen, nachdem es einen kleinen Ölboom erlebte, den man nur ungern mit dem verhassten "Westminster" teilt. Bei aller Kritik am (post-)francistischen Zentral-Nationalismus: "Catalunya liure" ist keine linke Forderung, sondern eine wohlstands-chauvinistische.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Spin:

        Sie vergessen dabei die (historische) kulturelle Differenz von Katalonien und dem Baskenland (auch Galizien) gegenüber dem restlichen Spanien. Natürlich ist "Catalunya liure, sobirana i independent" keine linke Forderung, sondern schlicht eine nachvollziehbare und dies nicht nur, weil das Katalanische unter Franco unterdrückt wurde, sondern weil Katalonien anders ist (ich hörte schon oft meine "spanischen" - valencianischen und andalusischen - Freunde sagen, die Katalanen seien die Deutschen Spaniens). Warum sollen sie nicht aus einem ungeliebten Staat ausscheiden dürfen? Nur weil sie zu reich sind. Dann zahlen sie dann halt als unabhängiger Staat mehr in den EU-Topf ein, der dann den ärmeren Teilen Spaniens zugute kommt.

         

        Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Freistaat Bayern auch aus der Bunzrepublik Deutschland ausscheiden oder sich mit Sachsen und Österreich zusammentun sollte. Dann hätten wir zwei rechtslastige Freistaaten mit einem Streich weniger. :-)

        • @849 (Profil gelöscht):

          Die mehrheit der Katalanen wollen aber keine Unabhängigkeit. Wie wäre es mal was von demokratie verstehen. Beim letzten Regerendum waren es nur 24%. Kataloniem ohne Soanien ist geliefert.

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @Tino Trivino:

            80% der Stimmen waren für die Unabhängigkeit. Dass das ggf. nur 24% der Katalanen waren, spielt keine Rolle. Wenn sie Demokratie so verstehen, wären die Partei der Nichtwähler in Deutschland die Regierungspartei. Selbst dran schuld: wer sich nicht beteiligt, wählt das, was ist.

      • 3G
        39167 (Profil gelöscht)
        @Spin:

        Das sehe ich völlig anders!

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @39167 (Profil gelöscht):

          Wie denn, würde mich interessieren.

          • 3G
            39167 (Profil gelöscht)
            @849 (Profil gelöscht):

            Ich sehe es ähnlich wie Sie.

            Warum soll eine Völkergemeinschaft nicht aus einem Staat austreten dürfen, wenn dies der Wunsch der Mehrheit ist.

            Dass die Anschläge jetzt dazu benutzt werden dieses Ansinnen abzuschmettern, passt in die Verlogenheit der korrupten spanischen Regierung und verursacht Übelkeit.