Kommentar CDU und Sexismus: „Selbst schuld, Schlampe!“
Sicherlich ist die Frauen-Union keine Speerspitze des Feminismus. Dass sie mit Opfer-Täter-Verdrehungen reagiert, schockiert trotzdem.
Vielleicht ist Jenna Behrends ein unangenehmer Mensch. Vielleicht ist sie sehr stark auf ihre eigene Karriere bedacht. Vielleicht war sie mit dem CDU-Generalsekretär Peter Tauber im Bett. Für all diese Behauptungen gibt es mehr gegenläufige Indizien als Beweise, aber selbst wenn sie stimmen sollten: Die Sexismus-Vorwürfe, die die CDU-Politikerin gegen ihre Partei erhoben hat, werden dadurch keinen Millimeter kleiner, und ihre Legitimation, diese Vorwürfe zu erheben, kein bisschen schwächer.
Mit dem eigenen Namen und Gesicht zu solchen Vorwürfen zu stehen, ist mutig, auch wenn sie inhaltlich nur allzu vorstellbar sind. Wie klassisch-plump dieser Sexismus daherkommt, mag vielleicht überraschen – von subtiler ablaufenden sexistischen Herabwürdigungen am Arbeitsplatz kann fast jede Frau berichten, und dass so etwas im männlich dominierten politischen Betrieb sowie in einer konservativen Partei überdurchschnittlich häufig vorkommt, erstaunt nicht.
Was aber sprachlos macht, sind die Argumente, mit denen die Vorwürfe Behrends’ jetzt entkräftet werden sollen: Wer „offensiv“ auf Männer zugeht, wer nicht zu den „anständigen“ Frauen gehört, der darf sich über Sexismus nicht beschweren, lautet die Botschaft. Das ist ein Anschauungsbeispiel par excellence für zwei Phänomene, auf die Feministinnen seit Jahren unter den Stichworten slut-shaming und victim-blaming hinweisen: Opfer von sexistischem Verhalten werden zu Schlampen erklärt, die an ihrer Herabwürdigung letztendlich selbst schuld sind. Dass die Frauen-Union keine Speerspitze des Feminismus ist, überrascht nicht, dass sie auf die Vorwürfe mit so plumpen Opfer-Täter-Verdrehungen reagiert, schockiert trotzdem.
Wenn es Zweifel daran gibt, dass Behrends’ Darstellungen stimmen, dann kann man versuchen, sie auf der Sachebene zu entkräften – das hat bisher übrigens noch niemand getan. Ihr durch den Verweis auf ihre angebliche „Unanständigkeit“ die Legitimation für solche Vorwürfe absprechen zu wollen, ist beschämend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett