Kommentar Dilemma im Bundestag: Das nächste Opferfest
Die AfD-Politikerin Harder-Kühnel ist vorerst nicht zur Bundestagsvize gewählt worden. Dennoch stehen die anderen Fraktionen vor einem Dilemma.
W ie soll man damit umgehen, dass die radikale Rechte in Europa stärker wird und immer mehr unsympathische bis gefährliche Gestalten in den Parlamenten auftauchen? Mit dieser Frage mussten sich am Donnerstag auch die politischen Gegner der AfD im Bundestag beschäftigen – und sie konnten dabei leider nur falsch handeln.
Die Kandidatur der AfD-Frau Mariana Harder-Kühnel für das Amt der Bundestagsvizepräsidentin stellte die anderen Fraktionen vor ein Dilemma: Es gibt gute Gründe, ihre Wahl abzulehnen, wie es die Mehrheit nun getan hat. Auch wenn von Harder-Kühnel persönlich keine rechtsextremen Äußerungen bekannt sind: Es wäre schwer erträglich, wenn eine Politikerin die Sitzungen leitet, deren Parteichef die NS-Zeit als „Vogelschiss“ bezeichnet. Wie würde eine AfD-Bundestagvizepräsidentin wohl reagieren, wenn ihre Fraktionchefin wieder mal gegen „Kopftuchmädchen“ und „sonstige Taugenichtse“ hetzt? Mit einem Ordnungsruf wohl kaum.
Die Wahl einer AfD-Politikerin könnte als Anerkennung der Rechtspopulisten als ganz normale demokratische Partei missverstanden werden. Das ist ein Problem. Aber die AfD wie Aussätzige zu behandeln, ist erst recht falsch. Alle gegen die AfD, auch bei formalen Fragen wie der Vergabe von bundestagsüblichen Posten, egal wer für sie antritt: Das ist Selbstbefriedigung und beschert den Rechten ein weiteres Opferfest. Schließlich steht der Vizeposten laut Geschäftsordnung eindeutig jeder Fraktion zu.
Wer die demokratischen Spielregeln bricht, um andere Parteien zu benachteiligen, wirkt nicht aufrecht, sondern trotzig. Viel überzeugender wäre es, die Parolen der AfD inhaltlich zu entkräften. Wie wichtig das ist, zeigt die aufgebauschte Debatte über den UN-Migrationspakt.
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