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Kommentar Briefbomben in den USAAuf dem Weg in die Sprachlosigkeit

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Wie konnte die Feindseligkeit der politischen Lager in den USA so eskalieren? Alle Seiten sehen jemand anderen in der Verantwortung.

Donald Trump machte die „endlose Feindseligkeit“ der US-Medien mitverantwortlich Foto: ap

ber die wirklichen Hintergründe der Briefbombenserie in den USA kann bislang nur spekuliert werden. Weder Täter noch Motiv sind bekannt. Nur die Reihe der PaketempfängerInnen weist darauf hin, dass da womöglich ein sehr überzeugter Anhänger des US-Präsidenten Donald Trump sich bastlerisch betätigt haben könnte.

Die Reaktionen in den USA sind so heftig wie erwartbar. Die Demokraten beschuldigen Trump, mit seiner aggressiven Rhetorik solche Gewaltakte recht direkt befördert zu haben. Der koffert zurück, die Medien sollten gefälligst aufhören, so viele Fake News zu verbreiten, man sehe ja, zu was das führe. Und das Ganze nur gut zehn Tage vor den Midterm Elections, die darüber entscheiden, ob Trump weiterhin über Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses verfügen wird.

Die Kultur des öffentlichen Diskurses ist zum Trauerspiel verkommen. Der Verfallsprozess ist nicht neu, hat allerdings unter Donald Trump an Fahrt aufgenommen. Nein, nicht einmal eine statistisch relevante Minderheit auch der Trump-Anhänger würde gern die politischen Gegner umbringen.

Wie bei den meisten Brief- oder Paketbombenserien in der Geschichte dürfte es sich auch diesmal um einen durchgeknallten Einzelnen handeln. Den allerdings gäbe es so nicht ohne eine ausgeprägte Lagerbildung, die den politisch Andersdenkenden nicht als Gegner betrachtet, sondern als Feind. Und dieses Denken fördert Trump tatsächlich mit fast jedem Tweet.

„Fakten sind langweilig, Verleumdungen spannender“

Bislang ist durch die Rohrbomben noch niemand zu Schaden gekommen – hoffentlich bleibt das so. Jetzt zu glauben, die verrohte Atmosphäre habe gar keine Opfer gefordert, ist aber falsch. Schwarze, Latinos, Linke, Antifas, Feministinnen, LGBTIQ – sie alle berichten schon seit Trumps Wahlsieg von zunehmenden Aggressionen, von immer mehr Übergriffen. Diese sind nur selten Gegenstand landesweiter oder gar internationaler Berichterstattung.

Das Problem ist, dass es unglaublich schwierig ist, in der politischen Debatte wieder auf Zimmerlautstärke zu kommen. Wer das versucht, wird zunächst einfach überhört. Also brüllen alle immer weiter, immer lauter, immer gemeiner, immer verleumderischer.

In diesem, und nur in diesem Punkt könnte Donald Trump mit seiner Medienschelte recht haben – obwohl er es gar nicht so meint: Ohne die Verstärker- und Lautsprecherfunktion der Medien hätten es Leute wie er niemals ins höchste politische Amt der USA geschafft. Fakten sind langweilig, Verleumdungen sind spannender. Wer liefern kann, dominiert die News.

Vergleicht man eine Trump-Rede mit einer Ansprache des Präsidenten und gelernten Hollywood-Schauspielers Ronald Reagan in den 1980er Jahren, klingt das wie der Unterschied zwischen einer sehr betrunkenen Karnevalsrede und einer Philosophie-Vorlesung. Der Diskurs ist nicht nur verroht, er ist auch unglaublich verblödet. Trump ist gleichzeitig Produkt und Beförderer dieser Veränderung. Am Ende dieses Prozesses steht die vollkommene Sprachlosigkeit. Und wer auch immer die Paketbomben verschickt hat: Er nimmt diesen Endzustand bereits vorweg.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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6 Kommentare

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  • Wenn in Deutschland Briefbomben an Gerhard Schröder, Martin Schulz, Christian Ströbele, Jochen Wermuth, die FR u.a. gefunden würden, würde die Presse dann titeln "Rohrbomben an Merkel-Kritiker" ?

  • Zitat: „Wie konnte die Feindseligkeit der politischen Lager in den USA so eskalieren? Alle Seiten sehen jemand anderen in der Verantwortung.“

    Sieht so aus, ja. Immerhin will sich ja wenigstens Bernd Pickert von Trump nicht provozieren lassen. Allen Tiraden des „mächtigsten Mannes der Welt“ und aller Dummheit seiner politischen Gegner zum Trotz, wagt er es, Selbstkritik zuzulassen. Den Mut muss man erst einmal haben heutzutage! Sieht aus, als hätte Bernd Pickert neben ein paar erklärten Gegnern auch ein paar richtig gute Freunde – und den Mut, auf sie zu setzen. Auch, wenn sie vielleicht keine Präsidenten sind.

    Ohne die „Lautsprecherfunktion der Medien“ hätte es Trump niemals ins Oval Office geschafft, da hat Bernd Pickert recht. Obama allerdings auch nicht. Das Problem daran: Wir Menschen haben (fast) alle ein Gerechtigkeitsgen, wenn es in manchen Fällen auch ziemlich mutiert ist. Was dem einen recht ist, ist dem anderen also billig.

    Trump ist „gleichzeitig Produkt und Beförderer“ einer Entwicklung, die die Aussage: „Fakten sind langweilig, Verleumdungen sind spannender. Wer liefern kann, dominiert die News.“ fast schon wie ein Naturgesetz erscheinen lässt. Nicht nur der Diskurs ist „verroht“ und „unglaublich verblödet“. Die „westliche Gesellschaft“ insgesamt gammelt schon eine Weile vor sich hin.

    Es fehlte ihr zuletzt an Konkurrenz, fürchte ich. Auf „Leistung“ und Aggression getrimmt, wie sie seit der Industrialisierung ist, hat sie 30 Jahr nach dem Kalten Krieg einfach nicht genügend ebenbürtige Gegner, als dass sie ihre überschüssige Energie extern loswerden könnten. Sie richtet sich nun wieder stärker nach innen. Trump ist nur eine Erscheinung dieses Prozesses, wenn auch ein kaum zu übersehende.

    Der „Endzustand“, den der Absender der Bomben vorwegnimmt, ist noch zu verhindern. Aber nicht mehr lange und vor allem nur dann, wenn alle etwas mehr Bernd Pickert sind. Von Fremden lässt ein ein Mensch, der auf sich hält, sich nämlich nie endgültig beherrschen.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Den letzten Satz versteh ich gar nicht. Ich würde mich auch von eine*m Bekannten nicht "endgültig beherrschen" lassen.

  • Nee, es gibt in den USA duzende politische Parteien und ne Menge soziale Bewegungen, tausende Initiativen, also nicht bloß zwei Parteien.



    Der Rechtsradikalismus, Faschismus wird immer dreister seid dem Mord an Heather Heyer in Charlottesville 2017.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Die USA, die bisher mit großem Engagement Kriege geführt haben, wo Kriege nur irgendwie möglich waren, ernten nun als die friedvollste Nation der Erde ein solches inneramerikanisches Gemetzel.



    Erst die Russen, die alles kaputt machen und jetzt die Amis selbst. Ist das nicht schrecklich?

  • Wie lange wird es dauern, bis sich die beiden Parteien gegenseitig bekriegen - im wahrsten Sinn des Wortes? Eine solche extreme Hetze und persönliche Verunglimpfung im Tagestakt durch einen US-Präsidenten wären vor wenigen Jahren wohl nicht vorstellbar gewesen. Die Dynamik scheint ein Selbstläufer zu werden, bei dem ein Ende nicht in Sicht ist.