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Kommentar Gespaltene RepublikMehr Widerspruch!

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Fremdenfeindlichkeit ist stark zurückgegangen. Aber nun schüren Neurechte antidemokratische Ressentiments. Da hilft nur Widerstand.

Ausgerechnet aus Russisch Brot: ein Lieblingswort von Demokratiefeinden Foto: dpa

E s klingt nach Aufatmen. Eine Studie des You-Gov-Instituts attestiert den Deutschen, in Europa mit am geringsten empfänglich für Populismus zu sein. Auch die zeitgleich veröffentlichte „Mitte-Studie“ beruhigt: Die Mehrheit der Deutschen steht hinter der Demokratie, verteidigt auch die Flüchtlingspolitik. Die Fremdenfeindlichkeit ist in den letzten zehn Jahren um die Hälfte zurückgegangen.

Erfolgsmeldungen, gewiss. Selbst die Grünen sehen die Ergebnisse als Beleg, einfach „mal wieder durchzuatmen“. Das allerdings wäre zu wenig. Denn es bleibt Beunruhigendes. Zum einen: Nach Jahren des Rückgangs setzen sich Vorurteile nun fest. Sie stagnieren auf alarmierendem Niveau. Fast jeder Fünfte sieht das Land durch Migranten „gefährlich überfremdet“, 40 Prozent halten es von Muslimen unterwandert. Das vergiftet das Zusammenleben.

Beunruhigend ist auch, dass und wie sich eine Minderheit dieser Gesellschaft zunehmend abkoppelt. Für sie sind die Regierenden illegitim, sie fordern einen harten Nationalismus und legitimieren Gewalt. Von der heutigen Demokratie halten sie nichts. Und auch sie werden dadurch zur Gefahr. Denn mit knapp einem Drittel der Bevölkerung ist diese Minderheit gar nicht so klein. Ihr Sprachrohr ist eine Partei, die in zehn Landtagen sitzt: Die AfD erklärt schon jetzt die kommende Bundestagswahl zur „Schicksalsschlacht“.

Zu erreichen ist diese Gruppe der „Neurechten“ kaum noch. Auch nicht mit sozialen Zugeständnissen, wie sie Merkel jetzt ankündigt. Denn die Vorurteilsträger sind gerade nicht diejenigen, die für soziale Werte eintreten – auch das weist die Mitte-Studie nach. Kaum jemand schaut etwa auf Arbeitslose so herab wie sie.

Nach Jahren des Rückgangs setzen sich nun Vorurteile fest – auf alarmierendem Niveau

Es ist ein Kulturkampf, den die Neurechten wollen, ein Systemwandel. Da hilft nur: Widerspruch. Konzessionen an die „Besorgten“ werden diese kaum besänftigten. Vielmehr gilt es klar zu benennen, was sie vermitteln: antidemokratische Ressentiments.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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2 Kommentare

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  • "Aber nun schüren Neurechte antidemokratische Ressentiments. Da hilft nur Widerstand."

     

    Ich befürchte, dass das die Neurechte in deren Logik erst recht motiviert.

     

    Somit geht es für mich um die besseren Argumente, die bessere Arbeit das bessere Ergebnis.

     

    Und nochmal: Die Neurechte ist eine Einthemenbewegung: Überfremdung oder so.

    Alle anderen Themen wie soziale Gerechtigkeit steht nicht auf deren Agenda, allenfalls als Hilfskonstrukt um wieder deren Hauptthema zu bedienen.

    Daher bin ich ausdrücklich nicht der Meinung denen aktivistisch die Stirn zu bieten.

    "Entzauberung" durch die bessere Politik und erfolgreiche Integration der Geflüchteten bei uns und auch erfolgreiche Integration der Passdeutschen zu diesem Thema.

  • In manchen Köpfen scheint es für alle Probleme dieser Welt nur zwei simple Lösungen zu geben: Gewaltig dafür zu sein oder gewaltig dagegen.

     

    Nein, es geht nicht darum, die "Besorgten" zu "besänftigen". Wir leben nicht in der griechischen Antike und Deutschlands Bürger sind auch keine Minotauren, denen man Jungfrauen opfern muss, damit sie Ruhe geben. Wer formuliert wie Konrad Litschko, der leitet Wasser auf die Mühlen derer, die eine ganz normale Bundestagswahl zur "Schicksalsschlacht" aufblasen wollen. Er schürt genau die "antidemokratischen Ressentiments", vor denen er warnt.

     

    Bevor sich die liberale Linke ihrerseits in einen Feldzug stürzt, sollte sie sich schleunigst an die eigne Nase fassen. Wenn sie so will, von mir aus gnadenlos. Das hätte sie schon lange tun müssen. Nun ist es beinahe zu spät. Ihre Glaubwürdigkeit hat dermaßen gelitten aufgrund einer schlampigen Sprach-und sonstigen Praxis, dass bereits ein Drittel aller deutschen Wähler das dumme Gefühl hat (denn mehr ist es nicht), es ginge besser ohne sie – und mit einer "Alternative", die wenigstens ehrlich ist im Sinne von widerspruchsfrei.

     

    Ja, die Zeit drängt. Aber kopfloser Aktionismus ist gerade jetzt nicht hilfreich. Wenn die Möchtegern-Linksliberalen ihre Glaubwürdigkeit zurückhaben wollen, müssen sie da ansetzen, wo sie noch nicht komplett gescheitert sind: Bei den zwei Dritteln, die sich und sie noch nicht vollständig aufgegeben haben – und bei denen, die neu nachwachsen.

     

    Niemand kann derzeit "das Ruder herumreißen", wie die Kriegsmarine formulieren würde. Schon gar nicht allein. Wir alle sind herausgefordert. Und wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, sollten wir uns auf einen sehr lange und sehr mühsamen Weg einstellen, der richtig Kraft kostet, aber wenig Ehre, Ruhm und Geld einbringt.

     

    Es geht nicht um die Zukunft Einzelner in Glanz und Gloria. Es geht um unser aller Zukunft. Es geht ums nackte Menschsein. Was wäre ehrenvoller oder wichtiger?