Kommentar Julian Assange: Frauenrechte sind Weltpolitik
Assange wird oft als Aufklärer, Selbstdarsteller oder tragische Figur dargestellt. Das Bild hat wenig mit der ihm vorgeworfenen Vergewaltigung zu tun.
W enn es um die Weltpolitik der großen Männer geht, finden Frauenrechte selten den Weg in die Schlagzeilen. Als Julian Assange, einst gefeierter Whistleblower, heute gefallener Held, Anfang April in der ecuadorianischen Botschaft festgenommen wurde, waren die Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn im besten Fall eine Randnotiz.
Nun nimmt Schweden das Ermittlungsverfahren gegen Assange wieder auf. Vor fast neun Jahren beschuldigte ihn eine Frau, sie ohne Kondom vergewaltigt zu haben, während sie schlief. Schnell wurde kolportiert, der CIA stecke hinter den Vorwürfen, um Assange fertigzumachen. Aber an Fällen wie Ronaldo oder auch Brett Kavanaugh sieht man: Vergewaltigungsvorwürfe sind schnell vergessen. Der eine spielt unbehelligt Fußball, der andere ist Richter am Obersten Gerichtshof der USA.
Assange wiederum ist wahlweise Aufklärer, Selbstdarsteller oder tragische Figur – doch das Urteil, das die Weltöffentlichkeit über ihn fällt, hat bislang wenig mit den Vorwürfen der Vergewaltigung zu tun. Das könnte sich nun ändern. Zwar bezeichnete Assange selbst die Vorwürfe gegen ihn als Vorwand, um ihn an die USA ausliefern zu können. Doch genau wie in Großbritannien hätte er auch in Schweden die Möglichkeit, zu argumentieren, dass eine Auslieferung seine Menschenrechte verletzen könnte. Assange an die USA auszuliefern und damit einen politischen Prozess zu ermöglichen, wäre tatsächlich falsch.
Der Grund, warum er sich dem Verfahren in Schweden bisher entzog, dürfte jedoch ein anderer sein: In Schweden gilt Sex ohne Zustimmung als Vergewaltigung. Schon aus einer Perspektive, die gesunden Menschenverstand zugrunde legt, erscheint es grotesk, Geschlechtsverkehr als „einvernehmlich“ zu bezeichnen, wenn eine Person dabei schläft. Für Assange könnte es also schwer werden vor Gericht. Denn auch er steht nicht über dem Recht – und es ist gut, dass sich an seinem Umgang mit Frauen der Umgang mit ihm in den nächsten Jahren entscheiden könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich