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Kommentar Griechenland-FinanzstreitDer kalkulierte Eklat

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Bei den EU-Verhandlungen mit Griechenland geht es vor allem um die Show. Das ist banal und trotzdem gefährlich.

Demonstranten in Athen unterstützen ihre Regierung: Hart bleiben in den Verhandlungen mit der Eurogruppe, fordern sie. Bild: dpa

E s war ein Eklat mit Ansage: Die griechische Zeitung Kathimerini meldete bereits am Sonntag, dass der Gipfel der Euro-Finanzminister am Montag scheitern würde. Genauso kam es. Nach knapp drei Stunden endete das Treffen, das über die griechischen Schulden beraten sollte.

Anschließend waren beide Seiten nur noch damit beschäftigt, wüste Beschimpfungen auszustoßen. Die Griechen nannten die Ideen der anderen Eurostaaten „absurd“, während die Eurogruppe damit drohte, dass sie sich „nicht mehr herumschubsen lässt“.

Doch inmitten der verbalen Keilerei wurde bereits angekündigt, dass man in den nächsten Tagen weiterverhandelt – was Kathimerini übrigens auch schon geschrieben hatte. Ebenfalls am Sonntag, noch vor dem neuesten Eklat. So sieht eine Gipfel-Show fürs Publikum aus.

Das Ringen wird medienwirksam inszeniert, damit die Botschaft allseits klar ist: Was immer passiert, es lag nicht am Einsatz der Beteiligten. Bis zur physischen Erschöpfung sind sie durch Europa geflogen, haben Interviews gegeben und noch spät nachts zusammengesessen. Vor allem die Griechen wollten ihre Regierung „kämpfen“ sehen - und gekämpft hat sie.

Alle wissen: Eine Rückzahlung ist unmöglich

Bei diesem Gewusel geht unter, wie seltsam diese Verhandlungen sind. Denn eigentlich geht es um nichts. Die Griechen wollen nur, dass der Status quo anerkannt wird. Sie wollen, dass der Rest der Welt versteht, dass sie ihre Schulden nicht bedienen können. An Rückzahlung ist sowieso nicht zu denken, und auch Zinsen sind nicht drin.

Eine einzige Zahl macht dies deutlich. Nach fünf Jahren Krise und einem extrem harten Sparkurs ist der griechische Staatshaushalt erstmals bei einem minimalen Plus - wenn man die Zinsen abzieht. Mit Zinsen ist er immer noch im Minus, was nichts anderes bedeutet, als dass die Eurozone die Zinsen selbst finanziert, indem sie neue Kredite vergibt. Die Eurozone wirtschaftet von der rechten in die linke Tasche.

Die Chancen stehen daher bestens, dass die Eurozone irgendwann nachgeben wird, weil sie sowieso nichts verliert. Aber so lächerlich die Gipfel-Show ist, mit den knallharten Sprüchen, die auf beiden Seiten ausgetauscht werden: Die Risiken sind nicht unerheblich. Dazu gehört die Banalität, dass nicht jeder versteht, dass es sich um eine Inszenierung handeln könnte.

Viele Griechen sind inzwischen panisch und räumen ihre Konten – was wiederum die Europäische Zentralbank unter Druck setzt, weil sie griechischen Konkursbanken mit immer neuen Notkrediten helfen muss. Dies ruft wiederum europäische Populisten auf den Plan, die eine Inflation selbst dann wittern, wenn man mitten in der Deflation festsitzt. So bequem die Gipfel-Show für die Politiker der Eurozone ist: Man muss sie dringend beenden.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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21 Kommentare

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  • Die Medien filtern natürlich ganz mühsam immer nur die Fakten heraus, die Show kommt einfach aus dem Nichts auf sie hereingeprasselt.

  • Der Zeitraum für die Schuldenrückzahlung ist ewig. Wer denkt, dass die Griechen ihre Wirtschaft in den nächsten 20 Jahren nicht auf Vordermann bringen können und somit auch schulden zurückzahlen können, hält die Griechen entweder für faul oder für unfähig.

    • @Arcy Shtoink:

      Das sehe ich ähnlich.

       

      Die Griechen haben mit der Wahl von SYRIZA bewiesen, dass sie mit Realismus an ihren bisherigen Problemen arbeiten und sie in den Griff bekommen werden. Mit ein wenig Verhandlungsgeschick werden die Griechen noch vor anderen südeuriopäischen Staaten wieder wirtschaftlich gut da stehen.Sie haben sich jetzt immerhin mehr Optionen schon geschaffen als sich nur auf die EU zu verlassen.

  • Was weg … ist weg ! Lasst es uns musikalisch betrachten. 1964 sang Lys Assia „Ein Schiff wird kommen“ und es bringt mir „den Einen“ … Neuer Text „ die Euros“ die ich so lieb wie keine(n) auf dieser Welt.

     

    https://www.youtube.com/watch?v=yhiUeA3UlfQ

     

    Nun - es wird kein Schiff kommen – Hoffnung auf einen Tross von Geldtransportern, wie sie im März 2013 Zypern mit frischem Geld versorgten, wird es wohl kaum geben. Auch dürfte ein Dampfer von Zar Putin, mit Rubelscheinen vollgestopft, bedingt aber durch deren "Schwäche“, bereits im Heimathafen von Sewastopol, durch Überladung auf Grund sinken.

     

    Doch einige haben es vorausgesehen. So landete der im Januar 2015 verstorbene Demis Roussos - RIP - bereits 1973 seinen Kassenschlager „Goodbye my love Goodbye“.

     

    https://www.youtube.com/watch?v=qmyR4wPI1o0

     

    Wie es scheint wird am Aschermittwoch wohl ein „Echter Oldie“ an der Spitze der Charts landen !

     

    https://www.youtube.com/watch?v=EE1orVATDOI

     

     

    SATIRICUS

  • Das Geld ist da, es ist nicht verloren. Investoren halten aufgrund von pessimistischen Profiterwartungen.

    Was interessiert das die armen Leute?

     

    Es geht einzig um einen Klassengegensatz:

    Schäuble und die deutschen Firmen wollen unbedingt eine Aufhebung der Verelendungspolitik verhindern.

    Es geht um das Armutsgefälle

    Hartz IV - Griechenland - Erntehelfer - Syrische Flüchtlinge.

     

    Nein, Umverteilung und ein gutes Leben für alle ist das Ziel.

    Deshalb haben Syriza & co recht mit der Aufhebung dieser Verknüpfung:

    Bankenrettung gegen Niedriglöhne und Privatisierungen.

    • @nzuli sana:

      Warum ist Syriza eigentlich immer noch nicht in die Pötte gekommen bei der Korruptionsbekämpfung?

      • @Arcy Shtoink:

        Ist sie. Allerdings ist die Regierung jetzt wie lange im Amt?

  • Es geht nicht um nichts. Auch nicht "eigentlich". Aber es geht tatsächlich nur vordergründig um die Schulden.

     

    Es geht um Strukturreformen und Deregulierung der realen Wirtschaft (also nicht Banken). Um Bürokratieabbau. Um Reduktion des Staates auf das Notwendige. Um Durchsetzung der Steuern. Um Pfründe in weiten Teilen der Gesellschaft. (Oben wie Mitte). Um Korruption. Um Rechtsstaatlichkeit. Um eine funktionsfähige Wirtschaft.

     

    Denn vor dem Verteilen muss erwirtschaftet werden. Es sei denn, man hat Rohstoffe oder Sponsoren aus dem Ausland. Letztere wollen nicht mehr zahlen.

    • @Meier3:

      Eben - Staatsabbau, Deregulierung und Privatisierung schafft Monopole, vor allem auch sogenannte "natürliche", mithin Pfründe (allerdings nicht in der Mitte, da muss ich Sie enttäuschen).

  • Der deutsche Staat hat sich zweimal im letzten Jahrhundert durch absichtliche Inflation seiner Schulden entledigt. Wir sollten diese Möglichkeit den Griechen geben (Drachme).

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @Der Ungläubige:

      Du weißt schon, dass Griechenland seine Schulden in Euro zurückzahlen muss? Sollte Griechenland aus dem Euro aussteigen (müssen), ist das Land endgültig und offiziell bankrott. Das heißt auch, dass der Steuerzahler überhaupt kein Geld von Griechenland mehr sehen wird, also allein Deutschland um die 50 Mrd. € abschreiben kann.

    • @Der Ungläubige:

      Ich bin einem Grexit zwar nicht abgeneigt, aber Ihre Idee wird nicht funktionieren.

       

      Griechenland hat seine Schulden in Euro aufgenommen, also müssen sie sie auch in Euro zurückzahlen. Wie sehr sie die Drahme inflationieren, spielt also keine Rolle.

    • @Der Ungläubige:

      Niemand zwingt die Griechen im Euro zu bleiben, genauer gesagt sind die Griechen die letzten die die Drachme in Griechenland einführen wollen.

  • Jeder kann es wissen: Der Kaiser ist vollkommen nackt, die komplette Schuldenrückzahlung ist gänzlich ausgeschlossen, wenn man die ärmsten Griechen nicht verhungern lassen will. Na und? So lange das Publikum noch mit der Show zufrieden ist und den Kaiserhof freiwillig finanziert, stört es den Kaiser überhaupt nicht, wenn jemand mit dem Finger auf ihn zeigt. Dass er zu dick und außerdem potthässlich ist, weiß schließlich jeder Kaiser selbst. Das macht ihn ja so machtgeil wie er ist.

     

    Anders gesagt: Es ist zwar wirklich eine "Banalität, dass nicht jeder versteht, dass es sich um eine Inszenierung handel[t]" bei dem Gezerre um die griechischen Schulden. Allerdings ist diese Alltäglichkeit auch eine, die nicht nur Posten sichert, sondern auch die Strukturen. Sie sorgt dafür, dass alles bleibt, wie es schon immer war. Und deswegen werden die, die an der Dummheit ihres Volkes etwas ändern könnten, das garantiert nicht tun.

     

    Auf die "nicht unerheblich[en]" Risiken pfeifen unsere nackten Kaiser. Das einzige, wovor die sich tatsächlich fürchten, ist der mögliche Machtverlust. Und wie das nun einmal so geht mit Ängsten aller Art: Man fährt immer genau an den Baum mit dem PKW, auf den man panisch starrt beim Fahren.

     

    Frau Herrmann irrt. Man MUSS die Gipfel-Show nicht unbedingt beenden. Man MÜSSTE es nur ganz, ganz dringend tun.

  • Wenn Sie jetzt noch erläutern warum das alles gemacht wird wäre das schön.

     

    Teil des medialen Wahnsinns und die TAZ und die einzelnen Kommentatoren in den letzten Tagen natürlich außen vor?

    Jeden Tag eine Melodie in die Hörner blasen; geht das gut?

    Die anderen machen es auch?

    Wir sind doch den Lesern verpflichtet?

    Der Wahrheit? Wenn auch nur temporär? Weil morgen hat sich das gestern geschrieben ja relativiert?

    War trotzdem nötig! Dann weiter so!

  • Danke für diesen Artikel, der der Mainstream-Meinung nicht folgt und endlich klar macht, dass der harte Kurs der Eurogruppe nur Bluff ist.

    • @Agathe:

      und Merkel nicht mehr schäubeln kann...

      vorher gibt´s noch viele "die Griechen, diese Diebe"-Debatten beim Springer...

  • Endlich mal ein fundierter Artikel, der sich nicht an der allgemeinen Prügel für die griechische Regierung beteiligt.

  • Ich denke der Knackpunkt der Debatte ist wie verhindert werden soll dass wir in fünf, zehn und fünfzehn Jahren die identische Situation haben. Griechenland braucht ein Konzept mit dem es langfristig ohne Hilfen auskommen kann. Gibt es kein derartiges Konzept, sondern nur die Devise "Dann kippen wir halt nach", dann ist der Euro mittelfristig am Ende. Deshalb müssen die Finanzminister Griechenland entweder dazu bringen ein glaubwürdiges und funktionierendes Konzept vorzulegen oder aus dem Euro auszuscheiden.

     

    Zum Schuldenschnitt: Es ist auch in Deutschland völlig ausgeschlossen dass wir in absehbarer Zeit unsere Staatsschulden zurückzahlen werden, nullen wir diese Schulden dann auch?

    • @Questor:

      a) zum Konzept: Gäbe es ein Patentrezept für so etwas, dann ginge es allen Staaten blendend.

      Es gibt lediglich bestimmte Konzepte, von denen man sowohl aufgrund allgemeiner Wirtschaftstheorien als auch aus Erfahrung weiß(!), dass sie nicht funktionieren. Ein Beispiel für ein solches niemals funktionierendes Konzept: Sparen am Lebensunterhalt, wenn es der Wirtschaft schlecht geht. Kann nicht funktionieren und hat auch noch nie irgendwo funktioniert.

       

      b) Zum Schuldenschnitt: Griechenland kann nicht "seine Schulden nicht bezahlen", sondern "seine ZINSEN nicht bezahlen", also die laufenden Verpflichtungen. Das nennt man auch "Insolvenz", egal ob angemeldet oder verschleppt.

      Deutschland hingegen kann seine Schulden (noch!) problemlos bedienen, und könnte sogar Schulden tilgen, wenn der Wille dazu da wäre.

    • 3G
      3641 (Profil gelöscht)
      @Questor:

      Insolvenz ist doch das Normalste von der Welt, also wieso nicht.