Kommentar Chancen der Grünen: Narrativ nackt
Der Aufschwung der SPD hat die Grünen kalt erwischt. Der Plan, in Merkels Windschatten an die Regierung zu kommen, wirkt veraltet.
F ür den Wahlkampf, wie er noch vor ein paar Wochen plausibel schien, waren die Grünen eigentlich bestens präpariert. Die SPD kürte, typisch Oldschool, ihren Kandidaten im Stil feudaler Verkündung. Die Grünen hingegen ließen die Basis entscheiden, was nicht nur hübsch demokratisch ist, sondern auch das freundliche Interesse der Öffentlichkeit auf die Partei lenken sollte. Nun aber heften sich alle möglichen Hoffnungen an Martin Schulz, während Cem Özdemir angesichts sinkender Umfragewerte klingt, als würde er Wasser aus dem lecken Boot schöpfen.
Vielleicht haben die Grünen mit Özdemir und Göring-Eckardt das falsche Duo gekürt. Die beiden zählen schon lange zum inneren Berliner Politzirkel, der SPD-Wundermann aber wirkt wie das Versprechen, mal das Fenster aufzumachen. Robert Habeck wäre die bessere Wahl gewesen. Es ist kein elitenfeindlicher Populismus, wenn sich das Publikum mal andere Gesichter wünscht.
Vor allem aber ist die Rolle der Grünen im Wahlkampf erst mal verschüttgegangen. Zu erwarten war ein in der Mitte matter Wahlkampf wie 2013, mit einer depressiven SPD, die schon wieder kein Mittel gegen Merkel findet. Und damit zwei machtpolitisch realistische Möglichkeiten: schon wieder Große Koalition oder Schwarz-Grün.
Özdemir und Göring-Eckardt, solide und unscheinbar, sind das Signal, dass die Partei Schwarz-Grün will. Das Bündnis mit Merkel im Herbst wäre die Beglaubigung, dass die ehemals Alternativen endgültig in der Mitte angekommen sind. Dort würden sie als neue Scharnierpartei dafür sorgen, dass die Große Koalition nicht zum Normalmodus wird. Und, wie früher die FDP, die Union gegen autoritär-rechtspopulistische Versuchungen imprägnieren. Der Matchplan war klar: die Grünen als Angebot für frustrierte SPD-Klientel und für das weltoffene Bürgertum, das einen Konterpart zur CSU im Kabinett sehen will.
In der Bredouille
Der klingt nun etwas verwittert. Die Idee, in Merkels Windschatten ins Ziel zu segeln, scheint fraglich, wenn nicht überholt. Wenn es in der Mitte wirklich zu einem Kampf auf Augenhöhe zwischen Union und SPD kommt, drängt das nicht nur die AfD an den Rand, sondern auch die Grünen. Das ist eine Art politische Mechanik, die die Grünen immer in die Bredouille bringt. Und es ist etwas mehr: die Quittung für die allzu risikoscheue, stromlinienförmige, unauffällige Art.
Wer Merkel nicht mehr will, für den sind die Grünen uninteressant. Für WählerInnnen mit rot-rot-grünen Sympathien ist das Duo Özdemir und Göring-Eckardt nur mäßig attraktiv. Dabei wären die Grünen gerade im Bündnis mit zwei sozialdemokratischen Parteien unverzichtbar – als libertärer, ökologischer Gegenpart. Um zu verstehen, wie nötig die Ökopartei ist, muss man sich die reaktionär-technokratische Agrarpolitik von Rot-Rot in Brandenburg vor Augen führen.
Keine andere Partei feilt so sorgfältig an ihrer Erzählung, am Feintuning von Werten und Images. Jetzt sind die Grünen abrupt narrativ nackt. Dass sie im Beiboot der Großen Koalition Frank-Walter Steinmeier brav zum Bundespräsidenten kürten, machte auch einen eher müden als selbstbewussten Eindruck. Zum trüben Bild gehört, dass es in den Ländern schwierig wird. In Nordrhein-Westfalen ist die Fortführung von Rot-Grün im Mai nur eine schwache Hoffnung, im Saarland können die Grünen aus dem Landtag fliegen, in Kiel aus der Regierung. Nur die Höhe der Verluste scheint noch offen.
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2013 scheiterten die Grünen bekanntlich an beherzten Steuererhöhungsplänen und am Image der Veggieday-Moralapostel. Damals setzten sie auf Reform und Veränderung – doch das Publikum wollte lieber, dass es bleibt, wie es ist. Diesmal präsentieren sich die Grünen als Garant der Kontinuität – doch die Wähler wollen vielleicht etwas Neues. Die Partei hat die Lektion von 2013 offenbar zu gründlich gelernt. Bloß nicht auffallen ist 2017 kein brauchbares Rezept.
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