Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Völlige moralische Verkommenheit
Es ist Aufgabe der EU, die Flüchtlingskrise humanitär zu lösen. Viel mehr als unterlassene Hilfeleistung ist bisher allerdings nicht passiert.
D as vorläufige Ende der neuerlichen Odyssee der „Sea-Watch 3“ am Samstag im Hafen von Lampedusa, inklusive Verhaftung der Kapitänin Carola Rackete, ist ein weiterer trauriger Beleg der völligen moralischen Verkommenheit der Friedensnobelpreisträgerin EU. Die blauen Fahnen der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte werden gern geschwenkt in Wahlkämpfen und natürlich in Abgrenzung zum Rest der Welt, beherrscht von brutalen Despoten und irren Präsidenten. An der eigenen Südgrenze aber weht der Hauch des Todes übers Mittelmeer. Seit 2014 sind dort mehr als 17.000 Menschen bei dem Versuch ertrunken, Europa in Booten zu erreichen.
Statt diese Menschen zu retten, versucht die EU, sie bereits in Afrika abzufangen. Wenn nötig, werden dabei Sklaverei und Folter vor Ort billigend in Kauf genommen. Auf dem Meer überwacht Frontex die Fluchtrouten, jedoch nicht um der Menschenleben willen. Dass in dieser Situation private Organisationen die zivilisatorisch vornehme Aufgabe der Seenotrettung übernehmen, nein, übernehmen müssen, ist ein Skandal allererster Güte. Die wiederholte Kriminalisierung der Retter*innen unterstreicht nur das absichtsvolle, menschenverachtende Kalkül hinter der über Jahre unterlassenen Hilfeleistung der EU-Staaten.
Nun solidarisieren sich deutsche Politiker wie Außenminister Heiko Maas (SPD) oder Cem Özdemir (Grüne) auf Twitter und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview mit der verhafteten Sea-Watch-Kapitänin. Das ist nett. Besser wäre es, würden sie nur einen Gedanken daran verschwenden, dass die auch von ihren Parteien getragene Politik der Abschottung (Dublin-Regeln, Abschiebungen, Asylbewerberleistungsgesetz) ihren Anteil am Erstarken der europäischen Rechten haben.
Die Verantwortung für die Menschenleben im Mittelmeer lässt sich nicht einfach abschieben, nicht nach Libyen, nicht nach Italien – und schon gar nicht auf die mutige private Rettungsflotte. Die humanitäre und demokratische Lösung der sogenannten Flüchtlingskrise ist eine Aufgabe der gesamten EU.
Solange diese Aufgabe nicht angegangen wird in Berlin und Brüssel, Rom und Paris, so lange wird eben eine junge Kapitänin vor Lampedusa Menschen retten und den Finger auf diese gewaltig klaffende und sehr europäische Wunde legen. Immerhin der Unterstützung einer starken Zivilgesellschaft kann sie sich dabei sicher sein.
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